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Bericht vom 13. September 2002
Der Härtetest nach Uruguay |
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Beide hatten wir grossen Respekt vor der Etappe Porto
Belo (Brasilien) nach dem Rio de la Plata, Uruguay.
Wir wussten, dass es wohl die Teststrecke werden wird.
Sollte uns eine Kaltfront hart erwischen, würden
wir vielleicht den Mut verlieren, um "unten durch"
weiterzusegeln, wie das schon anderen Seglern passierte.
Wieso die Strecke gefürchtet ist?
Im südlichen Winter ziehen die Kaltfronten des
Polarmeeres hinauf und bringen heftige SW-Winde (25
bis 35 Knoten oder mehr). Sie treffen einen Segler,
der von Norden kommt, hart "auf die Nase".
Die Temperaturen sind dann niedrig. Zudem ist das Meer
in Küstennähe sehr untief und es bauen sich
unangenehme, kurze Wellen auf. Es gibt ferner in diesem
Teilstück kaum einen geeigneten Fluchthafen, so
dass man einfach "durchziehen", respektive
halt beidrehen muss. Diese Fronten können einige
Tage andauern und das Seglerleben ungemütlich machen.
Also, wir bereiten uns sorgfältig und etwas angespannt
auf diese knapp 600 sm vor: Die Wetterkarten, Satellitenbilder
und Prognosen werden eingehend studiert, alles Wichtige
am Boot wird auf Sicherheit und Funktion überprüft,
die Fleece-Kleider hervorgeholt, die Essvorräte ergänzt,
das "Notfass", das neben dem Navigationspult
festgezurrt ist, mit Notfallmaterial gefüllt, das
mit in die Rettungsinsel müssten: Wasser, etwas Nahrung,
Raketen... Nicht dass wir fürchten, CASIMU gehe unter,
aber trotzdem wird der Notfall nochmals überdacht.
Für die Tage vom 25. bis 28. August scheint das Wetterfenster
günstig. Keine Front, allerdings sprechen die Meteorologen
von schwachen nördlichen Winden. Hoffentlich reichen
sie zum Segeln und müssen wir nicht motoren! Bisher
hatten wir in Brasilien schon genug schwache Winde. Bei
nebliger Dämmerung und fast Flaute motoren wir vor
sieben Uhr am Sonntagmorgen aus dem Jachthafen von Porto
Belo. Der Speedometer und somit auch das Log funktionieren
wegen Bewuchs mal wieder nicht. Gegen zehn Uhr setzt sich
die Sonne durch, und als wir die Insel Santa Catarina
an Steuerbord querab haben, können wir auch die Segel
setzen. Der nördliche Wind ist noch schwach, wie
prognostiziert. Also kramt Hans den Blister (95qm grosses
Vorsegel) hervor. Dieser, das Grosssegel, sowie die Strömung
schieben CASIMU im noch recht ruhigen Südatlantik
mit 6, dann 7 und zwischendurch 8 und mehr Knoten über
Grund voran. Herrlich, all diese Felsen und Inselchen
in dem wunderschönen, warmen Sonnenschein. Hans hat
die Windsteuerung noch nicht montiert, und so stehe ich
wieder mal ganz gerne am Steuerrad. Der Wind nimmt in
den Böen nochmals zu, die Wellen tragen Schaumkrönchen
und werden höher. Ich merke etwas Steuerdruck. Doch
kaum der Rede wert. CASIMU rauscht nun mit regelmässigen
8 und mehr Knoten über Grund dahin. Toll! Doch plötzlich
luvt er nach Backbord an. Ich schlage das Steuer schnell
ganz nach Steuerbord ein, doch es hilft nichts. CASIMU
luvt und luvt und läuft aus dem Ruder. Der Blister
ist zusammen gefallen, wie ein Ballon, der platzt. Doch
er hält sich natürlich in dem starken Wind nicht
ruhig, sondern tanzt wild herum und schlägt. Hans
stürzt aus dem Salon hoch. Oh weh, er wollte eigentlich
den Blister schon vor etwa einer halben Stunde bergen!
"Der Blister muss runter!" schreit er und ist
schon auf dem Vordeck. Doch die Leinen des Bergeschlauches
haben sich während dem wilden Tanz vertörnt
und der Blister kann nicht mehr so locker in seine "Tüte"
gezogen werden. "Ich krieg den Blister nicht mehr
runter!" ruft Hans mir zu. In der Zwischenzeit fahre
ich bereits wieder auf räumlichem Kurs und der Blister
steht wieder wie aufgeblasen. Doch der Wind ist böig
und hat jetzt auf etwa 25 Knoten aufgefrischt. Aufregung,
Hektik ... Irgendwie kommt der Blister dann doch noch
runter. Allerdings schwimmt er eine Zeitlang in den Wellen
neben CASIMU. Es scheint mir eine Ewigkeit, dabei ist
es vielleicht eine oder zwei Minuten lang. Dann zwingt
ihn Hans mit grosser Anstrengung aufs Deck. Er ist zwar
nass aber zum Glück noch ganz. Nun liegt er im Cockpit
und füllt es aus. So ein 95qm-Segel ist schon riesig,
wenn es sich nicht so benimmt wie es sollte oder im zirka
5qm kleinen Cockpit getrocknet werden soll! Das Ganze
hätte leicht schief gehen und der teure, neue Blister
könnte zerrissen sein. Noch Schlimmeres malen wir
uns lieber nicht aus. Fast trocken wird das Unding nach
ein paar Stunden verstaut und kommt wohl vorerst nicht
mehr so schnell in Aktion! Der Wind pendelt sich wie prognostiziert
auf NE ein. Zum Glück ist er stärker als vorausgesagt
und weht mit bis zu 7 Bft. - Etwa 36 Stunden später,
in der zweiten Nacht, geschieht beinahe ein Unglück.
Ich schreibe ins Logbuch: "Schöner Wind und
zweite Aufregung. Der Mond ist bereits abnehmend, doch
er beleuchtet Meer und Wellen immer noch geheimnisvoll.
Der Wind hält nachts an und CASIMU segelt mit Schmetterlingsbesegelung
(Grossegel in Lee, ausgebaumte Genua im Luv) erstaunlich
ruhig, trotz der beträchtlichen räumlichen Wellen.
Super, so eine Ueberfahrt! Hoffentlich hält der Wind
aus dieser Richtung an. Röbbi hat auf seiner Wache
gegen Morgen nass-kalten Nebel. Doch um 9 Uhr hat die
Sonne alles weggeschleckt und sie erwärmt unsere
feucht-steifen Knochen. Seit gestern 7 Uhr bis heute 7
Uhr haben wir 156 Meilen gemacht. Ein tolles Etmal. Doch
nachmittags werden wir langsamer. Haben wir Gegenstrom?
Sind wir etwa im kalten nach Norden setzenden Falklandstrom?
Die Wassertemperaturen sind bezeichnenderweise immer tiefer
gesunken. Wir ändern den Kurs leicht gegen Osten
und laufen weiter von der Küste weg. Die Wassertemperatur
sinkt zuerst weiter, um dann aber von 17 Grad auf spätere
19 Grad anzusteigen. Vielleicht haben wir die warme Meeresströmung
von Norden erreicht. Kurz vor Mitternacht stehe ich im
Cockpit und betrachte schlotternd die Sterne, als plötzlich
von achtern sehr rasch Nebel aufzieht und sie alle innert
etwa 10 Minuten verschluckt. Da "Aries" regulär
steuert und alles normal ist, gehe ich nach unten. Da
luvt CASIMU an, denn der Wind hat eben enorm zugenommen.
(Hätte ich mir eigentlich denken können, als
der Nebel so rasend schnell von hinten aufzog.) Ich stürze
nach oben, schalte die Windsteuerung aus und falle in
den enormen Böen und Wellen ab .... o weh! Eine Riesenwelle
drückt CASIMUs Heck durch den Wind. Eine ungewollte
Halse schlägt den Baum mit enormer Gewalt und Dröhnen
auf die andere Seite. Die Bullentalje (Baumsicherungsleine)
ist aus unerklärlichen Gründen genau dieses
Mal nicht über die Winsch festgezurrt! Vor lauter
Schreck (ich habe bisher noch nie eine Patenthalse vollbracht)
steuere ich automatisch zurück und es gibt nochmals
eine Halse, obschon Röbbi (Hans) schon aus der Koje
gestürzt kommt und schreit: "Keine Halse mehr!!"
Ich bin starr vor Schreck. In den hohen Wellen und der
nebligen Nacht habe ich die Orientierung verloren und
mir ist schwindlig. Wie kann mir das bloss passieren?!
"Du hast doch die Instrumente zum Steuern!"
schimpft Röbbi. "Das hat dann schon öfters
den Mast gekostet... du hast wieder mal Glück gehabt!"
Die Travellerbefestigungen sind allerdings bei den harten
Schlägen auf beiden Seiten ausgerissen worden. Alles
ist so schnell geschehen, und ohne dass ich das Gefühl
habe, viel dazugetan zu haben. So ein Mist! Röbbi
muss aufs rollende Vordeck. Die Luvschot hat sich ganz
um die Rollfock verwickelt. Endlich kann er wieder alles
richten. Ich bin fix und fertig. Röbbi übernimmt
vorzeitig die Wache. Der Rest der Nacht verläuft
ohne weitere Aufregung. - Ein herrlich warmer, sonniger
Tag folgt mit zügigem, achterlichem Wind. Wir kommen
gut voran und der Seegang ist annehmbar." Am dritten
und vierten Tag steht im Logbuch: "Kalt, Sonne und
Wetteränderung. Ein kalter Polarwind bläst den
Niedergang hinunter in die Kajüte. Oben an der Sonne
ist es wie beim Skifahren: die der Sonne zugewandte Seite
ist warm, hinten ist es kalt. Oder wie die beiden Seiten
beim Planeten Merkur (nicht ganz so extrem!). Wir halten
nun direkten Kurs auf den Zielhafen La Paloma, Uruguay.
Die warme Strömung von Norden fand nicht statt, dafür
schieben uns jetzt im kalten Wasser die Wellen gewaltig.
Der Barometer fällt seit gestern Abend kontinuierlich.
Wetterfax und Amateurfunker Rafael meldeten weiterhin
N-Wind mit West-Tendenz am Donnerstag gegen Mittag. Da
sollten wir eigentlich im Hafen sein. Gegen Abend überzieht
sich der Westhimmel mit Cirrostratus: aha ein Aufzug!
Der Barometer ist von 1021 auf 994 gefallen. Funk-Rafael
meint, die Front käme wohl früher als am Vortag
prognostiziert, doch es sollte uns reichen, vorher in
den Hafen zu kommen. Im W /NW erhellen ununterbrochen
Wetterleuchten und Blitze den Himmel. Röbbi ist übermüdet
und angespannt. Die Nervosität überträgt
sich auf mich. Sollten wir jetzt kurz vor dem Ziel noch
eins aufs Dach bekommen oder wenn möglich gar nicht
mehr in den Hafen reinkommen? Gegen 21 Uhr wird der Wind
schwächer, es blitzt ringsherum. Wir starten schleunigst
den Motor, denn es sind immer noch 60 Meilen bis zum sicheren
Hafen. Der Wind wird noch schwächer, variabel, dreht
dann auf S / SW und etwas später wieder auf NNE.
Es blitzt häufig, donnert aber nur selten in einiger
Entfernung. Es regnet. Gegen Morgen erkenne ich das sehr
langsame Blinklicht (alle 60 sec.) von Cabo Santa Maria,
La Paloma. Die Richtfeuer, die uns nach Hafenskizze zwischen
den Untiefen durch lotsen sollten, finden wir nicht. Sie
existieren anscheinend nicht mehr. Eine Detailkarte des
Hafens haben wir leider nicht. Wir melden uns über
Funk bei "Paloma control" an, wie wir das von
Frachtern und Fischkuttern hören. Die nette Senorita
von der Marine sieht uns auf ihrem Radarschirm und hilft
uns mit Anweisungen über Funk die Einfahrt sicher
zu finden. Im kleinen Fischer- und Militärhafen hat
nur ein schmales, unbeleuchtetes Fahrwasser genügend
Tiefe für uns.
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Nach dem Entladen von bis zu 40t Fisch,
bunkern diese Fischkutter Diesel, Wasser und Eis
für die nächste ca. 14-tägige Fahrt. |
In der morgendlichen Dämmerung gelingt es uns neben
den roten Fischkuttern und inmitten von vielen Bojen,
eine als Heckbefestigung zu packen und mit dem Bug am
etwas baufälligen Holzpier festzumachen. Kaum eine
Stunde später pfeift der SW-Wind mit voller Stärke
in die Wanten. Die extreme Kaltfront "Santa Rosa"
ist mit polarer eisiger Wucht eingetroffen. Wir sind froh
und dankbar, dass wir noch gerade rechtzeitig den sicheren
Hafen erreichten." In genau 4 mal 24 Stunden haben
wir die 590sm geschafft. Zieht man die 2 bis 3 Stunden
ab, die wir für die Einfahrt und das Festmachen brauchten,
ergibt das ein durchschnittliches Etmal von 150 Meilen.
Unter Segel 522sm, unter Motor 68sm, juhui! Nach Anmeldung
bei der Marine und dem Hafenmeister gibt es ein ausgiebiges
Frühstück mit Eiern. Hans murmelt zwischen den
Bissen mehrere Male: "Mir händ unwahrschienlech
Dusel gha.....". Entspannt, geduscht und mit vollem
Magen kriechen wir vorerst für ein paar Stunden in
die warme Koje. Ich glaube, wir haben den Test bestanden.
Impressionen von Uruguay
Der Hafen ist etwas verlottert: ein halb versunkener Fischkutter,
ein zu restaurierender Steg, Bauruinen... aber in den
Bauruinen herrlich warme Duschen und in den Fischerbooten
sympathische und gesprächige Fischer.
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Wer findet CASIMU?
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Wir fühlen uns hier im winterlichen Balneario La
Paloma sofort wohl. Der Weg ins Dorf führt der halbrunden
Sandbucht entlang. Sie ist zwar sehr Wind exponiert aber
schön. Täglich marschieren wir in Kappe und
warmer Jacke dem Strand entlang über den Leuchtturm
hinaus bis uns der stürmische SW-Wind zurück
in die gemütliche Stube jagt.
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La Paloma mit dem Leuchtturm Santa
Maria. |
Unser Oelofen gibt angenehm warm und kocht oben auf der
Herdplatte sogar die Kartoffeln weich. Am Sonntag besteigen
wir den Leuchtturm. Der Wind ist oben so stark, dass ich
gegen ihn kaum rundherum komme. Der Atlantik brodelt.
Seit Donnerstag haben wir starken bis stürmischen
SW-Wind. An ein Auslaufen ist nicht zu denken.
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Die See kocht!
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Doch es eilt uns auch nicht. Wir finden eine ausgezeichnete
Bäckerei/Konditorei, mit herrlichen Broten und vor
allem feinem Gebäck, wie wir es bisher noch nirgends
kaufen konnten. Wir schlemmern. Von den Fischern kaufen
wir frische Fische, die sie uns gleich filettieren. Luis,
der Kapitän eines Fischkutters, zeigt uns sein Schiff,
das pukto Navigation super modern ausgerüstet ist:
Satellitentelefon Iridium verbunden mit dem Computer für
die Wetterinformationen übers Internet, Angaben über
die aktuellen Seewasser-Temperaturen und Plankton-Ansammlungen
zum Auffinden der Fischschwärme usw. Er fischt an
40sm oder 75km langen Leinen grosse Thun- und Schwertfische
von etwa 70 bis 200kg. Wir bekommen einen Eindruck wie
hart das Leben eines Berufsfischers ist. Luis schenkt
uns 4 grosse Calamares, die ich an den drei auf einander
folgenden Abenden unterschiedlich zubereite: gebraten,
im Wok mit Gemüse und Nudeln, im Gemüserisotto.
Die ökonomische Situation in Uruguay ist verheerend:
viele Betriebe haben geschlossen und die Menschen stehen
ohne Arbeit und ohne jegliches Einkommen auf der Strasse.
Von 5 Banken haben eben gerade 3 geschlossen. Die Leute
haben kaum mehr zu essen. Ein Büroangestellter, der
meist 7 Tage in der Woche arbeitet, verdient umgerechnet
240 Fr. im Monat. Und das Leben hier ist nicht billig!
Ein junger Meeresbiologe, mit dem ich plaudere, arbeitet
jetzt auf den "campos" und setzt Eukalyptusbäume
(in dieser Kälte!) für die Papierindustrie.
Etwas anderes findet er nicht. Als Volontär, natürlich
ohne Bezahlung, kann er bei der Marine aushelfen. Hier
geht es bei vielen echt ums Ueberleben und sie nehmen
halt jede Arbeit an, wenn sie überhaupt eine finden.
Meist natürlich sehr schlecht bezahlt.
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Karge Landschaft!
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Die meisten vom Mittelstand sind arm geworden und viele
sind arbeitslos. Uralte Autos verkehren auf den Strassen,
die kleinen Häuser sind häufig renovationsbedürftig,
die Kleider sind bescheiden bis alt oder sogar zerlumpt.
Die Leute erkennen die Situation gut und geben die Schuld
der korrupten Regierung. Sie können wenig bis gar
nichts zur Veränderung der Situation beitragen. Trotz
der miserablen Situation und ihrer Bedrückung sind
sie herzlich zu uns und sprechen sich über ihre Lage
gerne aus.
Der Ritt auf dem Rio de la Plata nach Buenos Aires
Nach zehn meist sehr windigen bis stürmischen SW-Tagen,
lösen wir am Sonntag, den 8. September die vielen
Leinen von den Heckbojen und fahren etwa zwei Stunden
vor der argentinischen "Lucky Lady" auf den
fast windstillen Atlantik hinaus. 50 sm bis nach Punta
del Este, um dann den Rio de la Plata hinauf nach Buenos
Aires zu gelangen. Eigentlich hatten wir im Sinn in Tagesetappen
der uruguayischen Küste des Plata entlang zu segeln.
Doch die enormen bürokratischen Exzesse der Marine
so wie die unstabilen Wetterverhältnisse im Winter
halten uns davon ab. Also sind die Wegpunkte für
den direkten Weg nach Buenos Aires eingegeben, 222 sm.
Mit schwachem Rückenwind motoren wir gegen Südwesten.
Ich bin sehr gespannt auf den berüchtigten und gefürchteten
Rio de la Plata, der eigentlich nicht wie ein Fluss, sondern
vielmehr so gross und breit wie ein Süsswassermeer
ist. An der Küste vor Punta del Este wie auch im
Rio de la Plata gibt es eine Unzahl von Wracks. Heftige
Winde und unzählige Untiefen machen ihn noch heute,
trotz Wettervorhersagen und GPS, zu einem nicht ungefährlichen
Gebiet für alle Schiffe. Wir fahren zum Teil unter
Motor mit Segelunterstützung, später nur unter
Segeln den braunen "Fluss" hinauf. Wir sind
weit ab vom Fahrwasser der Tanker und Containerschiffe.
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Freiwache!
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Bei jedem uruguayischen Hafen (Punta del Este, Piriapolis,
Buceo/ Montevideo) an dem wir vorbeifahren, müssen
wir uns über Funk melden und angeben, wohin wir fahren
und wann wir gedenken anzukommen. Nach Montevideo begegnen
wir die ganze Nacht keinem Schiff mehr und wir rauschen
in der kalten, klaren Sternennacht den bewegten Rio hinauf.
Die Tiefen nehmen ab: waren es eingangs des Rio noch gegen
20m, sind es später nur noch 4 bis 6m. Schon ein
eigenartiges Gefühl, mehr Geschwindigkeit zu machen
als Wassertiefe zu haben. Die Wellen, die vom Wind aufgeworfen
werden, sind recht beträchtlich. Einige Meilen vor
Buenos Aires gelangen wir näher ans gebaggerte Fahrwasser
der Grossschifffahrt. Auf der andern Seite rast die Schnellfähre
von Montevideo an uns vorbei.
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Mit bis zu 80 kmh!
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Die Skyline von Bs.As. hebt sich dunkel ab im roten Licht
der untergehenden Sonne. Auch wir müssen uns jetzt
in das eher schmale Fahrwasser einpendeln. Vorher lassen
wir noch einem Goliath den Vortritt.
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Dem Goliath den Vortritt! |
Lieber den vorne zu wissen, als dass er von hinten an
uns heranfährt. Es ist gar nicht so einfach, die
Tonnen (rot auf steuerbord, grün auf Backbord) im
Gegenlicht zu erkennen. CASIMU bockt wie ein wildes Pferd
in den Wellen und lässt sich nicht leicht steuern.
Immer wieder will er an den roten Bojen schnuppern. Es
gibt "Abzweigungen" im Fahrwasser und wir als
Novizen haben zweimal grosse Mühe, trotz sorgfältiger
Navigation und Routeneingabe, den "richtigen Weg"
zu finden. Nach etlichem Stress erreichen wir den "Antepuerto"
der "Darsena norte" als es bereits dunkel ist.
Bei der Einfahrt muss Hans gleich einem "Grossen",
der ausfährt, weichen. Wir haben den Wegpunkt für
den Yacht Club Argentino eingegeben und sehen hinter der
hohen Piermauer auch die Masten, doch wir wissen nicht,
ob die sehr schmale Einfahrt, die gleich zu enden scheint
oder spitzwinklig um die Ecke weitergeht, wirklich die
Clubeinfahrt ist. Zudem ist sie mit Styroporschwimmern
verbarrikadiert. Ist der Club evt. gesperrt? Oder ist
das gar nicht die Einfahrt? Ich rufe den Club über
Kanal 16 mehrere Male an, doch ich bekomme keine Antwort.
Der heftige Wind im Vorhafen ist nicht so angenehm und
jeder Zeit kann eine Fähre oder ein "Goliath"
uns an den Rand drücken. Ich bin sehr erschöpft
und ratlos, was wir jetzt in dem für grosse Schiffe
vorgesehenen Hafen die ganze Nacht sollen. Jetzt kommt
Hans die argentinische "Lucky Lady" in den Sinn,
die kurz nach uns startete und deren Skipper Mitglied
des YCA ist. Die müsste doch auch nächstens
da sein. Wir rufen sie auf und über Funk teilt uns
Skipper Roberto mit, dass sie im Canal Norte seien und
in etwa 20 Minuten in ihren Clubhafen einlaufen und uns
den Weg weisen würden. Da kommt auch schon das Motorboot
des Clubs mit dem Marinero und wir kriegen einen Liegeplatz
gleich um die Ecke der spitzwinkligen Einfahrt.
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Fitness vor wundervollen Kulisse! |
7 Tage dürfen wir als Gäste kostenlos in dem
luxuriösen Yachthafen ganz im Zentrum von Buenos
Aires liegen. Ich bin vom vorangegangenen Stress so müde,
dass ich nur noch den Gemüsereis vom Vortage aufwärme,
und wir dann erschöpft in die Koje sinken. Am nächsten
Tag wartet ein langes Procedere auf uns: Anmelden im Yachtclub,
Immigrationsbüro aufsuchen, weiter zur Marinepolizei,
falsch, ihr müsst zuerst zum Zoll, falsch, ein anderes
Zollbüro ist für euch zuständig und schliesslich
wieder zur Marinepolizei. Ein halber Tag hat fast genügt,
um all die Papiere auszufüllen und die vielen Stempel
zu kriegen. Wir haben es geschafft und am Abend wird im
feinen Restaurant "Rodizio" mit einem kräftigen
Rotwein gefeiert: die gelungene Ueberfahrt von Brasilien
nach Uruguay, den bezwungenen und von mir gefürchteten
Rio de la Plata und schliesslich die genommene Hürde
der argentinischen Bürokratie. Beide sind wir gegen
Mitternacht ein wenig angetrunken, gelangen aber trotzdem
noch sicher zurück in unser Zuhause CASIMU. Und nun
bleiben wir etwa einen Monat in Buenos Aires um CASIMU
neu zu trimmen und all die Vorbereitungen für den
harten Süden zu treffen.
Heidi, 13. September 2002
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