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Sterbebegleitung
Ich war etwas mehr als 2 Monate - bis am 8. Juli - in
der Schweiz. Der Pankreas - Tumor meiner Mutter, der vor
einem Jahr diagnostiziert worden war, wuchs und quälte
sie jetzt zunehmend. Es war mir sehr wichtig, dass ich
sie in den letzten Wochen bis zu ihrem Tode zusammen mit
meinem Vater, meinen vier Schwestern und zwei Nichten
begleiten durfte. Diese Wochen waren intensiv und die
Gedanken und Gespräche der ganzen Familie kreisten
um unsere liebe, tapfere und dem Tode ins Angesicht schauende
Mutter. Rund um die Uhr waren wir bei ihr im Spital. Oft
hatte ich das Gefühl, dass das Leiden, Loslassen
und Sterben für uns Angehörige viel schwerer
war als für unser geschwächtes Mükkeli.
Der Tod war schliesslich eine Erlösung und Mükkeli
sah wunderschön und friedlich erfüllt aus. Ihre
positive Energie lebt weiterhin in uns, auch wenn sie
uns sehr fehlt. - Ich blieb noch ein paar Wochen bei meinem
Vater, schwamm mit meinen Schwestern in der Aare und erledigte
einige hängige Sachen. Wenn ich mich bei dir nicht
gemeldet habe, dann entschuldige bitte, aber die Tage
nach dem Begräbnis der Mutter bis zu meiner Abreise
nach Chile schrumpften sehr schnell. - Hans ist in Puerto
Montt geblieben, hat mich aber in Gedanken einfühlsam
unterstützt in der schwierigen Zeit. - Zudem gibt's
auf einem Schiff immer eine Menge zu tun.
Winterliches Santiago de Chile
Hans holt mich in Santiago am Flughafen ab und wir feiern
unser Wiedersehen. Für eine Woche kehren wir nach
Puerto Montt auf CASIMU zurück und packen dann
das Nötigste für eine Landreise in einen grossen
und einen kleineren Rucksack (Hans denkt, wir würden
etwa für 2 Wochen verreisen, ich hoffe für
etwa 2 Monate. Darüber sprechen wir nicht!) Und
so treffen wir am 20. Juli - nach einer Nacht im Schlafbus
- bei unfreundlichem Winterwetter wieder in Santiago
ein. Genau das Wetter für einen Besuch des hervorragenden
Museo de Arte Precolombino: grosszügige Räume
mit bestens erhaltenen Statuen, Vasen, Schmuck- und
Kultgegenständen der prähispanischen Völker.
Spots beleuchten die Exponate geheimnisvoll und es hat
kaum Besucher. Besonders faszinieren uns die ganz alten
Kulturen vor den Inkas. Die Sonne zeigt sich kurz und
fahl und wir spazieren zurück auf die Plaza de
Armas, den mit vielen grossen Bäumen bestandenen
Hauptplatz. Ein Strassenclown zieht Dutzende von Bummlern
an. Die Kinder sitzen staunend zuvorderst auf dem kalten
Asphalt. Ohne Requisiten, nur pantomimisch, bringt der
junge Künstler die Menge zum Lachen, indem er den
Gang von Passanten oder die Verkehrsregelung des Polizisten
karikierend nachmacht, eine überraschte Dame tanzend
herumwirbelt und ähnliches. Die Komik ist perfekt.
Alles fast wie in Bern, an einem warmen Tag auf dem
Bärenplatz, allerdings etwas frecher und unverschämter
und wesentlich kälter. Mir fällt die billig-ärmliche
Winterbekleidung der Leute auf. Die Löhne hier
sind tief und die meisten Menschen in Chile sind arm.
Auf dem Rückweg zum Hotel schlendern wir in der
Fussgängerzone an vielen Buch-Antiquariatsständen
vorbei: H. Hesses "Narziss und Goldmund",
abgegriffene Bücher von Macchiavelli, Schopenhauer,
Freud fallen mir auf, alles auf spanisch natürlich.
Argentiniens Nordwesten
Mendoza, die grosszügige
Am nächsten Morgen ist der Himmel über Santiago
blau und klar. Wer nicht die wärmenden Sonnenstrahlen
empfängt, friert. In einem komfortablen Bus fahren
wir über die schneebedeckte Cordillera de los Andes
Richtung Mendoza, der Weinmetropole Argentiniens. Die
Passstrasse schlängelt sich fast wie die Tremola
am Gotthard, allerdings durch Skigebiete. Wie viele
Anfänger es da gibt! Meine Güte, und in den
Haarnadelkurven riesige, voll beladene Lastwagen mit
Anhänger, die Waren von Argentinien nach Chile
führen. Nach dem Passübergang erblicken wir
kurz den höchsten Berg Südamerikas, den imposanten
Aconcagua mit 6960 m ü.M. Bald darauf sind wir
an der chilenisch-argentinischen Grenze. Ein eisiger
Wind - der auch die Beziehung zwischen Chile und Argentinien
charakterisiert - weht über die schneebedeckten
Hänge und es erstaunt nicht, dass das Procedere
des Landeswechsels ganze zwei Stunden dauert. Die paar
Aepfel, die wir bei uns haben, hat der Chauffeur zuvorkommend
in seine Obhut genommen, denn es dürfen keinerlei
pflanzliche oder tierische Produkte von einem ins andere
Land geführt werden. Die Gepäckkontrolle ist
rigoros: alles muss ausgeladen und auf einen langen
Tisch gestellt werden. Und jetzt beginnt das Wühlen.
Da werden Einmachgläser mit Früchten und Zwiebeln
konfisziert und einer überlässt sein ganzes
Malerzeug der strengen Zöllnerin. Als wir später
zum Puente del Inca kommen, können wir leider nur
wehmütig zu den Thermen und den gelb gefärbten
Felsen hinüber schauen, der Bus fährt vorbei.
Das ist halt ein Nachteil der öffentlichen Verkehrsbusse,
den wir noch etwa zu spüren bekommen: Haltestellen
sind nicht bei den Sehenswürdigkeiten, sondern
bei den wartenden Kunden, und das oft alle paar hundert
Meter! Eben erhalten wir unsere geschmuggelten Aepfel
wieder. - Abends, als wir im Terminal von Mendoza einfahren,
erleben wir wieder einmal, wie vorteilhaft es ist, dass
wir spanisch sprechen. Der gemütliche Bus-Stewart
und der temperamentvolle Chauffeur empfehlen uns "ihr"
Hotel Bianco: ruhig, sauber, günstig. Sie fahren
uns auch gleich mit dem Bus vor die Hoteltür und
laden uns - mit vielen Gratis-Tipps - dort aus; das
heisst sie übergeben uns eigentlich der Obhut des
Hotelbesitzers Don Vittorio, der sich ebenfalls sehr
bemüht, uns zufrieden zu stellen. Abends erkunden
wir das Zentrum und essen in einem für Argentinien
typischen "Tenedor libre" (freie Gabel). Für
11 Peso pro Person (ca. 5 Fr.) holt man sich vom sehr
reichhaltigen Buffet und riesigen Grill (Parrilla) so
viel und so oft man mag.
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Das ist nur ein kleiner Teil des
Buffets!
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Typisch argentinische Parilla mit
halbem Lamm am schrägen Spiess. Die Argentinier
verzehren Unmengen Fleisch! |
Wie viele dicke Leute doch da rein kommen! Doch die
vielen feinen und schön präsentierten Vorspeisen,
Salate, Grillspezialitäten, Zutaten und Desserts
verleiten auch uns dazu, unseren Magen zu überfordern.
Ein sympathisches Ehepaar aus Rosario sitzt mit den
beiden kleinen, lustigen und neugierigen Töchtern
neben uns. Wir plaudern angeregt. Als wir nach 22 Uhr
das grosse Lokal verlassen, stehen die Leute draussen
auf der Strasse immer noch Schlange, um einen freien
Tisch zu erhalten. Wir sind ausgerechnet während
der beiden Winter-Ferienwochen vieler Argentinier in
ihr Land gereist!! (Erst um 23 Uhr das Abendessen einzunehmen,
ist allerdings in Argentinien nichts Ungewöhnliches.)
- Die nächsten Tage lassen wir uns von den fünf
herrlichen, lebendigen "Plazas" betören.
Sie sind so im Zentrum angelegt, wie die Punkte der
Zahl fünf bei einem Würfel. Jeder strahlt
eine andere Stimmung aus, doch jeder ist gross, mit
altem Baumbestand - wuchtig ausladenden Palmen, die
riesigen Platanen sind immer noch voll braunes Laub.
Statuen und Brunnen schmücken die Plätze und
vorallem sind sie belebt. Ein paarmal sitzen wir an
der wärmenden Wintersonne auf einer Bank. Wir beobachten
das Treiben oder ich schreibe Tagebuch und Hans liest.
Irgendwie sind die Schwingungen in Argentinien anders
als in Chile: temperamentvoller, sonniger, grosszügiger,
eleganter, lebensfreudiger... oder kurz: italienischer!
Auf jeden Fall fühle ich mich ähnlich vergnügt,
wie wenn ich aus der Schweiz in Italien eintreffe. Und
dann erst der San Martin Park: 512 ha Grünanlage
mit künstlichem See, aber auch Autostrassen, denn
wir sind wohl von den wenigen, die diese riesige Fläche
zu Fuss erkunden. Irgendwann hält ein Polizeiauto
neben uns. Wir sollen den Park nicht allzu abgelegen
begehen, das sei gefährlich, warnen uns die beiden
Uniformierten. Bald steigen wir hoch zu dem Hügel
"Cerro de la gloria". Die Wintersonne strahlt
jetzt am frühen Nachmittag und es ist wärmer
geworden. Oben ehrt ein heldenhaftes, immenses Bronzedenkmal
den Siegeszug des "Libertadors" San Martin.
Wir blicken um uns in die Tiefe: wüstenhaft trockenes
Land vom einen Standpunkt, die Dächer und Plätze
von Mendoza vom anderen Ausblick; es ist sehr dunstig.
Reben erblicken wir keine, obschon Mendoza das wichtigste
Weinzentrum in Argentinien ist. Wir haben während
unsere Segelreise viele Weine aus dieser Gegend probiert
und genossen.
San Juans spezielle Rosinen
Die Busfahrt vom grossstädtischen Mendoza nach
dem provinzlerischen San Juan ist etwas deprimierend:
sehr trocken, viele versteppte Felder, armselige Lehmhüttchen.
Allerdings ab und zu Reben. Doch San Juan ist eine gemütliche
Stadt. Da Erdbeben gefährdet - 1944 stürzten
80% der Häuser ein - sind die Häuser fast
alle nur ein- oder zweistöckig. Historische Sehenswürdigkeiten
sucht man hier vergebens...oder nein! Das einzige Haus,
das nach dem Erdbeben noch ganz geblieben sein soll,
ist das alte Geburtshaus des hervorragenden Politikers
und Genies Domingo Faustino Sarmiento (1811 - 1888).
Wir besuchen das einstöckige, weitläufige
Haus mit Patio. Es ist historisch möbliert, und
das Arbeitszimmer von Sarmiento enthält eine grosse
Bibliothek. Unglaublich, was dieser Mann alles bewirkt
und geleistet hat: das Schulwesen hat er grundlegend
modernisiert, Rechtswesen, Militär und Landwirtschaft
reformiert, Strassen ausgebaut und erneuert und einiges
mehr. Daneben hat er mit spitzer Zunge geschrieben und
viele noch heute sehr wichtige Werke verfasst. Abends
wird hier eine schauspielerische Besonderheit angeboten:
Das Haus wird mit den ursprünglichen Familienmitgliedern
belebt und so werden wir in etwa zwei Stunden von der
temperamentvollen Hausangestellten (nochmals) durch
die Räume geführt, lernen die Eltern und Schwestern
von Domingo kennen und den damaligen Alltag.
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Sarmientos Geburtshaus - in authentischem Rahmen
- wird mit den ehemaligen Bewohnern belebt. Eine
hervorragende schauspielerische Darstellung! |
Domingo erscheint als Schattenfigur in seinem Arbeitsraum
und ab Tonband vernehmen wir seine Stimme. Bravo, das
war hervorragend inszeniert und gespielt! Eine ganz
spezielle Rosine! Doch wir kosten hier noch ein paar
weitere. Zuerst eine musikalische: am Freitagabend um
21.30 findet ein Volksmusikabend im Theater statt. Abends
ein unglaublicher Andrang von Menschen. Wir müssen
uns um die Ecke in der nächsten Strasse in die
Reihe stellen, um zum einzigen Billetschalter vorzudringen.
Fast schon wollen wir aufgeben. Doch wir bekommen noch
Eintrittskarten und all die anderen auch. Es sind bestimmt
mehr als tausend Menschen da. Viele Familien mit Kindern.
Das alte rot-plüschige Theater ist sehr gross.
Wer keinen Sitzplatz ergattert, der steht halt. Mit
etlicher Verspätung geht's los: zuerst ein klein-
formatiger dilettantischer Film vom Hauptstar des Abends.
Dann eine Rede und Rezitation eines Gedichtes, wohl
von einem Politiker. O weh! Hoffentlich geht das nicht
so weiter! Doch endlich, er. Ein charismatischer Sänger
/ Gitarrist (Typ Rebroff) und seine vier Begleiter betreten
die Bühne und fesseln mit Volksgesängen aus
den Andendörfern. Das Publikum klatscht den Rhythmus
und ist begeistert. Weitere engagierte und zum Teil
weit her gereiste Gruppen singen und spielen Volksweisen,
dazwischen wieder eher mühsame Reden, die vielen
Sponsoren werden in drei Raten herunter geleiert ...
doch ein richtiges Volkskonzert, das bis um 1 Uhr morgens
dauert, also drei Stunden! Die Zuhörer sind von
der ganzen Provinz gekommen - viele stundenlang gereist
-, um ihre besten Musiker und die schönsten Volkslieder
zu hören. Die vielen kleinen Kinder haben toll
durchgehalten...und wir auch! Wir sind uns einig, es
wäre echt schade gewesen, wenn wir - wohl als einzige
Ausländer - diesen begeisternden Anlass verpasst
hätten. - An einem späteren Abend noch eine
kulinarische Rosine: Der Besitzer des gepflegten Hotel
Posada empfiehlt uns den Club Sirio-Libanes mit Restaurant,
den wir ohne seine Angaben nie entdeckt hätten.
Eingewanderte Syrer und Libanesen haben hier nostalgisch
einen grosszügigen, mit arabisch dekorativen Kacheln
tapezierten Innenhof errichtet und dann essen wir im
angrenzenden Restaurant in angenehmem Rahmen Arabische
und auch argentinische Spezialitäten, fein und
erst noch preiswert.
Ein sonderbarer Wallfahrtsort
Ein Ausflug mit dem "Remis" (eine Art Taxi)
führt uns zuerst an Reben und dann durch wüstenhaftes
Gebiet ins 55km entfernte Vallecito, wo der eigenartigste
Wallfahrtsort liegt, den wir uns vorstellen können.
Einer Legende zufolge machte sich die heute als heilig
verehrte - allerdings von der katholischen Kirche nie
heilig gesprochenen - Difunta Correa mit ihrem kleinen
Söhnchen auf, ihren im Krieg verschollenen Mann
zu suchen. Doch sie irrte in der Wüste umher und
verdurstete. Maultiertreiber fanden sie tot, das Knäblein
aber noch lebendig an ihrer Brust. Eben an dieser Stelle
liegt heute der Wallfahrtsort: ein paar Hügel und
einige Unterkünfte für die Zehntausende von
Opfergegenständen bestaunen wir da. Unzählige
Wasserflaschen für die Verdurstete, aber auch ausgediente
Pneus, Keilriemen, Auspufftöpfe, Steuerräder,
Nummernschilder und weitere Auto- und Lastwagenteile
wurden hier deponiert, denn die Difunta Correa ist die
Schutzheilige der Reisenden und der Camioneure. Heerscharen
von Argentiniern pilgern hierher, um der Verehrten ihren
Herzenswunsch auf Metalltäfelchen zu übermitteln
oder ihr dann für das Erhaltene zu danken. So sind
auf einem Hügel viele gebastelte Modelle von Häuschen
deponiert, als Dank, dass der Häuserbau von der
Heiligen ermöglicht wurde.
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Gebastelte Häuser-Modelle werden
der Heiligen als Dank dargebracht |
Der Altar mit der (fast lüstern
dargestellten) Difunta Correa und ihrem überlebenden
Söhnchen und vielen Dankesplättchen |
Andere huldigen ihr, indem sie das Hochzeitskleid,
ihre Uniform, ihr Diplom, Medaillen, Fotos, Dankes-
und Wunschplaketten, ihre Nähmaschine, Geldscheine
und vieles mehr überbringen. Dauernd brennen Kerzen
und es duftet erschlagend, wie nach zu dick geratenen
Räucherstäbchen. Nicht weit davon verbreitet
sich der Geruch von angekohlter Parilla (Wurst und Grillfleisch)
und einige Verkaufsstände bieten heilige und profane
Souvenirs an. An Sonntagen muss da echt was los sein!
Wir tun uns etwas schwer in dem Sammelsurium. Doch wenn
wir in die inbrünstig betenden und dankenden Gesichter
vor dem Altar blicken, sind wir berührt. Da muss
etwas dran sein, und wenn es bloss die eigenen psychischen
Kräfte sind, die hier aktiviert werden. Etwas verwirrt
fahren wir nach San Juan zurück. Vallecito ist
der grösste "Ableger", doch wir treffen
an den Strassenrändern in ganz Nordargentinien
noch auf viele weitere, kleinere "Filialen"
mit ähnlichen Requisiten.
Puerta a Puerta - eine argentinische Transportmöglichkeit
Ein Abstecher mit landschaftlich schönen Umwegen
führt uns schliesslich zu dem abgelegenen und etwas
herunter gekommenen Thermalhotel Pismanta. Vor den winterlich
überzuckerten Anden schwimmen wir als einzige im
lauwarmen Bassin, während die andern Gäste
die heissen Einzelbecken im Hotelinnern bevorzugen.
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Schwimmen im lauwarmen Thermalwasser
vor den winterlichen Anden |
Die drei sympathischen Lehrerinnen
aus Buenos Aires |
Wir treffen "unsere" drei gepflegten Lehrerinnen
aus Buenos Aires wieder, die bereits - wie wir - am
Busbahnhof in San Juan vergeblich ein Vehikel erfragten,
das sie nach dem einsamen Ort bringen würde. Gegenseitige
Sympathie und ihr Interesse an unserer Seereise ergeben
angeregte Gespräche. - Wie kommen wir mit öffentlichen
Verkehrsmitteln wieder in einen grösseren Ort,
das erfragen wir an der Reception. Die Lösung ist
sofort ausgesprochen "Puerta a puerta". Also
ruft Hans die angegebene Telefonnummer an. "Manana
a los una y media o dos..." Gespannt sitzen wir
um halb zwei am nächsten Tag an der Sonne vor dem
Hotel. Und wirklich holt uns ein Kleinbus gegen halb
3 Uhr vor der Hoteltüre ab. Jeder Fahrgast wird
nämlich vor der gewünschten "puerta"
(Türe) abgeholt und wieder vor die gewünschte
Türe gebracht. Und das etwa zum gleichen Preis
wie ein normales Busbillet. Wir sind fast die letzten
der vierzehn Mitfahrenden. Der Rucksack wir auf dem
Dach festgezurrt, und nun fahren wir durch Wüstengegenden
und rütteln über Dreckstrassen in abgelegene
Weiler und zu entfernten Häusern - dahin kämen
wir ja sonst im Leben nie!- um die letzten drei oder
vier Mitfahrenden abzuholen. Jetzt ist der Kombi voll
und über einsame, steinige Hügel geht die
Fahrt zügig hinunter nach San Juan. Der Fahrer
legt während den geraden Strassenabschnitten die
Reihenfolge der Ankunfts-puertas fest. Nicht einfach!
Wer als erster einstieg und dessen Tür jetzt als
eine der letzten drankommt, kann für die wenigen
Pesos gut und gerne zwei Stunden länger Bus fahren,
als wenn er als letzter zustiege und als einer der ersten
am Ziel wäre. Doch das eine wie das andere scheint
keinen der Mitfahrenden gross zu beschäftigen.
Wir kommen auf jeden Fall noch vor Einbruch der Dunkelheit
heil und um eine Erfahrung (im wörtlichen Sinn)
reicher in San Juan an.
Im Revier der ersten Dinosaurier
Nach vier Stunden Busfahrt durch Reben, Steppen und
Oasen erreichen wir San Augustin im Valle Fertil, von
wo aus wir ins paläontologisch berühmte Valle
Ischigualasto und ins Palampaya-Canon vordringen wollen.
Am Nachmittag erkunden wir die Umgebung des Dorfes und
umwandern den einsamen Stausee, wo wir kurz die trinkende
Ziegenherde stören müssen.
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Eines der vielen Zeugnisse der Religiosität
der hiesigen Menschen: Die riesige Christusstatue
aus Holz in San Augustin |
Dann kaufen wir Picknick für die morgige Tour
im Pickup. Abends essen wir - wie schon am Mittag -
nochmals im einzigen offenen und bescheidenen Restaurant
Tauro. Die sechzehnjährige, lustige Serviertochter
hat seit Mittag etwas gelernt: wir wollen Brot zum Salat
und Zitrone zum Fleisch. Es klappt ohne Worte!
Um 7.30 ist es noch ganz dunkel und kalt. In der kleinen
Pension wartet auch Betty, eine Lehrerin aus Buenos
Aires, auf den Exkursionswagen - in den Schulen der
Hauptstadt sind noch Winterferien. Sie trinkt, wie üblich,
ihren morgendlichen "Mate" und offeriert mir
in der Dunkelheit gleich die nächste Portion ("Mate"
ist ein Tee aus Blättern, die in spezielle Becher
gestopft, immer wieder mit Wasser aus dem Thermoskrug
übergossen und mit der "Bombilla"- einem
metallenen Rohr - geschlürft werden (siehe frühere
Log-Foto mit Hans). Bei den Argentiniern ist Mate trinken
ein verbindender Anlass: jeder trinkt der Reihe nach
immer wieder eine Portion aus dem gleichen Becher.)
Während der Fahrt ins Valle de la Luna, wie Ischigualasto
für die Touristen auch etwa genannt wird, erzählt
sie mir von ihrem Unterricht in der Hauptstadt: sie
arbeitet in einem sozial sehr armen und schwierigen
Quartier, täglich acht Stunden Unterricht, montags
z. Bsp. um die zweihundert Schüler zwischen 12
und 18 Jahren in den verschiedenen Klassen! (Ich denke:
"Ihr Lehrer und Lehrerinnen, geniesst die schweizerischen
Bedingungen!") Ihr Mann ist ganz jung an Lungenkrebs
gestorben, und sie blieb mit drei kleinen Kindern zurück
und musste hart arbeiten. Betty ist fröhlich und
sehr interessiert. Sie unternimmt diese Exkursion, um
sich für den Unterricht weiterzubilden. Der vierte
Mitfahrer, ein junger Berufsmusiker namens Matias, ebenfalls
aus Buenos Aires, unterhält sich während der
Fahrt mit Hans. Nach 70 km Schotterstrasse merke ich,
dass meine Segeljacke samt Kreditkarten noch im Schrank
der Pension in San Augustin hängt. Und wir wollten
doch die weite Fahrt zurück gar nicht mehr machen,
sondern direkt weiter.... So ein Mist! Ich ärgere
mich zünftig, doch Hans nimmt es gelassen: "Dann
kehren wir halt zurück, wir haben ja Zeit..."
Ins Mondtal darf man nur mit Führer. So fährt
die Kolonne von sechs Autos nach neun Uhr mit Führer
los. Ein heftiger Wüstenwind, der warme "Zonda"
wirbelt den Sand auf und bei den ersten Stopps werden
wir richtig sandgestrahlt und sehen nicht in die Weite.
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Die erodierte Sphynx im "Mondtal" |
Der heftige "Zonda"-Wüstenwind
hat auch die aus kleinsten, urzeitlichen Lebewesen
und Ablagerungen entstandenen Kegelskugeln so perfekt
rund geschliffen. |
Beim dritten Stopp, dem "Unterseeboot",
plagt uns der Wind nicht mehr und wir haben einen phantastischen
Blick über das heutige Wüstental und das frühere
Gebiet der ersten Dinosaurier. Americo, unser Führer,
erklärt uns nun: "Hier im Ischigualasto-Tal
herrschte im Trias tropisches Klima, den Gebirgszug
der Anden gab es damals noch nicht. Der Regen vom Pazifik,
der heute in Chile niedergeht, kam damals ungehindert
bis hier. Eine Menge Skelette von den allerersten, eher
kleinen Sauriern wurde in diesem Tal während der
letzten Jahrzehnte gefunden. Die riesigen Saurier erschienen
erst im Tertiär und wurden weiter im Süden,
in Patagonien, zahlreich entdeckt. Das Ischigualasto-Tal
war die Heimat der frühsten, grösseren Lebewesen,
der Vorfahren der späteren Säugetiere. Noch
lange ist hier nicht alles erforscht und ausgegraben.
Eben erst wurde hier das älteste bisher gefundene
Lebewesen überhaupt geborgen: ein "Coraptor",
228 Millionen Jahre alt. Nach Auffaltung der Anden-Kordillere
veränderte sich das Klima, der Regen kam nicht
mehr bis hierher und das Mondtal versteppte und wurde
zur Wüste; mit fatalen Folgen...." Didaktisch
brillant erläutert uns Americo auch die Evolutionstheorie
und die geologischen Zeitalter, die an den verschieden
farbigen Schichtungen des Gesteins "abgelesen"
werden können, während wir träumerisch
die von Wind- und Sanderosion geschaffenen Riesen-Skulpturen
bewundern und dazwischen gewaltige Farne und unzählige
gefrässige Saurier lebendig werden.
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Blick ins weite Ischigualasto-Tal,
das vor Urzeiten tropisch und von den ersten Sauriern
belebt war. |
Die phantastischen Türme des
"Unterseebootes". Die dauernde Winderosion
wird sie in nicht allzu langer Zeit zum Einstürzen
bringen. |
- Weitere 100 km führt die einsame Strasse zum
Talampaya-Canon, von dem wir einen winzigen Teil in
offizieller "Camioneta" besuchen dürfen.
Riesige braun - rote Felswände steigen senkrecht
aus dem Wüstenboden, gegen 150 m hoch, oft kanülenartig.
Die "Pietroglifos" der Urmenschen sind noch
nicht entziffert: Wir sehen in die Felsen gehauene Tiere
wie Guanacos und Menschen mit Kopflasten. Kondore kreisen
über uns. Die Fahrt auf der offenen Camioneta ist
nur wenige Kilometer lang, aber wir tauchen ein in eine
uralte, unberührte und faszinierende Schlucht.
1994 wurden hier Riesenschildkröten gefunden, die
dicht bei einander lagen und wie der Canon auch gegen
230 Millionen Jahre alt sein sollen.
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Enorme Wände ragen im Talampaya-Canon rot
und senkrecht auf |
Der heftige, sandige "Zonda" peitscht uns
noch vor Ende der Fahrt zünftig an fast allen Körperstellen.
Hätte ich die Jacke nicht in San Augustin liegen
gelassen, könnten wir jetzt mit dem netten deutschen
Paar und ihrem gemieteten Camper weiter nach Villa Union,
wie eigentlich geplant...doch alle "wenn"
und "hätte" sind vergeblich! Dafür
vermitteln wir Betty, der Lehrerin mit schmalem Budget,
eine Mitfahrgelegenheit mit den Deutschen. Wir lassen
uns halt die weite Strecke nach San Augustin - zeitweise
dösend - zurück schütteln. Doch meistens
öffnet sich ja bei negativ anmutenden Ereignissen
unverhofft ein neues Türchen. Und dieses Türchen
heisst ...
Rolf, der "andere" Schweizer
Meine kostbare Segeljacke hängt - zum Glück!
- gut sichtbar im Innenhof beim Empfangstisch. Nachdem
wir uns all den feinen Sand aus Ohren, Haaren und überhaupt
weg geduscht haben, gehen wir ins "Stammrestaurant"
Tauro und jassen vor dem Nachtessen. Wir sind die einzigen
Gäste. Plötzlich kommentiert der eben eingetretene
Mann vom Nachbartisch aus unsere Karten ... und das
erst noch auf "schwyzerdütsch"! Wir beginnen
mit dem sympathischen Landsmann zu plaudern und bald
sitzt er zum Essen an unserem Tisch. Rolf lebt seit
vier Jahren da, sehr bescheiden - anfangs in einem alten
Bus - aber zufrieden, wie er sagt und auch aussieht.
Er sei in Zug, trotz Direktorenjob und gutem Lohn, nie
wirklich zufrieden gewesen....Wir haben bei einem einfachen
Nachtessen einen vergnügten Abend zusammen und
vereinbaren, dass wir ihn am kommenden Morgen besuchen:
"Der Bus uf mym Land gseht dir sofort ..."
Und wirklich, als wir am nächsten Morgen zu Rolfs
Grundstück schlendern, fällt der alte Bus
auf, an den er ein Häuschen gebaut hat. Rolf hat
Freude, dass wir kommen.
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Rolf freut sich über unseren Besuch |
Auf der Finca begutachten die Männer den eingetauschten
Traktor |
Er zeigt uns das neue Schwimmbad, dem noch der Anstrich
fehlt. Er will es gegen geringes Eintrittsgeld für
die Dorfbewohner öffnen, denn es existiert keine
Bademöglichkeit in der sommerlichen Hitze. Er hat
auch ein ansprechendes Versammlungs- oder Festhäuschen
gebaut, das er für Anlässe vermietet. Im Bus
ist nach wie vor sein Schlafzimmer eingerichtet, im
anschliessenden Häuschen die Küche und das
Badezimmer. Für einen Junggesellen ganz gemütlich!
Im Garten hat er Fruchtbäume und Kräuter angepflanzt,
doch die "Finca", der Olivenhain, liegt 8
km ausserhalb des Dorfes. Mit dem alten Ford Falcon
fahren wir hinaus. Unzählige grosse, grüne
Papageie schnabulieren von den Bäumen und machen
einen riesigen Krach. Der 24jährige Mario lebt
sozusagen als "socio" in dem kleinen Finca
- Haus, er erhält 50% des Gewinns. Doch vorerst
müssen die Olivenbäume durch richtiges Schneiden
und genügendes Bewässern wieder zu Ertrag
gebracht werden und bis dem so ist, bekommt Mario noch
einen bescheidenen monatlichen Lohn. Ein Junge schlägt
Holz und macht für ein geringes Taschengeld "Wedele"
(oder "Bündeli"). Rolf bringt sie dann
ins Restaurant Tauro und bekommt dafür ab und zu
ein Nachtesssen (deshalb haben wir ihn ja dort getroffen).
So wird hier getauscht, denn Bargeld ist rar. Wir laden
den bescheidenen aber zufriedenen Rolf noch "zum
ene Bierli y" und verabschieden uns dann beim Busterminal.
Mystische Thermen in den Felsen und die Maya-Astrologie
An kilometerlangen Olivenplantagen vorbei, belästigt
von ewig miserablen Videos im Bus, machen wir Zwischenhalt
im sonntäglichen, charakterlosen Provinzstädtchen
La Rioja (die Heimatprovinz von Menem). Die folgende
Reise nach den empfohlenen Thermen von Fiambalà
ist in öffentlichen Verkehrsmitteln unbequem: morgens
nach 4 Uhr marschieren wir in der finsteren Kälte
durch die menschenleeren Strassen, warten frierend,
um im Doppelstöcker-Bus von Cordoba zwei Plätze
zu erhalten. In Tinogasta steht ein alter Lotterbus
und wir wenigen Verbliebenen müssen umsteigen.
Doch die morgendliche Fahrt durch farbige, sonnenbeschienene
Felsentäler wird prachtvoll. Das Dorf Fiambalà
liegt als Oase in der Talebene. Der Besitzer des roten
Taxi fährt uns gerne die 15 km in die felsigen
Berge hinauf zu den Thermen. "Habt ihr Essen dabei?
Sonst kauft ihr euch besser hier im Dorf noch Fleisch
und Gemüse und.... denn oben gibt's nur einen kleinen
"kiosco"." Also wird bei der Bäckerei
und beim Gemüse- und Früchteladen Zwischenhalt
gemacht, und schon haben wir das Nötigste zusammen.
Bald haben wir die letzten Häuser hinter uns und
fahren durch die gelbe Wüste den roten Bergen zu.
Ziemlich oben zwischen steilen Felsen liegen sie versteckt:
die Thermen von Fiambalà.
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13 unterschiedlich warme Thermalbecken
liegen in einmaliger, einsamer Berglandschaft untereinander. |
Hans geniesst die warme Massage. |
13 unterschiedlich grosse Becken liegen terrassenförmig
und dampfend übereinander, keines gleich wie das
andere, meist sprudeln Wasserfälle ins nächst
untere Becken. Das oberste ist am heissesten, denn da
quillt das 70°C heisse Wasser aus dem Fels. Die
unteren werden nach und nach etwas kühler. Eine
kleine "cabana" - etwa 20 Meter über
den Becken - bietet für Touristen 4 sehr einfache
aber saubere Zimmer an. Wir stossen die beiden Kajüten
Betten neben einander, denn wenn wir beide oben schlafen,
können wir unseren einzigen Schlafsack als Decke
über beide Betten legen. Die Glühbirne an
der Wand dient so auch als Leselampe. Zum Glück
hat es einen elektrischen Heizstrahler. Die beiden Plastikstühle
und den kleinen Tisch stellen wir gleich auf den Vorplatz,
denn jetzt gegen Mittag scheint die Wintersonne für
ein paar Stunden über die hohen Felsen. Und nun
brunchen wir inmitten von unzähligen "Gelbbrüsteli",
von denen die frechsten schon vorher im Zimmer an unserem
Brot pickten. Wir sind die einzigen Gäste. Nein,
da sitzt etwas abseits und unscheinbar leise ein junger
Mann und näht oder stickt. Zuerst ins Bikini und
die paar Stufen runter ins warme Wasser. Später
besuche ich den jungen Mann: Mauricio ist ein nomadisierender,
argentinischer Kunsthandwerker, der sich hier auf einer
der kleinen unteren Terrasse eingerichtet hat. Er schläft
- nur mit Karton unter dem Schlafsack und ohne Zelt
- auf dem kalten Boden und arbeitet tagsüber mit
Stoff, Kürbissen, Avocadokernen usw. Es entstehen
schöne Taschen, Mobile, Gefässe und andere
schmucke Gegenstände, die er dann oft gegen Essen
eintauscht. Geld hat er selten. Wir sind uns gleich
sympathisch.
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Der asketisch-nomadisierende Mauricio; auf den
Knien eine selbst genähte Umhängetasche
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Der "kiosco-senor" frittiert die "empandas"
für unser Nachtessen |
Auf unserer Terrasse geniessen wir die Ruhe, die Wärme
und den tiefblauen Berghimmel. Der Ort strahlt eine
besondere Kraft aus. Doch leider verschwindet die Sonne
schon um 15.30 hinter den hohen Felsen und gleich wird
es kalt. Wir steigen dem Lauf der Thermalquelle entlang
hoch und auf einem noch besonnten, warmen Felsklotz
lesen wir bis gegen Abend. Nochmals in die heissen,
dampfenden Becken und dann runter zum "kiosco",
wo uns der sportliche Inhaber am einzigen Holztisch
ein Nachtessen auftischt: feine "empanadas"
- Fleischkrapfen die seine Senora im Dorf unten vorbereitet
hat - werden zuerst frittiert und danach gibt's "milanesa"
(panierte Plätzli), wie üblich trocken. Leider
hat er keinen Salat. Wir trinken vom Landwein "vino
patero", recht süss und stark, Sherry ähnlich.
Mauricio, der sanfte Nomade, stösst zu uns. Er
will nichts von unserem Fleisch, denn er ist Vegetarier
(was in der Fleisch fressenden Nation Argentinien eine
Rarität ist). Er isst nur etwas Brot und nippt
am süffigen patero. Anschliessend holt er seine
"Brujula maya", eine Arbeitsscheibe mit den
Maya-Astrozeichen. Er stellt unsere Geburtsdaten ein:
ich bin ein "mono" (Affe) und Hans eine "semilla"
(Samenkorn). Danach deutet er uns detaillierter den
ganzen Kreis mit den fremdartigen Symbolen. Ich bin
überrascht, wie spirituell und positiv aufbauend
die Aussagen sind, keineswegs fatalistisch bestimmend.
Was Hans noch länger beschäftigt: Mauricio
sagt am Schluss der Ausführungen zu mir, dass meine
Seele jung sei, also noch nicht viele Reinkarnationen
erlebt habe. Zu Hans sagt er darüber nichts, und
so fragt ihn Hans danach. Seine Seele sei viel älter
.... Was das wohl bedeuten soll? Hans möchte es
wissen, aber erkundigt sich nicht. Doch später
erwähnt er bei verschiedenen Situationen immer
wieder mal halb ernst halb im Spass: "Meine Seele
ist halt schon viel älter....." oder "Das
kannst du von einer alten Seele nicht erwarten..."
- Spät am Abend huschen wir in der eisigen Nachtluft
die Stufen runter ins warme Wasser. Ueber uns deutlich
die Milchstrasse und direkt im Zenith der ungewöhnlich
helle rötliche Mars, nicht weit davon der Skorpion
in seiner ganzen Grösse und etwas gegen Südosten
das Kreuz des Südens. Ach, geht es mir gut: im
weichen, warmen Wasser liegend kann ich in absoluter
Ruhe den unendlichen Sternenhimmel in mir aufnehmen.
- Am nächsten Morgen bitte ich Mauricio, mir eine
Einführung in den Maya-Kalender zu geben. Das ganze
ist komplex und ich verstehe die Zusammenhänge
nicht, weiss aber am Ende, dass es sich um einen Mondkalender
handelt, der mit den Umläufen der Venus kombiniert
ist und wie die "Brujula" einzustellen ist.
Da er noch eine zweite Arbeitsscheibe bei sich hat,
kaufe ich sie ihm ab. Er ist sehr froh über die
13 Pesos, denn jetzt kann er sich beim Kiosco-Mann getrocknete
Weinbeeren und etwas Brot kaufen. Und das zusätzliche
Unterrichtsgeld, das er allerdings anfangs gar nicht
will, reicht für ein Busbillet. - Am übernächsten
Morgen - ich "schwadere" eben unter dem Wasserfall
- kommt ein Herr die Stufen hoch: schwarze Lederjacke,
elegante schwarze Hosen und glänzende Schuhe. Es
ist unser Taxifahrer, der an seinem runden Geburtstag
extra zu uns hochgefahren ist, um uns wie vereinbart
zum Bus zu bringen. Er staunt nicht schlecht, dass ich
gar nicht reisefertig bin! "Wurde ihnen nicht ausgerichtet,
dass wir noch zwei Tage länger bleiben...und erst
am Samstag nach Catamarca wollen?" Nun, Hans fährt
dann mit ihm ins Dorf hinunter und kauft Früchte,
Salat, Brot und Bier für uns und auch für
Mauricio. Gute drei Stunden muss er mit den Einkäufen
die heissen, baum- und weglosen Hänge wieder hochsteigen.
Er kommt mit ganz gebräuntem Gesicht zurück.
- Die vier Tage in der abgelegenen Berglandschaft mit
den wohltuenden Thermen vergehen im Flug. Tagsüber
kommen ab und zu ein paar Leute aus der Gegend zum Baden
und Grillieren, doch gegen Abend sind wir wieder allein,
essen, was uns der Kiosco - Senor zubereitet und liegen
vor dem Schlafen nochmals ausgiebig im heissen Wasser.
Der zunehmende Mond beleuchtet die steilen Felswände
ringsum gespenstisch. Zum Abschied schenkt mir Mauricio
ein selbst genähtes, stabiles Stoffetui zum Schutze
meiner Maja-Brujula. Ist das ein gemütvoller junger
Krebs-Mann! Gerne werde ich seiner Mutter die Foto zusenden,
die wir von ihm machten. - Am 9. August entferne ich
mich ungern vom mystischen Fiambalà.
Weiter im Norden liegt Cafayate
Wir reisen im Bus weiter nach Catamarca, einer sympathischen,
quirligen Kleinstadt, mit etwas Indioeinschlag und sehr
schönem Hauptplatz. Lange sonntägliche Wanderung
und montags weiter: zuerst über Hügel, dann
enormen Olivenhainen entlang und später, in der
Ebene von Tucuman, durch riesige, unübersehbare
Zuckerrohrplantagen, wo eben geerntet wird. Unzählige,
unterbezahlte Tagelöhner (Männer, Frauen und
wohl auch Kinder) tragen die Rohre zu Haufen zusammen
und verladen sie dann auf Karren. Ein Traktor fährt
mit bis zu vier Anhängern in die nahe Raffinerie.
Früher war diese Gegend wegen des Zuckerrohrs sehr
wohlhabend, heute wegen des gleichen Produktes, aber
des schlechten Weltmarktpreises, eine der ärmsten
Argentiniens, wo viele hungern müssen! - Wir steigen
an einer Kreuzung bei Acheral mit einem jungen, gesprächigen
Mineur um und fahren nun durch immer grüner und
üppiger werdenden dampfenden Urwald. Die Rio-Sosas-Schlucht
entführt uns mit riesigen Bäumen, Moosen und
Baumschmarotzern für ein paar Stunden in den Amazonas!
Doch je höher die Strasse sich schlängelt,
um so trockener wird es, und wir erreichen die kahle
Hochebene von Tafi del Valle (ca. 2000m). Uns gefällt
das Kaff nicht: kein richtiger Dorfkern und die vielen
Sommer-Ferienhäuschen der Tucumaner alle geschlossen.
Der wunderschöne Vollmond lässt die abendliche
Kälte noch eisiger erscheinen, und nach einem mässigen
Abendessen in Pullover und Jacken schlüpfen wir
frierend ins ungastlich kalte Bett. Doch am nächsten
Tag erklimmen wir im Bus die Passhöhe und blicken
über steppenartige Gebirge mit grossen Kandelaber-Kakteen
hinunter ins weite, sonnige Oasental, wo wir bald das
lustige Landstädtchen Santa Maria erreichen. Während
der warmen Mittagsfahrt durchs sandige und trockene
"Oasental" schlafen wir ein und erwachen erst,
als wir im Weinort Cafayate einfahren. Oh, ist es hier
schön! Warm, herrliches Licht bei tiefblauem Himmel,
viele anmutende Beizli rund um die einladende Plaza,
und ein Hotelzimmer ebenda. Zugegeben, es ist etwas
touristisch, aber das hat auch seine Vorteile! Wir sitzen
gemütlich auf einer Bank im Park, als ein Indio,
wohl etwas debil, mit rauher Stimme "ab Blatt"
(er hält einen Prospekt vor sich hin) jazzig singt
und dazu geschickt mit schnalzender Zunge das Schlagzeug
imitiert. Echt gut, und so klatsche ich ihm spontan
Beifall in einer Pause. Doch das war wohl ein Fehler!
Nun stürzt er sich auf uns, küsst mir die
Hand nass und Hans aufs Haar, beginnt nochmals für
uns zu singen und küsst uns wieder. Etwas zuviel
Nähe jetzt! Ich gebe ihm noch einen Batzen und
dann wandern wir in der nachmittäglichen Hitze
die 3 km zur Bodega Etchart, einem berühmten Weingut,
das auf Besucher eingerichtet ist und eine sehr gute
Führung anbietet. Der Gründer Etchart kam
vor über 150 Jahren aus Frankreich in diese abgelegene
Gegend. Die riesigen, alten Eichenfässer kamen
seinerzeit zerlegt aus Europa zu ihm. Jetzt werden jährlich
4 Millionen Liter "vino fino" - also bessere
Qualiät - hergestellt und viel davon exportiert.
Wurde bis vor kurzem vorwiegend Weisswein aus Torrontes
Trauben gekeltert, hat die Bodega jetzt das Schwergewicht
verlagert: da die Nachfrage mehr Rotwein verlangt, zweiten
Etcharts viele Weissweinstöcke mit roten Sorten,
vorwiegend Cabernet Sauvignon und Malbec. Der Boden
und das Klima (gegen 350 Tage Sonne) sind ideal, allerdings
werden die Rebstöcke regelmässig bewässert.
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Eine schöne Bodega bei Cafayate
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Nicht nur das Dörfchen sondern auch die Umgebung
mit den farbig geschichteten Gebirgen sind wohltuend.
- Im alten "Indio-Bus" fahren wir weiter durch
bezaubernde Felstäler, einsame, wüstenhafte
Gegenden und nur ganz selten ein paar Ziegen, eine Hütte
bei einem Flüsschen. Später wird die Fahrt
heiss und langweilig: Zuckerrohrfelder, Gemüsefelder,
charakterlose Siedlungen... und dann ...
Salta, die vielgerühmte
Irgendwie gewinnt Salta "La Linda" (die Hübsche)
unser Herz von Anfang an nicht: stickige Luft, heiss,
viel Lärm und Verkehr. Der Weg ins Zentrum führt
zwar durch einen Park, aber der ist ausgedörrt
und ungepflegt. Die schönen, grossen Eukalyptusbäume
werden eben gerade unfachgemäss massakriert. Für
unseren Geschmack tummeln sich hier auch zu viele Touristen.
Zugegeben, als Ausgangspunkt für Ausflüge
liegt Salta ideal, doch die kulissenhafte Kathedrale
und die neoklassizistisch, verschnörkelte San Francisco
Kirche - beides Wahrzeichen der Stadt - lohnen die Reise
für einen Europäer bestimmt nicht und Gebäude
aus der Kolonialzeit haben wir auch anderswo schon gesehen.
Fasziniert schauen wir gegen Abend allerdings den beiden
Glöcknern im Campanile der Kathedrale zu, die in
Schwerarbeit abwechslungweise an den grossen Pendeln
zerren und zugleich die Glocke noch mit Schlägen
zum Klingen bringen. Sie wechseln fliegend, so dass
das Geläute keinen Unterbruch erleidet. Beim Nachtessen
geraten wir beide - zum erstenmal auf dieser Reise -aneinander.
Es ist wohl die Enttäuschung über Salta, die
sich da Luft macht. Und nachts geht der Aerger weiter,
und ich kann aus zwei Gründen kaum schlafen: die
Metallfedern der neuen Matratze drücken mich in
jeder Lage, denn der Sattler hat das Polster vergessen!
Und ins Zimmer nebenan ziehen spät noch drei Argentinierinnen
ein und schwatzen und lachen bis gegen 4 Uhr morgens,
was man durch das dünne Wändchen hört,
als wäre es im eigenen Zimmer. Die Schaumgummi-Ohrenpfropfen
helfen da auch nicht! Mein höflicher Besuch bei
ihnen gegen 2 Uhr fruchtet nur für einige Minuten.
Das erste, was ich am nächsten Morgen vor dem Frühstück
unternehme: neue Zimmersuche, mit Erfolg! Doch wir bleiben
nur noch einen Tag hier, um dann über das Indiostädtchen
Jujuy weiter in den Norden in die wunderschöne
Quebrada nach Purmamarca zu reisen.
Die Quebrada in unzähligen Farbschattierungen
Nachdem die verkehrsarme Strasse sich der bunt werdenden
Schlucht entlang hoch windet, steigen wir an einer einsamen
Abzweigung aus und stellen uns darauf ein, dass wir
die paar Kilometer ins abgelegene Bergdorf Purmamarca
zu Fuss zurücklegen müssen. Doch wie gerufen,
steht da ein "Remis" (billiger Taxi) und fährt
uns hin. In der kleinen Pension Hostaje del Cerro, mit
hübscher Dachterrasse, gibt uns Anibal ein Zimmer.
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Hans und der schlaue Anibal auf der
Dachterrasse der Pension |
Erster Spaziergang ums Dorf Purmamarca
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Es windet zünftig durchs enge Tal und in den
ungepflasterten Gassen des Dörfchens steigen staubige
Windhosen auf. Auf unserem Spaziergang durch die Umgebung
sehen wir auch Männern beim mühsamen Anfertigen
der Erdbausteine (Adobe) zu, die luftgetrocknet für
den Häuserbau in diesen regenarmen Gegenden geeignet
und billig sind.
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Die Erdbausteine werden mit Gras gemischt und
nun an der Luft getrocknet |
Schaf- und Ziegenhaltung ist in diesen kargen
Gegenden oft die einzige Einnahmequelle |
Die nächsten Tage verbringen wir in weiten, einsamen
Wanderungen an grossen Kakteen vorbei und klettern durch
die einmaligen Farbgebirge. Oft trauen wir unseren Augen
fast nicht: Können Berge und Felsformationen so
bunt sein?
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Unter immer tief blauem Himmel und in unglaublich
bunten Bergen ist es herrlich zu wandern! |
Die Tagestouristen beschränken sich auf den kleinen
Rundgang ums Dorf und das erst noch meistens im Auto.
Und gegen Abend sind sie wieder wie weggehaucht vom
Wind. In der Pension bleiben die anderen wenigen Zimmer
trotz des verlängerten Wochenendes in Argentinien
leer, da Anibal immer wieder was los hat und weggeht
und so die paar nachfragenden Gäste nicht aufnehmen
kann. Ob der Pensionsbesitzer darüber glücklich
wäre?
San Isidro, zwei Fussstunden abgelegen
Weiter nördlich wird die Quebrada weiter und beim
einladenden Humahuaca ist sie nicht mehr so spektakulär.
Gleich würde da ein Bus weiter in den Grenzort
zu Bolivien fahren, doch als wir die Billete schon in
den Händen haben, sehe ich einen kleinen gepflegten
Bus, der mit Iruya angeschrieben ist. Iruya ist das
fotogene Werbedorf des argentinischen Touristenbüros,
doch es ist so abgelegen, das nur wenige Touristen die
Beschwernisse der Holperfahrt auf sich nehmen. Schnelles
Umstellen ist jetzt angesagt: die Billete für den
Grenzort werden undatiert geschrieben ("fecha abierta")
und schon sitzen wir mit ein paar andern Fahrgästen
im Kombi, der dem vollen Iruyabus folgt, bis der eben
später dann Platz für uns hat. So löst
der Busbetreiber hier die Ueberbesetzung. Nach kurzer
Fahrt auf der komfortablen Asphaltstrasse zweigt die
Schotterstrasse dann nach rechts ab. 3 Stunden holpern
wir durch steinige, meist eintönige Gegend. Die
Farben der Quebrada sind weg. Ab und zu queren wir ein
Bachbett, wo etwas Wasser fliesst. Ein paar Erdziegelhäuser,
Vieh und kleine Indios tauchen auf und ein paar Esel.
Auf dem Pass über 4000m sehen wir weit ins trockene,
steinige Land, durchfressen von tiefen Schluchten. Ganz
oben auf den Terrassen sind Felder und kleine Siedlungen.
Strassen führen keine dorthin und so müssen
die paar Indios, die mit viel Gepäck kurz nach
der Passhöhe aussteigen, tief ins Tal hinunter
steigen und dann auf der anderen Seit wieder steil hoch.
Ganz schön weit! Ueber unzählige, staubige
Kehren geht's hinunter ins Tal und am Schluss wieder
hoch. Nach drei Stunden anstrengender Fahrt erreichen
wir das Adlerhorst-Dörfchen Iruya (2730m) wo die
Strasse aufhört. Ich finde eine Unterkunft in einem
historischen Haus. Wanderung dem Bewässerungskanal
entlang, der hoch über dem steilen Flussbett liegt
und wir haben eine schöne Sicht aufs Dorf am Ende
der Welt. Bei Dämmerung sitzen wir auf dem Mäuerchen
vor unserem Zimmer am Hauptplatz, und da kommt der Baggerführer
aus Tucuman von der Arbeit (er baggert weiter im Tal
oben einen Wasserleitungsgraben aus), mit dem Hans ins
Gespräch kam, als ich nachmittags auf Zimmersuche
war. Er hat schlaue Augen, erzählt allerlei und
sucht anscheinend einen ausländischen Investor
für ein grösseres, landwirtschaftliches Projekt
bei Tucuman. Danke schön, nichts für uns,
denn CASIMU ist bereits ein genügend grosses und
kostspieliges Unternehmen! Wir plaudern mit dem anregenden
Typ, bis das Wassser im kleinen elektrischen Zimmerboiler
warm ist und ich unter der Dusche verschwinde. - Zufällig
schwärmt uns die alte und fast zahnlose Busbillet-Verkäuferin
am nächsten Morgen vom etwa zwei Stunden entfernten
San Isidro: "Da kommt man nur zu Fuss oder mit
Maultier oder Lama hin, Strasse gibt es keine. Es liegt
sehr schön und zu finden ist es leicht. Ihr steigt
jetzt einfach etwa 2,5 km ins Tal hinunter und dann,
wenn die Täler zusammenlaufen, folgt ihr links
dem Flussbett mit dem schönen klaren Bergbach,
etwa 5 km geht's dann wieder hoch...." Eine weitere
Erkundigung bestätigt die Angaben der Alten. Das
wollen wir versuchen. Allerdings ist es schon fast 10
Uhr und um 15 Uhr fährt der einzige Bus zurück
nach Humahuaca. Die Billete haben wir bereits gekauft.
Doch das sollten wir schaffen. Die Wanderung ist einmalig:
unberührte und wohl kaum je erklommene rote Berge,
ein natürlicher, sprudelnder Bergbach, den wir
ein paarmal über grosse Steine hüpfend queren
und schliesslich auf einer Terrasse ein paar Dächer.
Nach etwas Kletterei erreichen wir die isolierte Dorfwelt:
Wir begegnen erstaunten aber freundlichen und fröhlichen
Menschen und wir trinken bei der uns einladenden Frau
etwas (Sie führt den Laden des Dorfes, der alles
Wichtige anbietet: Getränke, Gemüse, Früchte,
Konserven, Brot, Hufeisen, Pickel usw. Alles werde mit
den zehn Maultieren von Iruya hochgetragen, ebenso der
Diesel für den Dorfgenerator, erzählt sie.
Strom gibt's abends zwischen 19 und 22 Uhr, morgens
nicht.) Wir steigen auch zum Schulhäuschen hoch
und machen den beiden Lehrerinnen und Klassen einen
Besuch. Die älteren Schüler haben morgens
Unterricht, die kleinen am Nachmittag. Alle bekommen
in der Schule die Mahlzeiten gratis. Im Klassenzimmer
von Lisi, der "directora della escuela", macht
alles einen sehr guten, geordneten und recht anschaulichen
Eindruck. Die 14 Dritt- und Viertklässler sind
liebe, ruhige Kinder und machen keinen Mucks, als ich
mit Lisi plaudere. Eine Schülerin wischt mir Kreidestaub
vom Pullover. Die Lehrerinnen arbeiten von Montag bis
Freitag je morgens vier Stunden mit den älteren
und nachmittags vier Stunden mit den jüngsten Schülern,
also total 40 Stunden Unterricht. Die Wochenenden verbringen
die Lehrerinnen in Iruya (woher wir eben kommen), in
ihre Herkunftsstadt Salta ist es sehr weit, und da reist
Lisi etwa monatlich einmal zu schulisch-administrativen
Zwecken hin.
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Bei Lisi und ihren 3. und 4. Klässlern in
der weit abgelegenen Schule von San Isidro |
Zwei Stunden Rückweg durchs Flussbett zur
Busendstation Iruya |
- Leider müssen wir jetzt an den Rückweg
denken. Wir kommen zügig voran, doch der Aufstieg
am Schluss nach Iruya ist enorm heiss. Und so sitzen
wir um 15 Uhr - es reichte zeitlich sogar noch für
ein Mittagessen - im Bus nach Humahuaca zurück.
Abends hören wir zum Nachtessen die beste Indio-Musikgruppe
der ganzen Reise. - Am nächsten Morgen geht's weiter
an die Grenze zu Bolivien.
Fortsetzung folgt demnächst:
2. Teil : Boliviens Altiplano
schwerbeladene Indiofrauen und Schuhputzerjungen - zu
Pferd, im Geländewagen und zu Fuss durch die Naturwunder
- die Minen von Potosi, ein Alptraum - das grösste
Folklorefest Boliviens - La Paz, ein übervölkerter
Kessel - auf alten Inkapfaden - Titicacasee und Isla
de Sol
Abstecher nach Peru:
Arequipa "la linda"
3. Teil: Chiles Norden:
Arica und Iquique unter den Dünen - mit dem Mietwagen
durch Oasen und über unwegsame Pässe - Vicuna
und die Nobelpreisträgerin - Clark Stedes neustes
Projekt - Popaico, 20jährige Erinnerung - ESO La
Silla: das europäische Observatorienzentrum in
der Wüste - der italienisch elegante Betrieb unseres
Freundes Emilio - in der chilenischen Schweiz - CASIMU
war brav
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