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Wir sind wieder in Brasilien. Ich war eineinhalb Monate
bei meinen Eltern in der Schweiz. Meine Mutter wurde
operiert und hat sich recht gut erholt, so dass ich
mit Zuversicht zu CASIMU nach Salvador zurückfliegen
konnte. Hans war ebenfalls ein Monat in der Schweiz
und hat seine Arbeit an einem noch zu beendigenden Projekt
abschliessen können. Mit ca. 130kg Gepäck
(jeder konnte 2 mal 32 kg mitnehmen) flogen wir zurück
in den brasilianischen Winter. Nicht dass der Refleks-Oelofen
und dazugehörige Rohre und Kamin in unserem Gepäck
bereits für den salvadorianischen Winter gebraucht
würden, nein! Hier ist es immer noch ca. 27°C
warm und sehr feucht. Doch wir planen ja in den nächsten
Monaten gegen Süden zu segeln und da wird's nun
zunehmend winterlicher und kühler.
Nun aber der Reihe nach: Also wir kamen Ende Mai mit Ofen,
Taucher-Notausrüstung, wieder saniertem Laptop, Pactorgerät,
viel Thermowäsche, Navigationsbüchern und Reiseführern
für Argentinien und Chile, etlichen anderen Büchern
und gewissen Leckereien zurück nach Salvador. CASIMU,
der brav in seiner Boxe in der Marina von Aratu auf uns
zu warten schien, nahm uns und auch all unser Gepäck
ohne Murren auf. Nachdem wir einen akzeptablen Standort
im Salon für den Ofen gefunden hatten und auch wussten,
wo Rohr und Kamin platziert werden sollten, ging Hans
an die Arbeit des Einbauens. Schlauch, Ventile und Befestigungsteile
mussten hier gesucht und besorgt werden, was zeitraubend
war. Nach einer Woche war's soweit, und wir belohnten
uns mit einem mehrtägigen Wanderausflug.
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Unsere Wohnstube,
neu mit Ofen. |
In der Chapada da Diamantina
Etwa 400km im Inneren von Bahia liegt die Chapada da
Diamantina. In der imposanten, wilden Felslandschaft
mit unzähligen Flüsschen und Wasserfällen
wurden im 18. Jahrhundert Diamanten entdeckt und lösten
nach dem Goldfieber von Minas Gerais den Diamantenrausch
aus.
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Lencois |
Auf einer unserer Wanderungen begegnen wir einen älteren
Mann mit Sieb auf dem Kopf, der uns erklärt, dass
er nach Diamanten schürfe. Nun, anscheinend
gibt's immer noch ein paar Nachfahren der Diamanten-Aera.
Wir wandern ein paar Tage einfach drauf los, obschon davon
vehement abgeraten wird. Nehmt einen "guia"!
wird uns ans Herz gelegt. Es gibt davon auch ganz viele,
vom kleinen Jungen bis zum älteren Mann. Und wir
gäben denen ja gerne etwas zu verdienen. Doch wir
haben einfach keine Lust, einem Führer hinten nach
zu stapfen, um zu einem spektakulären Wasserfall
oder zu einer touristisch wertvollen Grotte zu gelangen.
Wir wollen die Landschaft selber entdecken, ruhen, baden
und lesen wo und wann wir wollen.
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Waschtag |
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natürliches Alpamare |
Das ist nicht ganz unproblematisch, denn nirgends gibt's
einen Wegweiser, aber eine Menge kleinster Weglein und
Pfade, die sich oft in der Wildnis zwischen riesigen Felsbrocken
verlieren. Wir müssen also gut aufpassen, um nicht
wie Hänsel und Gretel im Nirgendwo stecken zu bleiben
oder verloren zu gehen. Wir erleben auf diese verpönte
Art des Wanderns immer wieder Ueberraschungen: nach einem
steileren Aufstieg stehen wir plötzlich vor einem
grossen Felsvorsprung, von dem Rauch aufsteigt. Ein dunkler
"Eremit" lebt da, sauber angezogen kocht er
sich eben Tee. Wir kommen ins Gespräch, Bruchteile
von seiner Biographie verstehen wir: Er ist ganz allein,
lebt da unter dem Felsen, abgelegen vom Dorf Lencois.
Seine Eltern sind beide tot, seine Frau ist vor fünf
Jahren gestorben.
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Der einsame Siedler |
Während seines Redeschwalls habe ich Zeit seine "Wohnung"
genauer anzusehen: an der Felswand eine schmale Pritsche,
geschützt vor dem häufigen winterlichen Regen,
zwei Kochtöpfe und ein paar Tassen und Gefässe
neben dem Feuer, eine Kiste mit...? allen restlichen Habseligkeiten.
Die Felsdecke ist ganz russig vom Kochen am offenen Feuer,
doch die Lage seiner Behausung, etwas erhöht, ist
wohltuend. All sein Hab und Gut hätten auf einem
Schubkarren Platz... Er scheint nicht unglücklicher
als wir zu leben. Was sich doch bereits auf Casimu wieder
alles an Material und Technik angesammelt hat! Wovon er
lebt?
Das erfahren wir ein paar Tage später, als wir ihn
zufällig beim Aufstieg im Flussbett nochmals treffen.
Er zeigt uns kleine Kristalle, die er anscheinend weit
von hier schlagen ging. Ob er sie verkaufen kann?
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Rast an einem der unzähligen
Wasserfällen. |
Wir wandern weiter zu einsamen Felsen, zu frischen, sauberen
Wasserläufen, die von Erde und Gestein braun gefärbt
sind.
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natürlicher Flusslauf |
In den Bassins unter den kleinen Wasserfällen können
wir uns herrlich abkühlen, denn es ist warm und sehr
feucht.
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Angenehmer als bergan steigen! |
Wir sehen eine Art schwarze, scheue "Murmeltierchen"
und später drei lustige Aeffchen, die zwar scheu,
aber sehr neugierig sind. Wenn ich eine Melodie pfeife
schwingen sie sich auf den grossen Aesten heran und
spielen eine Art Verstecken, wie das bei uns die kleinen
Kinder etwa tun: Kopf hinter dem Ast hervor, schnell
zu mir geguckt und hastig das kleine Köpfchen wieder
zurückgezogen; und das unzählige Male hintereinander.
Wahrscheinlich meinen sie, ich würde sie so nicht
sehen.
Natürlich machen wir an einem Tag auch die fast obligatorische
Tour im Auto zu den vielen weit von einander gelegenen
Sehenswürdigkeiten. Wir fahren mit zwei sehr sympathischen
deutschen Studenten, von denen der eine in Brasilien studiert
und somit ein hervorragender Dolmetscher ist.
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mit Andy und Philipp |
Wir erleben eine lange mit Gaslaterne stimmungsvoll und
ganz behutsam geführte Höhlenwanderung. Eine
andere Grotte erkunden wir schwimmend mit Tauchermaske,
Schnorchel und Flossen. In der "Gruta azul"
erleben wir die fantastischen Lichtbrechungen der Sonnenstrahlen,
die unzählige Blau- und Grüntöne hinzaubern.
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Die Sonne verzaubert die Grotte |
Und natürlich erhalten wir einen Ueberblick des Massivs:
eindrückliche Gesteinsformationen, die sich aus der
Wildnis erheben.
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Gipfelblick |
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Das Kamel |
Am nächsten Tag machen wir uns aber wieder auf eigene
Faust auf den Weg.
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grosser Markt in Lencois |
In Lencois ist Markt und wir bewundern die Reichhaltigkeit
des Frucht- Gemüse- und Gewürzangebotes. Knaben,
meist barfuss, stossen vollbeladene, schwere Schubkarren
für die etwas wohlhabendere Hausfrau nach Hause.
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reiche Auswahl |
Eine Möglichkeit, das Familieneinkommen etwas aufbessern
zu helfen. Wir statten dem ausserhalb des Dorfes gelegenen
Friedhof einen Besuch ab. Neben grossen marmornen Familiengräbern
gibt's viele kleine Holzkreuze. Alles ist sehr verwahrlost.
Anscheinend ist hier "tot" auch gleich "vergessen".
Oder ob wir das mit unserer schweizerischen Vorstellung
falsch interpretieren? Am letzten Tag ist in der Unterstufe
der Dorfschule "Schlussexamen": Ausstellung
der Arbeiten in den verschiedenen Fächern, kleine
Theateraufführung und viele, viele Kinder. Ein paar
Mütter sind mit den kleineren Geschwistern anwesend,
der einzige Mann ist vom Erziehungs-Departement und filmt.
Kein einziger Vater ist da! Ob das nur deshalb ist, weil
gleichzeitig ein WM-Fussballmatsch am Fernsehen läuft?
Auf jeden Fall bin ich als Gast sehr willkommen, muss
mich auf der Liste der "Visitantes" einschreiben
und es wird herumgeflüstert, dass ich eine "professora
suica" sei. Das ist überhaupt die Erfahrung,
die wir in Brasilien bisher machten: wir sind immer willkommen!
Salvador-Impressionen
Regen, Feuchtigkeit, triefende Haut. Stuhllehne und
Handlauf im Bus klebrig von Dutzenden oder vielleicht
Hunderten schwarzen, braunen, kaum weissen Rücken
und Händen. Die Hemden und T-Shirts schneeweiss oder
bunt, teils gebügelt, keinesfalls zerknittert. Jedenfalls
sauber. Wohl erst heute morgen frisch angezogen. Die Tops
der Mädchen sehr eng anliegend und knapp, viel braune
Haut zur Schau stellend. Oft attraktiv, manchmal wohl
unbequem. Draussen deprimierende Hütten, halbfertige
Backsteinhäuschen, Pfützen und viel Dreck und
Abfall. Wieso wurden nur Blech und Plastik erfunden? Der
Regen und das graue Licht lassen alles viel trostloser
erscheinen als bei Sonnenschein. Ein Schwarzer steht an
eine Hauswand gelehnt, mit einem nackten Fuss auf einem
Karton stehend, das andere Bein an die Mauer gewinkelt.
Er wimmert leise vor sich hin, die rechte Wange mit der
Hand drückend. Er hat offensichtlich Zahnweh. Nur
für ihn gibt's keinen Zahnarzt und wahrscheinlich
sind auch Schmerzmittel unerschwinglich. Keiner der Vorübergehenden
achtet auf ihn, geschweige denn richte ein tröstendes
Wort an ihn. Ja, arm heisst hier auch allein, ohne Hilfe,
ohne Erbarmen.
WM-Fieber
Bisher hat Brasilien keinen Match verloren. Die männliche
Welt konzentriert sich während der morgendlichen
Fernsehübertragungen vor der "televisao".
Strassen und Läden sind nur von Frauen und Mädchen
bevölkert. Aus Bars, Läden und einzelnen Wohnhäusern
höre ich den Reporter und das Gebrüll der brasilianischen
Männer. Sobald Brasilien ein "gol" schiesst
schwellt das Stimmengewirr enorm an und gleich werden
"Chlepfer" und "Frouefürz" abgefeuert.
Heute hat die zweite Runde begonnen: Brasilien gegen Belgien.
Die meisten Läden sind während der Uebertragung
zwischen 8 und 10 Uhr morgens zu, Busse fahren nicht oder
mit Verspätung, die Strassen sind fast leer. Männer,
Knaben und einige Frauen und Mädchen im Brasilienleibchen
fiebern vor dem Fernseher. Bei strahlendem Sonnenschein
spielen ein paar kleine Mädchen mit Puppen draussen
auf der Strasse. Sie sind sicher, denn es fahren jetzt
keine Autos. - Jubeln, Knallen.....Gott sei Dank, Brasilien
gewinnt 2:0 und alle sind stolz und glücklich, obwohl
sie kaum ein anderes Resultat erwartet haben. Denn Brasilien
ist das Einzige, Beste, Unvergleichliche....nicht nur
im Fussball! -
Ich hoffe natürlich, dass Brasilien die WM gewinnt.
Was muss da erst los sein hier!! Das möchte ich schon
gerne erleben.
Salvador, 15. Juni 2002 Heidi
P.S. Da die Festplatte meines Laptops kaputtging, habe
ich die meisten e-mail-Adressen verloren. Du musst uns
also zuerst mailen, damit wir deine Adresse wieder haben.
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