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Bericht vom 31-03-02
Wiedersehen mit dem Kreuz des Südens
 

Am dritten Tag unserer 16tägigen Ueberfahrt von den Cap Verden nach Brasilien notiere ich im Logbuch: "Auf meiner zweiten Wache sehe ich es klar und deutlich, das Kreuz des Südens, allerdings verschwindet es bald wieder hinter den Wolken. Fast gegenüber, im Norden, ist tief unten noch der Wagen zu sehen. Hoch am Himmel, dominant in seiner vollen Grösse der Skorpion. Jupiter ist in der ersten Nachthälfte stets direkt über uns und Venus leuchtet als erster Stern in der abendlichen Dämmerung hell im Westen." Das war auf 12° nördlicher Breite. Casimu läuft mit gerefften Segeln bei 6 bis 7 Windstärken aus Nordost, dem klassischen Passatwind, mit gegen 6 Knoten Fahrt. Wir reffen nachts in der Regel etwas ein, damit wir den Schlafenden während den 3 Stunden Freiwache nicht wecken müssen, um bei allenfalls zunehmenden Winden die Segel verkleinern zu helfen. Das kostet uns zwar etwas Geschwindigkeit, doch da der Wind nicht sehr beständig ist, fühlen wir uns so sicherer. Ausreffen können wir allemal ohne die Hilfe des anderen.

Wie eine Oase liegt diese Fazenda in der kargen Landschaft von Brava. Wasser wird von den Bergen mittels Kanälen hergeleitet. Es wachsen Bananen, Papayas, Mangos und vieles mehr.


Am vierten Tag unserer Atlantiküberquerung notiere ich im Logbuch: "Es wird warm und wärmer. Die Wassertemperatur wird uns mit 26°C angezeigt, im Salon ist es tagsüber 28°C. Das empfinden wir als angenehm, ausser wir können kein Luk offen halten der Wellen wegen. Wenn ich nach meinem zweiten Schläfchen so gegen 10 Uhr erwache, gibt's eine Pützdusche, dann muss z.B. noch die Leine des Ampairli aufgedreht werden. Am Mittag gibt's Früchte mit Joghurt und Müesli..." Also, eine Pützdusche läuft folgendermassen ab: Hans setzt sich hinten auf die Halterung der Windsteuerung, und ich sitze in der Rundung der Cockpitbank wie in einer Sitzbadewanne. Er wirft nun den an einem Seil befestigten Eimer ins Kielwasser und zieht ihn voll wieder hoch. Eine Aktion, die bei 6 Knoten Fahrt schon recht viel Kraft braucht. Nun nehme ich den vollen Eimer in Empfang, leere ihn über mich, seife mich ein und spüle mit zwei bis drei Eimern nach. Herrlich erfrischend! Nun kommt Hans an die Reihe, doch der ärmste hat keinen Wasserträger, er muss alleine schöpfen. Manchmal ist man doch als schwächere Frau im Vorteil! - Und was das ist mit unserem Ampairli? Wir brauchen ja an Bord Strom. Wenn wir motoren, werden die Batterien automatisch wieder aufgeladen. Doch auf längeren Ueberfahrten unter Segeln oder an Ankerplätzen lassen wir den Motor nach Möglichkeit nicht laufen. Wir haben vier Sonnenkollektoren auf dem Deck montiert, die uns bei optimaler Einstrahlung etwa 8A liefern und dann eben noch den Ampairli, eine Kombination von Wasser- und Windgenerator. Wenn wir segeln, ziehen wir den Wasserpropeller an einer 30m langen Leine hinter uns her, der uns bei guter Fahrt 4A liefert. Wenn nun aber grössere Wellen von achterlich schieben, vertörnt sich die Leine des Ampairli gerne, so dass Hans ihn etwa reinholen muss, damit die ganz "verträdeleti" Leine wieder aufgedreht und klariert werden kann. Am Ankerplatz wird der Ampairli vom Amphibium zum Luftwesen umfunktioniert, indem wir ihm seine Flügel implantieren und ihn über dem Baum an zwei Fallen aufhängen und abspannen. Und nun ist er zum Windgenerator mutiert. Mit diesen Stromquellen können wir auch in den Tropen den Kühlschrank und die elektronischen Instrumente betreiben.
Am fünften Tage, dem 16. März, steht im Logbuch: "Bord-Routine. Die Wellen haben sich normalisiert und ermöglichen uns einen angenehmeren und weniger aufwendigen Alltag. Die Wachen halten wir wie folgt ab: Ich von 22 bis 1 Uhr, Röbbi von 1 bis 4 Uhr, ich von 4 bis 7 Uhr, Röbbi von 7 bis ca. 10 Uhr. Tagsüber wie es gerade kommt. Nach 10 Uhr Borddusche, kleinere Aufräum- oder Segelsetzaktionen, Frischproviant checken, Wetter hören ( RFI ), Müesli oder Salat zubereiten und essen. Nachmittags lesen, um 16UTC Funkverbindung mit der deutschen Segelyacht Galatea, die 2 Tage vor uns nach Brasilien startete, lesen, dösen, Nachtessen kochen und gegen 21 Uhr essen. Wir benützen für fast alles Meerwasser: duschen, abwaschen, Spaghetti-Wasser (ca. ½ Meerwasser). Doch die Zähne putzen wir nach wie vor mit Süsswasser. Seit Gomera, fast einem Monat, haben wir bloss einen halben Tank (ca. 120l) verbraucht."
Am Sonntag, den 17. März, tönt es so aus dem Logbuch: "Sonntägliche Arbeitstherapie (befriedigt in erster Linie den Therapeuten!) Die See ist angenehm friedlich, es ist warm, resp. heiss (im Salon gegen 30°C), sonntäglich sonnig, die Dusche mit dem fast 28°C warmen Wasser herrlich. Alles ist fast ideal, ausser dass der Wind etwas nachgelassen hat. Wir machen zwar noch gemütliche 4 bis 5 Knoten Fahrt, ich lerne portugiesisch (höre CD) und der Kapitän könnte doch nach seinem kurzen Mittagsschläfchen wirklich auch was Spannendes lesen! Aber nein! "Wir setzen den Blister!" Die Arbeit auf dem Vorschiff verrichtet alle er. Ich empfange für gegen eine Stunde Leinen, Befehle und bin standby...oder on duty. Das ist ja alles soweit i.O. Doch nach einer weiteren Stunde Blister-Vergnügen muss das ganze in einer Feuerwehraktion wieder abgebrotzt werden... und es wird dunkel. Eigentlich hätte ich gerne noch ein spannendes Buch gelesen!"
Der 18. März verläuft mit Aufregungen: "Eisenerzfrachter und Dorado XL. Um 4.30 morgens sehe ich im Radar, dass ein Schiff frontal auf Casimu zusteuert. Wir sind unter Passatbesegelung und kaum manöverierfähig. Bald sehe ich nun auch seine Lichter vor dem Bug. Die Peilung bleibt unverändert. Er ist noch 8sm (ca. 15km) voraus. Ich rufe ihn über Funk mit seiner Position auf. Er antwortet sofort. Auf meine Frage, ob er Casimu auf seinem Radar wahrnehmen könne, verneint er. Als er 3sm vor mir, immer noch frontal auf uns zufährt, rufe ich ihn erneut auf. Er sieht auch meine Lichter nicht! Er nimmt nun Gas zurück und korrigiert den Kurs nach Osten, wie versprochen. Wir passieren ihn etwa eine halbe Meile im Westen. Es folgt eine netter "chat": Eisenerzfrachter unter Bermudaflagge, bulgarisch-türkisch-indische Besatzung auf dem Weg von Brasilien nach Frankreich. Wie alt ist wohl sein Radargerät?! - Abends, ich will gerade vor dem Nachtessen noch ein wenig liegen, reisst es an der Angel. Ein grosser Fisch springt in einiger Entfernung vom Boot ein paar Male in die Luft. "Oh, der ist aber gross!" Nun beginnt für Röbbi die lange Konzentrationsaufgabe des Fisch-Einholens. Dieser zieht immer wieder gehörig an der Leine. Ueber 1,5 Stunden dauert der (ungleiche) Kampf bis der Fisch beim Boot ist. Es ist bereits dunkel. Riesig ist der, bestimmt über 1m lang!

Ein typischer Dorado oder Goldmakrele nach Willis Bild. (Willi ist unser Fischerprofi und -lehrer von Gomera.) Sobald Röbbi den über 10kg schweren Fang mit dem Haken an Bord hat, muss er für die Foto posieren. Immer wieder murmelt er: "Oh, der arme Fisch!" Weitere längere Arbeiten folgen: Dorado ausnehmen und putzen, Fisch und Schwanz weg und ab in die Küche zum Filettieren. Mm, ein hervorragender Fisch!"

Die Goldmakrele ist ein herrlicher Speisefisch auch zum Rohessen z.B. als Carpaccio, Ceviche oder gedünstet, gebraten. Wir essen auf jeden Fall 7mal von diesem einzigen Dorado. Er ist auch sehr schön in den verschiedenen schimmernden Gelb- und Blau-Farben. Beiden tut es uns jeweils leid, wenn wir einen Fisch töten müssen. Also so eingefleischte Fischer sind wir noch nicht.
Am 19. März, dem 8.Tag auf See, wird der Wind nochmals schwächer, wechselt von NE 2-3 auf SE 1-2 . Wir befinden uns kurz vor dem Aequator auf 1°15' nördlicher Breite und 28° westlicher Länge, in der Konvergenzzone oder den Kalmen resp. Doldrums. Der erste intensive tropische Regenguss bricht über uns herein. Welche Freude nach den trockenen Cap Verden. Wir stellen uns nackt in den Regen, und ich jauchze vor Freude.
Logbuch-Bemerkungen vom 20. März: " Auf der südlichen Hemisphäre finden wir den SE-Passat. Nachdem wir am Tag zuvor noch heftig dümpelten und schwitzten und schliesslich 1° vor dem Aequator den Motor für knapp 14 Stunden oder 66sm starteten, kamen wir heute in den Einflussbereich des südlichen Passates: anfangs nur eine leichte Brise aus SE, die am frühen Nachmittag wieder einschläft. Aber dann, rechtzeitig zum südlichen Herbstbeginn setzt der SE-Wind kräftiger ein und wir machen doch zeitweise bei gerefften Gross- und Genuasegel über 5kn Fahrt am Wind (bis Halbwind). Die Abendstimmungen mit den eindrucksvollen Wolken sind wunderschön. Unser Schiff ist nach dem heftigen Regenguss von gestern sauber."

Sonnenuntergang am Aequator

Die nächsten Tage sind von grau verhangenem Himmel, feuchter Hitze, immer wieder wechselnden Windstärken und heftigen Schauern geprägt. Wir haben beschlossen, direkt nach Salvador / Bahia zu segeln und vorher keine Stopps einzulegen. Wir möchten nämlich Denise und Jürg Zysset noch treffen, bevor sie am 29. März in die Schweiz zurückfliegen. Am Freitag, den 22. März steht: "Genug Kalmen. Röbbi steht am frühen Morgen im Oelzeug am Steuer. Es prasselt auf ihn runter und der Wind weht jetzt im Gewitter mit 20 Knoten. Nachher Flaute! Das ist zuviel! Wir starten den Motor für 2 Stunden: das tut unseren Batterien gut und die Segel brauchen nicht mehr zu schlagen. Ab Mittag haben wir wieder einen schönen SE-Passat und laufen 5kn oder mehr.- Abends nässt eine Welle den Salon. Das "Unterwegsbett" ist nass, alles ist feucht, wo man berührt! Die Luken müssen jetzt geschlossen bleiben. Ohne frische Zugluft in dieser Hitze im nassen Bett schlafen, grässlich. Beide schlafen wir schlecht und wenig."
Am 22./23. März gibt's doch dann ein Etmal (zurückgelegte Tagesdistanz) von 165sm oder ca. 300km, unser Rekord.
Am 24. März, dem 13.Tag an Bord, steht im Logbuch: "Schlechte Stimmung an Bord. Ein Vogel ruhte sich mehrere Stunden auf unserem zusammengelegten Bimini (Sonnenschutzsegel) in der Luv-Biegung aus. Weder Gewitter noch unsere Bewegungen und Laute scheinen ihn zu stören. Bei Dämmerung fliegt er davon. Ich schlafe schlecht, wenig Luft und heiss-feucht. Morgens bin ich nicht guter Laune. Die feuchte Hitze zermürbt mich und macht mich hässig. Ich habe es satt, bei soviel Krängung mich immer in der Pantry rumzustemmen. Ein Wort ergibt das andere, und Röbbi ist dann auch sauer.- Nachmittags ist herrlich klares Wetter, toller Wind und schöne Passatwölkchen am Horizont. Wir machen gute Fahrt. In 3 Tagen sollten wir in Salvador sein."
Bei der nächsten Nachtwache schreibe ich Röbbi ein kleines Briefchen ins Logbuch, da die Stimmung immer noch getrübt ist zwischen uns. "Lieber Röbbi, schade dass die Stimmung unter uns getrübt ist. Die Nacht ist so wunderschön, Casimu segelt fast lautlos und sanft, wenn auch nicht ganz auf dem richtigen Kurs und auch nicht so schnell... was solls?...."
Nun, die Stimmung wurde wieder gut an Bord und am 27. März, nach 15 Tagen und 11 Stunden laufen wir um Mitternacht in Salvador ein, noch rechtzeitig um Denise und Jürg zu treffen! Auf dem Log sind es genau 1'700sm, tatsächlich sind es 1'963sm oder 3'635km. 1'823sm haben wir unter Segeln zurückgelegt. Wir sind glücklich in dem gastfreundlichen Iate Clube de Bahia liegen und drei Tage alle Einrichtungen gratis benützen zu dürfen: das tolle 50m Schwimmbassin, die sanitären Einrichtungen, das Taxiboot, das uns von Casimu zum Clubhaus bringt. Ja, sogar die Schweizerflagge wird im Club aufgezogen. Wir sind ja auch die einzigen Gäste!

Iate Club de Bahia

Und mit Jürg und Denise verbringen wir ganz gemütliche Stunden in ihrem schönen Heim in Barra und in einem leckeren brasilianischen Restaurant. Sie geben uns als fast Brasilianer auch viele nützliche Tips. Danke vielmals, Denise und Jürg!
Ostern wird durch das Aussteigen meines Computers getrübt. Die Festplatte ist kaputt und längst nicht alles gesichert! Und der Ostermontag bringt eine schlimme Nachricht von zu Hause. Meine liebe Mutter, die am nächsten Tag, dem 2. April, 80jährig wird und mit dem Vater auf eine Reise wollte, ist schwer erkrankt. Ich bin sehr bedrückt und meine Gedanken sind blockiert. Ich werde nach Hause fliegen.

Salvador, den 2. April 2002 Heidi


 
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