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Chilenische Geografie
Wir haben ein wichtiges Ziel erreicht: nach drei Monaten
sind wir vom südlichsten Teil Chiles (Kap Hoorn,
55°58' S) durch die unzähligen Schären
und Fjorde gut in Puerto Montt (41°30' S) angekommen.
Fast 2000 Seemeilen oder 3700 km haben wir zurückgelegt:
oft im Regen, meist unter Motor, manchmal in heftigen
Böen und widrigen Wellen, fast immer allein, stets
in einer spektakulären, unberührten Berg-
und Fjordlandschaft, begleitet von unzähligen Delphinen
und unterhalten von lustigen Seelöwen. Für
die Chilenen nördlich von hier ist Puerto Montt
"der Süden" Chiles. Dass sich ihr enorm
langes Land noch 1600 km - fast die Strecke Sizilien
bis Hamburg - weiter in den Süden erstreckt, wissen
die meisten nicht oder nur dumpf: "Cabo de Hornos:
muy feo y peligroso, Punta Arenas: bonita" (Kap
Hoorn: sehr bösartig und gefährlich, Punta
Arenas: hübsch). Das sind etwa die Kommentare der
Gebildeteren, wenn wir sagen, dass wir ganz aus dem
Süden, von Puerto Williams und Kap Hoorn kommen.
Dass sich aber eine immense unberührte Fjord-,
Gebirgs- und Gletscherlandschaft weit im Süden
ihres "Südens" erstreckt, ahnen die meisten
kaum. Wir haben bisher keine Einheimischen getroffen,
die die "canales" wie wir und ein paar wenige
andere ausländische Jachten befahren haben. Und
doch haben die Nordchilenen auch recht: Puerto Montt
ist trotz allem im Süden, wenn ich mal den Vergleich
mit Afrika anstelle. Hier sind wir immer noch mehr als
800 km südlicher als Kapstadt! Mir war vorher gar
nicht bewusst, dass der Südzipfel Südamerikas
so viel weiter in die Antarktis hinein reicht als der
Süden Afrikas: Kap Hoorn liegt 22° südlicher
als Kapstadt, das sind 1320 Seemeilen oder fast 2500
km (Sizilien - Oslo).
Das chilenische Feuerland und Südpatagonien sind
kaum bewohnt. Bis etwa vor 100 Jahren lebten nomadisierende
Indianer (Tehuelche und Yahgan) hier. Die Yaghan lebten
als Wassernomaden in ihren Kanus, ernährten sich
von Fischen und den unzähligen Meeresfrüchten
und rieben ihre Haut mit Wal- oder Robbenfett ein, um
sich vor der Kälte zu schützen. Das Feuer
wurde stets im Kanu mitgefahren und durfte nicht erlöschen.
Deshalb nannte Magellan, der erste Europäer, der
diese unwirtlichen Gegenden befuhr und die rauchenden
Kanus sah, das Gebiet "Tierra de los Humos"
(Rauchland), was später in "Tierra del Fuego"
(Feuerland) umgetauft wurde. Anfangs des 20. Jahrhunderts
wurden die Indianerstämme und ihre Kultur innerhalb
weniger Jahrzehnte fast komplett ausgelöscht: sie
wurden von weissen Einwanderern verjagt oder gejagt
und getötet, andere starben durch eingeschleppte
Krankheiten - z.B. Masern - die sich epidemienhaft ausbreiteten.
Eine Tragik und Schandtat, die wieder von der weissen,
christlichen Rasse verursacht wurde! Pfui! -
Mein letzter Bericht endet in Puerto Natales
(51° 43'S) , der Eingangspforte zum Parque Torres
del Paine, wo uns meine Freundin Christiane und ihr
Mann Werner besuchten. Nach zwei eindrücklichen
Wandertagen im Nationalpark erledigen wir alle nötigen
Kleinigkeiten, laden unsere Ankerplatz-Gastgeber Rudi
und Cladis Eberhardt noch zum Nachtessen ein und machen
uns nach 11 Tagen wieder auf die Reise.
Unendliche, unberührte Fjordlanschaft
und ihre Tücken
Im Logbuch steht am 28. Februar - 3. März: "Endlich
können wir mit dem nach unseren Wünschen ergänzten
"Zarpe" (Fahr-Erlaubnis der Armada) aus der
böigen Ecke (Puerto Natales) Richtung Canal White
auslaufen. Wir kommen bei wenig Wind unter Motor prima
voran und sind etwas vor Stillwasser bei der Angostura
White. Wir passieren sie problemlos. Herrliche Inselwelt,
sehr gut mit weiss-roten Baken markiert. An den Felswänden
"kleben" viele der typischen kleinen Fischerboote,
von denen aus gelbe Schläuche die Muschel-Taucher
mit Luft versorgen.
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Angostura White:eng und bis
zu 8 Knoten Strom.
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In der Caleta Chandler machen wir in
der Einbuchtung, ganz nahe an der Felswand fest (GPS-Angaben
im RCC-Guide komplett anders, so dass wir nicht sicher
sind, ob es sie ist!). Super, auch wenn der SW-Wind
etwas ins Heck bläst, wir liegen sicher und ruhig.
Am nächsten Morgen sehen wir Condore kreisen, leider
sehr hoch oben. Am Mittag scheint es weniger Wind zu
haben, und wir "hangeln" uns durch den Kelp
aus der kleinen Einbuchtung heraus.
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Kelp: Riesenalge, zäh wie Gummi, wächst
in den kalten Gewässern und bildet für
uns fast unpassierbare Teppiche. In die Schraube
verwickelter Kelp kann das Schiff manövrierunfähig
machen! Sehr guter Indikator für felsige Untiefen!
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Anfangs ist der Canal Santa Maria, der
anscheinend oft eine "Gischt spritzende weisse
Hölle" sein kann, recht ruhig. Zunehmend Sauwetter.
Als wir fast rechtwinklig in den Paso Morla Vicuna einbiegen,
bläst es uns mit 6 Bft. auf die Nase. Keine Sicht
mehr und Regen, der wie Stecknadeln ins Gesicht sticht.
Danke, nein, so war das nicht abgemacht!
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Bei diesem Wetter hätte ein gedeckter Steuerstand
seine Vorteile! |
Wir wenden und ankern im nahen Canal Kirke
bei den Wasserfällen. Nach einem gemütlichen
Sonntag mit ein paar Sonnenstrahlen und einigen Böen
brechen wir am Montagmorgen bei sehr tiefem Barometerstand
aber weniger Wind und Regen auf. Anfangs läuft
alles bestens: wenig Wind im engen Paso Morla Vicuna,
der uns vorgestern so plagte und der Strom mit uns.
Doch nach 13 Meilen, als wir in den Seno Union einfahren,
sendet der uns kurze, unangenehme Wellen und einen starken
Wind entgegen. Was soll's! Wir steuern den nahen Surgidero
Allard an, wo es sofort ruhiger wird und ankern bereits
am Mittag frei, umgeben von dunklen Delphinen. Später
treffen uns einige "rachas" (starke Fallböen)
von den Bergen hinunter, doch der Anker hält und
es bildet sich keine wellige See. Eventuell wäre
der Ankerplatz hinter dem kleinen, niedrigen Inselchen,
wo nachts ein Fischer ankert, noch besser geschützt.
Lesen, essen und Rotwein. Ruhige Nacht. Erst am nächsten
Morgen sehen wir hoch oben einen Teil des eindrücklichen
Gletschers."
Ein paar weitere Logbuch-Einträge:
4. März: "Romantischer Dixon Ankerplatz"
5. März: Im Canal Sarmiento melde ich dem nigerianischen
Frachter "Concordia" unsere Position (QTH)
zum Weiterleiten an die Armada. Der chilenische Lotse
wünscht mir: "Disfruta la lluvia" (geniessen
Sie den Regen); meinte er wohl bis Puerto Montt?! Später
setzen wir für den Kreuzfahrer "Olympia Explorer"
die Schweizer (Alinghi) Flagge. Schon blitzen die Kameras.
6. März: "Ruhetag wegen Dauerregen in der
Caleta Moon Light Shadow". Nach sumpfigem Aufstieg,
Blick in den aufgewühlten Pazifik.
7. März: Wir ankern in der legendären Bucht
Puerto Bueno. Hier hat im 16. Jahrhundert Sarmiento
mit seinen Leuten monatelang vergebens Drake aufgelauert.
8. März: "Wasserfälle überall. Regen
und N-Wind begleiten uns treu und machen die Fahrt gegen
Norden nicht angenehm. Im kleinen Durchgangskanal zum
Canal Pitt bremst der Wind unsere Fahrt. Ueber die Nebel
behangenen Felsen ziehen überall Wasseradern und
Wasserfälle in die Tiefe. Oft mehr oder weniger
senkrecht oder sogar überhängend. Wenn die
Menschen auf den trockenen Cap Verden so etwas sähen:
Wasser im Ueberfluss, von jedem Abhang hinunter! Wieder
begleiten uns die dunklen Delphine durch "ihren"
Canal. Ihnen macht das miese Wetter nichts aus. Da die
Verhältnisse etwas weniger schlecht werden, forcieren
wir unsere Fahrt, um noch vor Einbruch der Dunkelheit
in die sehr gerühmte Bahia Tom zu gelangen. Aufhellungen
ergeben einmalige Stimmungen in den dunklen Felsinseln.
Zwischendurch regnet es wieder. Wir erreichen
den grossen Canal Concepcion früher als berechnet.
Er macht uns die Ueberquerung zur Bahia Tom nicht schwer.
Bald hängen wir an "vier Zipfeln" (ohne
Anker) in der geräumigen Bahia. Leider flohen die
schönen Enten, als Hans die Leinen an Land festmachte."
9. März: "Tiefer "Bergsee" und Charrua-Fall.
Es ist Sonntag und regnet und wir lassen uns mit dem
Frühstück Zeit. Nach Studium des Wetterfaxes
und Begucken des sinkenden Baro wissen wir nicht, ob
wir auslaufen sollen. Es scheint recht ruhig, doch aus
der geschützten Bahia Tom ist das schwer zu beurteilen.
Röbbi löst die Leinen und wir fahren los.
Doch heute empfängt uns ein ekliger, hässiger
Canal Concepcion. Wir kommen kaum voran, die Wellen
sind kurz und konfus. CASIMU schlägt etwa hart
auf mit dem Bug. Ach, was soll's! Heute will der Concepcion
uns nicht! Doch umdrehen und am alten Ankerplatz wieder
vier Leinen ausbringen?! Nein! Ich kann Röbbi überzeugen,
bei diesen Bedingungen statt nach Norden, besser Richtung
Westen, Canal Trinidad, in den Paso Caffin einzubiegen.
Es wird etwas ruhiger, wir kommen besser voran, doch
die Wellen sind auch hier konfus. Beeindruckende Fahrt
um die Isla Topar in den Canal Brassey. Die Berge und
Felsen sind hoch und "racha"-verdächtig,
als wir in den Fjord zum Puerto Charrua einbiegen. Im
fast runden "Bergsee" stürzt ein über
100 Meter hoher Wasserfall hinunter und ringsum erheben
sich enorme bewaldete Felswände. Beim Eindunkeln
treiben uns hinterlistige Fallböen vom Ankerplatz
beim Wasserfall weg. Wir machen fast im Dunkeln im NW-Zipfel
des Bergsees fest. Ruhige und bequeme Nacht."
10. März: "Mächtiger Pio XI. Der Baro
ist gestiegen. Wir erwarten Wind, aber auch schöneres
Wetter! Was gestern zur Plackerei geworden wäre,
geht heute ganz einfach: wir durchfahren den Canal Wide
wie auch den Canal Concepcion problemlos. Das Wetter
wird schön und eine Zeitlang haben wir sogar den
Strom mal mit uns! Schon fast ein Wunder! Der Baro steigt
weiter bis auf 1021, was ganz ungewöhnlich hoch
ist. Wir beschliessen den Abstecher zum riesigen Gletscher
Pio XI zu machen, etwa 20 sm den Seno Eyre hinauf. Im
Seno Eyre nimmt der kalte Gletscherwind gegenan zu,
doch wir kommen unter Motor gut voran, umfahren die
ersten Eisberge und tasten uns näher an den riesigen
Gletscher heran. Immer wieder tauchen in diesem milchig
eisigen Wasser dunkle Delphine auf. Dass das denen nicht
zu kalt ist! Langsam bedeckt sich der Himmel, doch der
Gletscher liegt noch im Sonnenschein. Wer weiss, wie
das Wetter morgen sein wird. Wir fahren besser noch
heute möglichst nahe zum Gletscher. Wir bestaunen
den 4 km langen Gletscherabbruch in den Fjord, hören
es donnern, doch näher ran getrauen wir wegen der
vielen Eisblöcke nicht. Gegen Abend tasten wir
uns durch Treibeis über den Seno zur Einfahrt zwischen
den Inselchen. Delphine begleiten uns bis zum romantischen
Ankerplatz in die ruhige, eisfreie Bahia Elizabeth.
Der Baro steigt weiter: fast 1022!"
11. März: "Trotz hohem Barometerstand
regnet es in Strömen. Alles im Schiff ist feucht.
Die Bettwäsche besteht seit längerem aus Fleece-Leintüchern
und auch für die Kopfkissen habe ich Ueberzüge
aus Fleece genäht. Baumwolle speichert die Feuchtigkeit
allzu sehr. Wir heizen und lassen uns Zeit. Ob wir noch
da bleiben sollen? - Beim Ausfahren erwartet uns eine
ganz andere Eisberg-Situation im Seno Eyre als am Abend
zuvor. Der Wind hat viele Eisbrocken auf die Westseite
getrieben. Zum Glück ist die Ausfahrt aus der Bahia
Elizabeth nur mit kleineren Eisblöcken verbarrikadiert.
CASIMU muss wohl oder übel durch die krachende
und kratzende Schicht. Röbbi ist am Steuer, ich
halte im Bug Ausguck. Bald wird die Fock ausgerollt
und fast vor dem Wind können wir gegen Süden
segeln. Heute, im fehlenden Sonnenschein, erscheint
Pio XI bläulicher. Zum Glück haben wir gestern
das schöne Wetter zu seiner Aufwartung genutzt.
Röbbi setzt auch das Grosssegel und mit Schmetterlings-Besegelung
rauschen wir an den Eisbergen vorbei. Ich sehe gackernde
Hühner in Saphir-Farben, Ziegen in kristallklarem
Glas, kämpfende Löwen in grau-schwarzen Farben,
Gefässe in den herrlichsten Blau- und Grüntönen,
moderne abstrakte Skulpturen in weiss-grau Tönen...
wunderschöne Gebilde, doch gefährlich für
CASIMU. Nur der siebente Teil guckt aus dem Wasser,
der Rest ist hart, scharf und heimtückisch unter
Wasser (Titanic lässt grüssen). Immer noch
stehe ich in Kälte und Regen im Bug, halte vor
allem Ausschau nach den glasklaren Gebilden, die man
im wogenden Gletscherwasser kaum sieht. Wie eine Verkehrspolizistin
weise ich manchmal den Weg durch die Eisberge mit Armbewegungen.
Röbbi steht über Stunden nass und ungeschützt
in Kälte und Nieselregen am Steuer. Wir machen
7 Knoten Fahrt und über Grund bis 8,5 Knoten!"
Früchte der Zivilisation
Nach zwei Wochen -seit Puerto Natales- gelangen wir
in das idyllisch gelegene Puerto Eden, eine paradiesische
Insellandschaft. Doch, o weh! Armselige Hüttchen,
viele herumliegende Abfälle, einige eher beschränkt
wirkende Menschen, die wenigen kleinen Läden fast
ohne Frischwaren, obschon vor ein paar Stunden das wöchentliche
Versorgungsschiff NAVIMAG vor Anker ging. Brot kaufen
wir bei der Kochlehrerin der Schule und frische Fische
tauschen wir gegen Rotwein bei den Fischern ein. Auch
Diesel aus Fässern gibt's zu kaufen, dessen Qualität
allerdings zweifelhaft ist. Dafür haben sie in
der öffentlichen Bibliothek eine kleine Internetstelle
(Satellitenverbindung), die auch wir sogar gratis benützen
dürfen. Allerdings darf Röbbi seine Diskette
mit dem Homepage-Update nicht verwenden! Schade! Die
gemütliche Frau eines Polizeiangestellten wäscht
mir eine Trommel Wäsche und will nichts dafür.
Doch der Luxus-Artikel Schokolade ist immer willkommen.
- Einige Tage später fahren wir durch die zwei
sehr schmalen Engen in den seenartigen Puerto Fransisco.
Er soll das Startloch sein zur Ueberquerung des gefürchteten
Golfo de Penas, einem offenen Stück Pazifik ( 47°
Süd), in dem häufig widriges Wetter und Kreuzseen
anzutreffen sind. Eine Art chilenische Biskaya. Als
CASIMU vertäut ist, rudere ich - eine neue Lieblingsaktivität,
da wir meistens keine grosse Auswahl an Bewegungsmöglichkeiten
haben - ringsum zu den vielen Wasserfällen und
Flüsschen, erkundige die Engen und die W-Einbuchtung
dazwischen, die sich ebenfalls als Ankerplatz eignen
würde.
Ich schmecke an verschiedenen Orten das Wasser. In der
inneren Lagune, wo wir liegen, ist das Wasser trotz
der Tide süss. So viele Frischwasser-Zuflüsse
sprudeln. Am Sonntag, dem 16. März, ist das Wetter
regnerisch und starker NW-Wind und grobe See angesagt,
also ungeeignet für einen Start in den Golfo de
Penas. Zudem erhalten wir von Edi, dem Bruder von Hans
die Auskunft, dass ihre Mutter notfallmässig ins
Spital eingeliefert wird, was uns natürlich Sorge
bereitet.
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neue Lieblingsbeschäftigung!
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Ich setze mich wieder einmal an den Computer
und schreibe die Stimmung hier nieder:
Ode an den Regen
Seit Stunden - nein, Tagen - klopfen die Regentropfen
oft laut und klatschend, manchmal unaufdringlicher und
fast zärtlich auf die Luken und aufs Deck. Die
heftigen Schauer fegen jetzt gerade pustend und röchelnd
wie sterbend - kämpfende Ungeheuer durch das Rigg
und wenn sie sich im Vorbeisausen nicht festhalten können,
lassen sie ein träges Fall oder eine lose Schot
wütend klatschen. Es ist neben dem glucksenden
Geräusch der Wellen, die an CASIMUs Rumpf torkeln,
als wollten sie ihn necken, oft das einzige, was wir
hören. Manchmal reklamiert Casimuli, unser Gummibeiboot,
lautstark, weil eine Böe ihn jagt. Er schlägt
an den Rumpf, als rufe er uns um Hilfe oder springt
an seinem Platz über dem Schlafkajüten-Luk
in die Höhe, was allerdings wegen seiner eingeschränkten
Freiheit - er ist mit Leinen an Kopf und Fuss gefesselt-
kläglich misslingt. Doch uns lässt es aufhorchen,
da es nicht zu den gewohnten Geräuschen der Regentropfen
passt. Wir sind ebenfalls gefangen, zwar nicht mit Stricken,
aber im kleinen Raum des Schiffsinneren, wo es trocken
ist und seit einer halben Stunde die vier Brotlaibe
im Backofen verlockend duften. Wenn ich zum geschützten
Niedergang rausgucke, sehe ich graue Regenschauer vorbei
fliegen, die Bäume ringsum sind dunkelgrau undeutlich
in ihren Konturen und verschwinden fast im Nebel. Ich
beobachte, dass die kleine Gastlandflagge mal stramm
nach hinten und bald wieder verwirrt nach vorne weist,
als wüsste auch sie nicht, wohin sie sich in diesem
ungastlichen Wetter wenden soll. Die CCS- und TO-Flagge
sind nur noch ausgefranste fahle Fetzchen, die ums Ueberleben
kämpfen. Ja, eigentlich ist diese immense Welt
der chilenischen Schären nichts für Landtiere,
nicht einmal Amphibien bevorzugen diese immer nasse
und tropfende Region. Einzig Wasservögel, Seehunde
und Delphine fühlen sich in dieser Sintflut-Gegend
zurecht. Ja, und ein paar extravagante Jachties kämpfen
und fluchen sich voran gegen Norden; in der Hoffnung,
doch bald in weniger nasse und stürmische Gegenden
zu gelangen.
Golfo de Penas, mit pena!
Logbuch-Eintrag vom 17. / 18. März: "Der Kontakt
über Kanal 16 mit der Leuchtturmstation San Pedro
(eingangs des Golfes) klappt von unserem Ankerplatz
San Francisco aus bestens. So können wir die Bedingungen
eingangs Golfo erfragen. Doch noch ist "marejada",
also grobe See. Wir vertreiben uns die Zeit: Röbbi
geht rudern und wandern, ich prepariere die etwa 3 kg
vakuum-verpacktes Rindfleisch von Ushuaia: Ragout wird
gekocht, ein paar Steaks mariniert und "suure Mocke"
eingelegt. Das Ragout koche ich mit viel Zwiebeln, Knoblauch,
Pelati, viel frischer Minze, die in Puerto Eden wucherte
und etwas Zucker. Gegen Abend beruhigt sich das Wetter.
San Pedro und Cabo Raper (N-Feuer im Golfo) melden je
wenig Wind. Da auch der Baro steigt und der Wetterfax
kein ankommendes Tief anzeigt, zurren wir auf und unter
Deck alles fest und in einer guten halben Stunde sind
die Leinen los und wir laufen aus. Die Strecke im Canal
Backer gegen Westen ist etwas grob mit Gegenwind. Als
wir unsere Ausfahrt über Funk ankündigen,
melden die holländische Jacht "BOEKRAH"
mit Gerhard und Marius und die belgische "F'MURR",
die in anderen Buchten ankern, ihre Ausfahrt etwas später
ebenfalls an. (Ein Start-Entschluss in kritischen Gewässern
ist ansteckend, denn irgendwie wirkt es beruhigend,
zu wissen, dass man nicht allein losfährt, obschon
ja natürlich jede Jacht ganz auf sich abgestellt
ist und man keine Sichtverbindung hat. Aber über
Funk können wir die hinter uns liegenden beiden
Jachten über die Verhältnisse informieren.)
Um 19 Uhr haben wir den Faro San Pedro querab, und ich
melde mich wie vorgeschrieben über Funk. Der Golfo
de Penas empfängt uns mit ekligen Kreuzseen, genau
so, wie sie öfters beschrieben werden. Der Wind
ist unregelmässig stark, doch aus SW, so dass Röbbi
Segel setzen kann. Trotz der vorherigen Einnahme von
Stugeron, wird es uns beiden leicht schlecht. Die Sicht
ist gut und es regnet nicht! Im Gegenteil: es klart
zu einer wunderschönen Vollmondnacht auf. Wir beschliessen,
durchzuziehen und nicht bei der Halbinsel Tres Montes
Unterschlupf zu suchen, obschon Cabo Raper inzwischen
N-Wind meldet. Der Wind wird vor Cabo Raper schwächer
und so starten wir halt den Motor. Der Vollmond versteckt
sich gegen Morgen hinter dicken Regenwolken. Das schwache
Licht von Cabo Raper verschwindet für eine Weile,
doch dann ist es wieder da. Zackige schwarze Felsen
steigen in der Morgendämmerung auf. Die Pazifikwellen
brechen sich an ihnen. Und wieder regnet es! Mit leichtem
N-Wind steuern wir die verhüllten Gipfel der Bahia
San Andres an. (Der eindrücklichste Berg wurde
- wohl zum ersten Mal - von Darwin bestiegen.) Nach
16 Stunden haben wir die 96 Meilen überwunden,
und der Anker fällt ganz hinten in der ruhigen
und geschützten Bucht Caleta Suarez, wo uns lustige
Seelöwen begrüssen, Magellanpinguine den Kopf
unter Wasser halten, sobald wir in ihre Nähe kommen
und viele andere Wasservögel leben. Leider ist
die schöne Caleta etwas versaut von den Fischern:
Plastik, Leinen und Netzresten liegen herum. Ich rudere
in die hintere seichte Lagune und werde von ein paar
neugierigen Seelöwen begleitet. Immer wieder tauchen
sie auf, strecken Kopf und Hals senkrecht aus dem Wasser
und gucken nach mir. Einmal taucht einer so nahe am
Beiboot auf, dass er vor Schreck rückwärts
kippt und untertaucht. - Die beiden anderen Jachten
haben die Fahrt über den Golfo de Penas unterbrochen
und haben bei Tres Montes Unterschlupf gesucht."
Grober Pazifik
Am nächsten Morgen ist es kalt, die Wolken ziehen
rasch von Süden nach Norden und die Sonne scheint.
Ideale Windverhältnisse, um im Pazifik draussen
weiter nach Norden in die Bahia Pink zu segeln. Es wird
seit sehr langem wieder einmal ein wunderschöner,
sonniger aber kalter Tag. Die Pazifikwellen sind grob
und hoch, doch der Wind mit 5 bis 7 Bft. gut aus SSW.
Ausgerechnet an diesem Prachtstag fühle ich mich
krank: Kopfweh, kalt, schlecht. Hans muss ausser der
Navigation fast alles alleine machen. Doch er geniesst
das rassige Segeln mit raumem Wind und steuert CASIMU
voll Freude durch die beträchtlichen Wellen. Ab
und zu singt er aus vollem Herzen ein Lied! Mit dem
letzten Licht fahren wir nach 70 Meilen durch die heikle
Einfahrt der Caleta Canaveral in Puerto Refugio. Und
erst bei vollkommener Dunkelheit erreichen wir den Ankerplatz
am Ende des Fjords. Wie ist das doch schwierig, die
Distanzen bei Dunkelheit abzuschätzen! Doch wir
schaffen es ohne Radar. Zum Glück müssen wir
hier keine Landleinen ausbringen. Schon steigt der abnehmende
Vollmond am wolkenlosen Himmel über die Berggipfel
und gibt uns Licht.
Weiter nordwärts: Luxus neben
Armut und der Besuch zweier Geier
Am nächsten Tag hören wir in der deutschen
Welle, dass nun doch Krieg ist im Irak, trotz des heftigen
internationalen Protestes. Der naive Blair erklärt
der irakischen Bevölkerung, dass der Krieg nur
gegen die Regierung geführt werde, nicht gegen
sie. So ein Idiot! Wir sind weit weit weg und doch auch
sehr nahe. Ich war im Oktober 1968 während meiner
Asienreise im Irak. Erinnerungsfetzen steigen auf: gastfreundliche
Fischer mit grossen, schweren Holzbooten im bunten Basra,
riesiger "sukh" (arabischer Markt) im heissen
Bagdad, Wüstenfahrten in uralten Bussen.... Seit
Monaten leben die Menschen dort in Angst. -
Wieder folgen zwei Regentage, doch wir finden sehr gute
und schöne Ankerplätze in der Caleta Mariucha
und der Caleta Jacqueline. Beim Rudern beobachte ich
ein kleines Otterchen und sehe im klaren Wasser Seesterne.
Acht Tage nach Puerto Eden steuern wir das nächste
bunte Fischerdorf Puerto Aguirre an. Es liegt auf einem
Inselchen inmitten von unzähligen anderen kleinen
und winzigsten Inselchen und Untiefen. Da die Seekarte
nicht mit dem GPS übereinstimmt, ist es recht schwierig,
dass wir uns nicht verlieren. Wieder mal ist Peilen
angesagt. Ich notiere am 22. / 23. März folgende
Stichworte ins Logbuch: "Puerto Aguirre: einmalige
Lage, viele Abfälle, sympathische Begegnungen.
Die zum Teil sehr bunten Häuschen haben häufig
nur ein paar Scheiben in den Fenstern, die fehlenden
wurden durch Plastik ersetzt. Ein beträchtlicher
Teil der Indios scheint nicht ganz hundert zu sein.
Inzucht? Viele, viele Hunde, auch sie zum Teil invalid
und verwahrlost. Unzählige Fischerboote, meist
in Gelb, immer aus Holz. Zwei Jungen bringen uns centolla
(Königskrabbe) und die riesigen fleischartigen
Muscheln Locos, die wir ihnen gerne abkaufen. Am Sonntag
verlieren wir uns in der anderen Bucht bei der Kletterei
und kommen nicht mehr weiter. Ein Fischerboot mit einem
äusserst sympathischen jungen Ehepaar kommt uns
"retten". Langer Schwatz vor ihrem Häuschen
neben dem grossen neuen Holzboot, das im Bau ist. Die
älteste Tochter, 15jährig, geht in Puerto
Aysen zur Schule. Sie kann nur ein paar wenige Male
im Jahr heimkommen. Das ist sehr häufig, dass die
Kinder schon mit 14 oder15 Jahren weit weg von zu Hause
ins "collegio" gehen und nur sehr selten nach
Hause reisen können. In der Schweiz unvorstellbar!
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Liebliche Landschaft bei Puerto
Aguirre
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Unser Fischlieferant mit seinem
kleinen Bruder
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- Vom armseligen Puerto Aguirre aus stossen
wir in eine ganz andere Welt vor, nämlich zum Luxus
Hotel Termas im Canal Puyuhuapi. Da wir die einzige
Jacht sind und der Katamaran nicht da ist und in den
nächsten Tagen keine Gäste bringt, dürfen
wir am Hotelsteg festmachen. Man kann das ganz aus Holz
erbaute Hotel nur übers Wasser erreichen, es gibt
keine Strassenverbindung. Wir geniessen es, zwei Tage
ausgiebig im Thermalbecken zu liegen und uns abends
ein feines Menu servieren zu lassen.
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Hotel "Termas de Puyuhuapi"
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Don Emilio und seine Gäste
beim Asado.
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Wir lernen den italienisch-stämmigen
sympathischen Don Emilio kennen, den Mitbesitzer der
Privat-Marina in Puerto Puyuhuapi ist. Er lädt
uns für den nächsten Abend zu einem Lamm-
Asado in die schöne Villa in Puyuhuapi ein. Wir
kennen das 7 Meilen entfernte Puyuhuapi schon: als wir
am Vortag die Teppichmanufaktur besuchten und vor dem
Dorf ankerten, setzten sich zwei grosse Geier auf unsere
Mastspitze und zwar auf den feinen Windex und verbogen
ihn total. Hans stieg danach im Bootsmannstuhl auf den
Mast - wie praktisch sind doch Maststufen- und konnte
den arg zugerichteten Windex wieder richten. Am nächsten
Nachmittag legen wir am Steg der kleinen Privat-Marina
an. Ein halbes Lamm wird von Juan, dem Wärter von
Emilios Ferienhaus, am Spiess über Stunden sorgsam
gedreht und gegrillt. Am späteren Abend kommen
weitere Gäste dazu: drei deutsche Nachfahren der
Gründer des Dorfes: Fritz, Helmut und Klaus Hopperdietzel.
Alle drei sprechen perfekt deutsch. Der junge Helmut
betreibt die kleine Teppichmanufaktur aus der Gründerzeit
in den 30er Jahren immer noch. Weitere Gäste sind
der geschwätzige und später recht betrunkene
Chef der Ortspolizei, der lustige junge Inhaber zweier
Autobusse, die Angestellten und Wärter des Hauses
und die drei Yamaha-Fachleute aus dem fernen Santiago.
Don Emilio, der Besitzer und Leiter einer Elektrofabrik
mit 250 Angestellten in Santiago, hat nämlich an
seiner Motorjacht zwei neue 260 PS Aussenborder montieren
lassen (jeder kostete 40'000 Fr.) und kam deshalb mit
den entsprechenden Fachleuten für eine Woche her.
Für einen Tag erleben wir eine total andere Welt:
Luxusmotorjachten, die die meiste Zeit ungenutzt bleiben
und feudales Ferienhaus. Kaum hundert Meter weiter:
alte lecke Fischerboote, die als Arbeitsboote täglich
im Einsatz sind und dringend Unterhalt und Erneuerung
brauchten. Doch beim Asado sind auch die Angestellten
wie selbstverständlich dabei und essen mit ihren
Familien tapfer mit. -
Am nächsten Tag verabschieden wir uns, und es geht
weiter nordwärts. Das Wetter wird recht stabil
und schön und wir ankern jeweils abends in wunderschönen
Buchten: z. Bsp.Caleta Porvenir, die allerdings wegen
der heftigen Böen und dem steil abfallenden Ankergrund
als unsicher oder sogar gefährlich gilt und in
der neuen Ausgabe des Führers nicht mehr erscheinen
wird. Wir schlafen wegen des böigen Ostwindes mit
Unterbrüchen, doch wir sind niemals in Gefahr.
Nach einem kalten aber strahlend sonnigen Morgen, an
dem Böen von den hohen Felswänden in den engen
Canal Refugio sausen und zum Teil ziemliche Wellen aufwerfen,
wird es ruhiger und wärmer. Bald liegen die schneebedeckten
Berge klar und deutlich steuerbord und schon schlängeln
wir uns durch die Inselchen der Bahia Islas oder Bahia
Anihue. In der kleinen Südbucht finden wir vor
einer schroffen Felswand in wunderschöner Umgebung
einen Ankerplatz. Das ganze Gebiet gehört der Familie
Szydlowsky (ich glaube es sind total 30'000 ha). Raquel
Szydlowksy, die das grosse Holzhaus und die Tiere hütet,
solange ihr Sohn weg ist, ist äusserst gesprächig
und freut sich über unseren Besuch. Sie gibt uns
viel Salat und feine Kräuter aus dem Gemüsegarten
und geniesst am Abend das Nachtessen bei uns an Bord.
In der Abgeschiedenheit schreibt sie ein Buch: Anekdoten
von der Insel Chiloe. Ihr Mann lebt im anderen Haus
ihres riesigen Grundstückes. Er ist Juan Carlos
oder "JC" wie er im Patagonian cruising net,
das er jeden Morgen um 9 Uhr leitet, genannt wird. Das
ist eine Funkrunde (kHz 8164) unter Seglern in Patagonien,
in der Informationen ausgetauscht werden. Wir machen
da sporadisch mit. Wir verbringen drei wunderschöne,
sonnige und warme Tage in Anihue mit ausgiebigen Ruderausflügen
in die hintere Lagune, langen Spaziergängen bei
Niedrigwasser, wo uns der Golden Retriever "Blondy"
von Raquel gerne begleitet. Bei Dämmerung schwimmt
immer ein Delphin um unseren Ankerplatz und jagt wohl.
Im Bett hören wir jeweils sein lautes Schnaufen
noch lange. Am 1. April segeln wir bei strahlendem Wetter
gemütlich gegen Norden, entdecken auf der Höhe
von Pallena (immer noch Grundbesitz der Familie Szydlowsky)
einen blasenden Wal und finden zwischen den Inselchen
durch in der Bahia Tic Toc den Ankerpatz Juan de Yates.
Bei untergehender Sonne erkundige ich die Inselwelt
rudernd. Diese Ruhe und Einsamkeit ist wohltuend und
das fast tägliche Rudern ist zu einer Art Ritual
und Meditation geworden.
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Raquel, Blondy und der "Almirante"
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Ausblick vom Ankerplatz Tic
Toc
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Logbucheintrag vom 2. April: "Mükkeli
(meine Mutter) hat heute Geburtstag und ist seit gestern
wieder im Spital! Es wird Zeit, dass ich heimfliege.
- Nachts kommt etwas E-Wind auf und die Ankerkette schleift
gelegentlich und weckt uns. Kaum sind die Leinen los,
sind wieder ein paar Delphine da; grosse, schwere Delfinos
oscuros, die uns das Geleit zwischen den Inselchen und
Untiefen durch in den Golfo Corcovado hinaus geben.
Ruhig liegt er da, fast windstill. Im Westen, gegen
den offenen Pazifik zu, sehen wir mehrere Fontänen
von Walen. Einige springen. Einer springt öfters
hintereinander ohne Pause. Wieso?
Die Insel Chiloe
Die Bergsicht ist klar und der steile schneebedeckte
Vulkan Corcovado liegt bald im Osten. Kein Schiffsverkehr,
bis wir uns der Einfahrt zum Estero Huildad und somit
auch der grossen Insel Chiloe (etwa gleich gross wie
Korsika) nähern. Da hat's viele kleine Fischerboote
und einige Salmoneras (= Lachszuchten). Gleich nach
der stromstarken Einfahrt fällt unser Anker in
17 m Tiefe. Bei 5 bis 6 Meter Tidenhub müssen wir
jetzt bei Hochwasser genügend Reserve haben. Spaziergang
über Alpweiden bei Kühen und Schafen vorbei.
Sehr schön, fast wie in der Schweiz!" Wir
erleben zehn meist schöne Herbsttage und oft ideales
Segelwetter. Die Insel und ihre Einwohner stellen in
Chile etwas Besonderes dar (wieder drängt sich
der Vergleich mit Korsika auf). Ueberall Hügel,
mit vielen Wiesen und Wäldchen und noch mehr Bauernhäuschen
und -hütten. Auf den Wiesen grasen Kühe und
Schafe und auf den Feldern arbeiten die Bauern noch
mit Ochsen vor den Karren. Fast jedes Dorf besitzt eine
anmutige Kirche aus kunstvollen Holzschindeln.
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Liebliche Landschaft!
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Bis zu 8m Tidenhub können
diese "Pfahlbauten" am Strand von Castro
nicht stören.
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Das macht von weitem einen recht idyllischen
Eindruck. Doch leider verbarrikadieren viele, ja allzuviele
Lachsfarmen die Buchten und belasten die Gewässer.
Die Häuschen sind meist sehr armselig, die Mauern
selten mehr von den traditionellen Schindeln gegen den
häufigen Regen geschützt, sondern meist mit
dem viel billigeren Blech überzogen. Viele der
Chiloten erscheinen sehr stumpf, Alkohol scheint bei
einigen Männern ein Problem zu sein. Der Wald wurde
seit der spanischen Eroberung abgeholzt oder Brand gerodet
und was jetzt nachwächst oder gepflanzt wird sind
schnell wachsende Zypressenarten und Eukalyptus, der
den Boden austrocknet und auf die Dauer sehr problematisch
ist. Natürlich machen wir auch ganz nette Bekanntschaften
und wir sehen wie schwer die Menschen arbeiten müssen,
um ein bisschen Geld zu verdienen.
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Ueber Stunden steht diese Frau
im 12°C kalten Wasser und "grast"
Algen.
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Die getrockneten Algen werden
als "Kosmetik-Rohstoff" nach Japan verkauft!
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Don Ruben, der Guardia / Betreuer von
Don Emilios Inselchen auf Buta Chauques versorgt uns
mit frischen selbstgezüchteten Muscheln. Hans repariert
tags darauf seine streikende Motorsäge.
Irgendwie deprimiert uns dieses armselige
Leben im chilenischen "Freiburgerland" zunehmend.
Wir leiden unter den allzu offensichtlichen Eingriffen
der Menschen in die Natur. Das sind wir uns nicht mehr
gewohnt. Wie werden wir erst eine Stadt wie Puerto Montt
vertragen? Es ist uns etwas bange davor, und wir schieben
die Anreise hinaus.- Vorerst überqueren wir den
Golfo de Ancud und wollen noch die Thermen im Osten
besuchen.
Aufgelaufen, ges(tr)andet!
Logbucheintrag vom 13. April: "Im kalten Nebel
geht's bei Flaute von der Insel Chiloe weg Richtung
Osten. Das Wetter wird gegen Mittag besser und so fahren
wir statt in den sicheren Puerto Bonito gleich weiter
in den sehr beeindruckenden Fjord Estero Cahuelmo, wo
schöne, natürliche Thermen sind. Leider gibt's
hier keine gute Ankermöglichkeit und der Estero
hat einen sehr schlechten Ruf wegen den plötzlichen
und stark auftretenden Westwinden. (Schon Hal Roth beschreibt
in "Zwei gegen Kap Hoorn" wie er hier vor
fast 20 Jahren seine liebe Mühe hatte!) Der vordere
Teil des Fjords ist sehr tief, der hintere untief: von
80 m nimmt die Tiefe schnell ab auf praktisch nichts!
Dazu gewaltige Tiden von 5 bis 6 m. Wir suchen nach
einer geeigneten Ankermöglichkeit. Röbbi fährt
und lotet den Grund ab: 76 m, 24 m, 10 m. Bei 10 m scheinen
wir kurz den Grund berührt zu haben, doch das war
ja wohl eine Täuschung! Doch wenige Sekunden später,
bei der Tiefenangabe von 9,5 m sitzen wir fest! Lautlos,
sanft und ohne Ruck, aber fest. Rückwärts
motoren und krängen mit dem ausgebrachten Heckanker
und Fall....alles vergeblich. Es ist unmöglich,
frei zu kommen. Das Wasser läuft noch recht schnell
ab. Vor uns erhebt sich eine Sandzunge. Neben CASIMU
sehen wir überall den untiefen sauberen Sandgrund.
CASIMU beginnt sich schräg zu legen, denn wir loten
jetzt bei Ebbe nur noch einen Meter. Röbbi hat
schon vor geraumer Zeit auch den Buganker platziert,
damit wir nicht kentern!
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"Abendstimmung" im Estero Cahuelmo!
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Wir loten die Umgebung: etwa zwei Meter
hinter dem Heck messen wir 20 m und mehr! Doch jetzt
gibt's vorläufig nichts als warten, bis das Wasser
wieder steigt. Hoffentlich kommen wir noch vor Einbruch
der Dunkelheit frei! Wir haben sehr viel Glück:
Kein Hauch bewegt die Luft. Also, das Ganze ist zwar
unangenehm aber ganz ungefährlich. Damit ich nicht
auf dem schrägen Schiff bleiben muss, rudere ich
mit dem Bimbo zur Sandzunge und fotografiere. Danach
untersuche ich auch die Wassertiefen der Umgebung, denn
wenn wir frei sind, müssen wir vielleicht im Dunkeln
ankern gehen. Gleich nördlich vom Strandungsplatz
ist es tief, leider allzu tief. Ich beobachte, dass
CASIMU sich langsam aufrichtet und so hole ich mit dem
Bimbo den Buganker ein. Als wir wieder schwimmen, muss
Röbbi den Heckanker mit 15m Kette aus über
25m Tiefe hochkrampfen, der Aermste! Als ich den Ankerplatz
ansteure, sehe ich in der hereinfallenden Nacht die
Felswände kaum mehr und wir ankern halt in 30 m
Tiefe. Nun, bei Windstille ist das i.O. Doch etwa um
5 Uhr morgens weckt uns das Schleifen der Ankerkette
und der Wind. Innerhalb von zehn Minuten bläst
er bereits mit 15 bis 20 Knoten aus Westen (der Estero
ist gegen Westen offen!) und nimmt noch zu. Schnell,
in die Kleider und ins Oelzeug! In völliger Dunkelheit
motoren wir schleunigst gegen Wind und zunehmende Wellen.
Mit Hilfe des Radars und einem Wegpunkt finden wir den
Ausgang aus dem unseligen, aber tiefen Estero Cahuelmo
hinaus. Statt in den warmen Thermen zu liegen, frieren
wir jetzt in dem starken Gegenwind! Im Estero Bonito
suchen wir nach drei Stunden Zuflucht und dürfen
in dem kleinen Einschnitt bei den Fischern an einem
schwimmenden Häuschen festmachen. Ende gut, alles
gut!"
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CASIMU ist am "Schwimmdock" im Estero
Bonito sicher verankert. Die Fischer bereiten die
Köder für den Merluza-Fang vor. |
Porcelana: wundervolle Thermen und sterbende Lachse
Zwei Tage später kommen wir doch noch zu wunderschönen
Thermen. Ganz am Südende des Canal Leptepu liegt
die geschützte Caleta Porcelana. Eine heisse Quelle
sprudelt etwas erhöht aus dem bewaldeten Felsen
und ergiesst sich in verschiedene Becken. Je weiter
unten das Becken, um so weniger heiss das Wasser. Gleich
nebenan fliesst ein sehr kalter grosser Bergbach. Wir
sind ganz alleine hier in diesem zauberhaft dampfenden
Wald und wechseln von heiss zu kalt die Flussbecken.
Ach ist das schön!
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Traumhaft unberührte Naturthermen!
Es seien die schönsten von Chile!
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Am nächsten Tag besuchen wir die
nahe Salmonera (Lachsmästerei) und werden vom jungen
Chef geführt. Bereitwillig zeigt er uns die moderne,
bald Computer gesteuerte Zucht und gibt uns gerne Auskunft
auf unsere Fragen. Die Angestellten sind eben tauchend
dabei 30'000 (!) grosse Lachse aus den Grundnetzen der
Bassins hochzuheben. Alle sind an Sauerstoffmangel gestorben.
Der Chef erklärt: Es war längere Zeit zu schönes
Wetter, das Wasser hat sich erwärmt, die grünen
Algen haben sich vermehrt und zuviel Sauerstoff entzogen...
Ich kann es kaum mit ansehen, wie die Lachse in den
anderen Becken hoch in die Luft springen. 30'000 sind
je in einem der 15 runden Becken von 25 m Durchmesser
und 20 m Tiefe. Ein unwahrscheinlicher Stress muss das
in diesem engen Raum für die wanderfreudigen Fische
sein! Wir essen keinen Lachs mehr. -
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Salmonera: Vom zentralen Futtersilo aus wird jedes
der 15 Becken automatisch über eine Rohrleitung
mit Futter versorgt. |
Die Salmonera-Crew besucht CASIMU. Die Fischindustrie
ist fast der einzige und deshalb wichtigste Arbeitgeber
in diesem Gebiet. |
Puerto Montt, vorläufiges Winterquartier
Als wir am Ostersamstag, den 19. April, nach einem geselligen
Karfreitag mit chilenischen Motorbootfahrern in den
Thermen Caleta Los Banos nach Puerto Montt segeln wollen,
überrascht uns ein starker Nordwind und wir müssen
einen Fluchthafen suchen. Im Puerto Pilolcura, 23 sm
vor Puerto Montt, finden wir hinter Muschelzuchten einen
geeigneten Ankerplatz. An Ostern schwächt sich
der Wind etwas ab, und wir segeln Richtung Puerto Montt,
wo wir im Club Nautico Reloncavi festmachen. Wir haben
am Karfreitag den Präsidenten des Clubs kennengelernt,
und er hat uns die Marina bestens empfohlen. Da liegt
CASIMU jetzt an einem Schwimmsteg vertäut und wir
haben seit länger als einem halben Jahr wieder
einmal Strom- und Wasseranschluss und sehr komfortable
neue Duschen.
Wir reisten letzte Woche auch schon per Bus nach Valdivia,
um die Stadt und die Marinas dort zu begutachten. Valdivia
ist hübscher und geordneter als Puerto Montt, doch
im Moment haben wir keine Lust, CASIMU zu überführen,
da wir auch noch nicht genau wissen, was wir in den
Wintermonaten machen werden. Um in den Pazifik nach
Westen zu segeln, ist es zu spät. Wir bekämen
wegen der Hurrican-Saison, die bereits im Dezember beginnt,
ein zu grosses Gehetze. Hier herum wird es Winter und
kalt oder regnerisch. Was können wir Sinnvolles
tun? Es geht uns wie einem Studenten nach grosser Prüfung:
wenn man sie erfolgreich bestanden hat, fällt man
etwas in ein Sinn-Loch. Als wir von Valdivia über
das argentinische Bariloche fuhren - um bei der Wiedereinreise
nach Chile unsere Aufenthaltsbewilligung von 90 Tagen
zu reaktivieren- dünkte es mich, als würde
ich den Winter am liebsten hier in dieser grandiosen
Berg- und Seenlandschaft in einem Haus (mit vielen Tieren)
verbringen....Im Moment haben wir (noch) keine konkreten
Ziele. Ich und wohl auch Hans haben etwas genug vom
engen Schiffsleben und wir machen CASIMU für einen
längeren Hafenaufenthalt klar: die Segel wurden
gewaschen und weggeräumt... Sie sind bei einem
Stimmungswechsel ja bald wieder montiert! - Ich fliege
am 1. Mai in die Schweiz zu meinen Eltern.
Puerto Montt, den 30. April 2003 Heidi
Brenner
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