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Am dritten Tag unserer 16tägigen Ueberfahrt
von den Cap Verden nach Brasilien notiere ich im Logbuch:
"Auf meiner zweiten Wache sehe ich es klar und deutlich,
das Kreuz des Südens, allerdings verschwindet es
bald wieder hinter den Wolken. Fast gegenüber, im
Norden, ist tief unten noch der Wagen zu sehen. Hoch am
Himmel, dominant in seiner vollen Grösse der Skorpion.
Jupiter ist in der ersten Nachthälfte stets direkt
über uns und Venus leuchtet als erster Stern in der
abendlichen Dämmerung hell im Westen." Das war
auf 12° nördlicher Breite. Casimu läuft
mit gerefften Segeln bei 6 bis 7 Windstärken aus
Nordost, dem klassischen Passatwind, mit gegen 6 Knoten
Fahrt. Wir reffen nachts in der Regel etwas ein, damit
wir den Schlafenden während den 3 Stunden Freiwache
nicht wecken müssen, um bei allenfalls zunehmenden
Winden die Segel verkleinern zu helfen. Das kostet uns
zwar etwas Geschwindigkeit, doch da der Wind nicht sehr
beständig ist, fühlen wir uns so sicherer. Ausreffen
können wir allemal ohne die Hilfe des anderen.
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Wie eine Oase liegt diese Fazenda in
der kargen Landschaft von Brava. Wasser wird von
den Bergen mittels Kanälen hergeleitet. Es
wachsen Bananen, Papayas, Mangos und vieles mehr.
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Am vierten Tag unserer Atlantiküberquerung notiere
ich im Logbuch: "Es wird warm und wärmer. Die
Wassertemperatur wird uns mit 26°C angezeigt, im Salon
ist es tagsüber 28°C. Das empfinden wir als angenehm,
ausser wir können kein Luk offen halten der Wellen
wegen. Wenn ich nach meinem zweiten Schläfchen so
gegen 10 Uhr erwache, gibt's eine Pützdusche, dann
muss z.B. noch die Leine des Ampairli aufgedreht werden.
Am Mittag gibt's Früchte mit Joghurt und Müesli..."
Also, eine Pützdusche läuft folgendermassen
ab: Hans setzt sich hinten auf die Halterung der Windsteuerung,
und ich sitze in der Rundung der Cockpitbank wie in einer
Sitzbadewanne. Er wirft nun den an einem Seil befestigten
Eimer ins Kielwasser und zieht ihn voll wieder hoch. Eine
Aktion, die bei 6 Knoten Fahrt schon recht viel Kraft
braucht. Nun nehme ich den vollen Eimer in Empfang, leere
ihn über mich, seife mich ein und spüle mit
zwei bis drei Eimern nach. Herrlich erfrischend! Nun kommt
Hans an die Reihe, doch der ärmste hat keinen Wasserträger,
er muss alleine schöpfen. Manchmal ist man doch als
schwächere Frau im Vorteil! - Und was das ist mit
unserem Ampairli? Wir brauchen ja an Bord Strom. Wenn
wir motoren, werden die Batterien automatisch wieder aufgeladen.
Doch auf längeren Ueberfahrten unter Segeln oder
an Ankerplätzen lassen wir den Motor nach Möglichkeit
nicht laufen. Wir haben vier Sonnenkollektoren auf dem
Deck montiert, die uns bei optimaler Einstrahlung etwa
8A liefern und dann eben noch den Ampairli, eine Kombination
von Wasser- und Windgenerator. Wenn wir segeln, ziehen
wir den Wasserpropeller an einer 30m langen Leine hinter
uns her, der uns bei guter Fahrt 4A liefert. Wenn nun
aber grössere Wellen von achterlich schieben, vertörnt
sich die Leine des Ampairli gerne, so dass Hans ihn etwa
reinholen muss, damit die ganz "verträdeleti"
Leine wieder aufgedreht und klariert werden kann. Am Ankerplatz
wird der Ampairli vom Amphibium zum Luftwesen umfunktioniert,
indem wir ihm seine Flügel implantieren und ihn über
dem Baum an zwei Fallen aufhängen und abspannen.
Und nun ist er zum Windgenerator mutiert. Mit diesen Stromquellen
können wir auch in den Tropen den Kühlschrank
und die elektronischen Instrumente betreiben.
Am fünften Tage, dem 16. März, steht im Logbuch:
"Bord-Routine. Die Wellen haben sich normalisiert
und ermöglichen uns einen angenehmeren und weniger
aufwendigen Alltag. Die Wachen halten wir wie folgt
ab: Ich von 22 bis 1 Uhr, Röbbi von 1 bis 4 Uhr,
ich von 4 bis 7 Uhr, Röbbi von 7 bis ca. 10 Uhr.
Tagsüber wie es gerade kommt. Nach 10 Uhr Borddusche,
kleinere Aufräum- oder Segelsetzaktionen, Frischproviant
checken, Wetter hören ( RFI ), Müesli oder
Salat zubereiten und essen. Nachmittags lesen, um 16UTC
Funkverbindung mit der deutschen Segelyacht Galatea,
die 2 Tage vor uns nach Brasilien startete, lesen, dösen,
Nachtessen kochen und gegen 21 Uhr essen. Wir benützen
für fast alles Meerwasser: duschen, abwaschen,
Spaghetti-Wasser (ca. ½ Meerwasser). Doch die
Zähne putzen wir nach wie vor mit Süsswasser.
Seit Gomera, fast einem Monat, haben wir bloss einen
halben Tank (ca. 120l) verbraucht."
Am Sonntag, den 17. März, tönt es so aus dem
Logbuch: "Sonntägliche Arbeitstherapie (befriedigt
in erster Linie den Therapeuten!) Die See ist angenehm
friedlich, es ist warm, resp. heiss (im Salon gegen 30°C),
sonntäglich sonnig, die Dusche mit dem fast 28°C
warmen Wasser herrlich. Alles ist fast ideal, ausser dass
der Wind etwas nachgelassen hat. Wir machen zwar noch
gemütliche 4 bis 5 Knoten Fahrt, ich lerne portugiesisch
(höre CD) und der Kapitän könnte doch nach
seinem kurzen Mittagsschläfchen wirklich auch was
Spannendes lesen! Aber nein! "Wir setzen den Blister!"
Die Arbeit auf dem Vorschiff verrichtet alle er. Ich empfange
für gegen eine Stunde Leinen, Befehle und bin standby...oder
on duty. Das ist ja alles soweit i.O. Doch nach einer
weiteren Stunde Blister-Vergnügen muss das ganze
in einer Feuerwehraktion wieder abgebrotzt werden... und
es wird dunkel. Eigentlich hätte ich gerne noch ein
spannendes Buch gelesen!"
Der 18. März verläuft mit Aufregungen: "Eisenerzfrachter
und Dorado XL. Um 4.30 morgens sehe ich im Radar, dass
ein Schiff frontal auf Casimu zusteuert. Wir sind unter
Passatbesegelung und kaum manöverierfähig. Bald
sehe ich nun auch seine Lichter vor dem Bug. Die Peilung
bleibt unverändert. Er ist noch 8sm (ca. 15km) voraus.
Ich rufe ihn über Funk mit seiner Position auf. Er
antwortet sofort. Auf meine Frage, ob er Casimu auf seinem
Radar wahrnehmen könne, verneint er. Als er 3sm vor
mir, immer noch frontal auf uns zufährt, rufe ich
ihn erneut auf. Er sieht auch meine Lichter nicht! Er
nimmt nun Gas zurück und korrigiert den Kurs nach
Osten, wie versprochen. Wir passieren ihn etwa eine halbe
Meile im Westen. Es folgt eine netter "chat":
Eisenerzfrachter unter Bermudaflagge, bulgarisch-türkisch-indische
Besatzung auf dem Weg von Brasilien nach Frankreich. Wie
alt ist wohl sein Radargerät?! - Abends, ich will
gerade vor dem Nachtessen noch ein wenig liegen, reisst
es an der Angel. Ein grosser Fisch springt in einiger
Entfernung vom Boot ein paar Male in die Luft. "Oh,
der ist aber gross!" Nun beginnt für Röbbi
die lange Konzentrationsaufgabe des Fisch-Einholens. Dieser
zieht immer wieder gehörig an der Leine. Ueber 1,5
Stunden dauert der (ungleiche) Kampf bis der Fisch beim
Boot ist. Es ist bereits dunkel. Riesig ist der, bestimmt
über 1m lang!
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Ein typischer Dorado oder Goldmakrele
nach Willis Bild. (Willi ist unser Fischerprofi und
-lehrer von Gomera.) Sobald Röbbi den über
10kg schweren Fang mit dem Haken an Bord hat, muss
er für die Foto posieren. Immer wieder murmelt
er: "Oh, der arme Fisch!" Weitere längere
Arbeiten folgen: Dorado ausnehmen und putzen, Fisch
und Schwanz weg und ab in die Küche zum Filettieren.
Mm, ein hervorragender Fisch!" |
Die Goldmakrele ist ein herrlicher Speisefisch
auch zum Rohessen z.B. als Carpaccio, Ceviche oder gedünstet,
gebraten. Wir essen auf jeden Fall 7mal von diesem einzigen
Dorado. Er ist auch sehr schön in den verschiedenen
schimmernden Gelb- und Blau-Farben. Beiden tut es uns
jeweils leid, wenn wir einen Fisch töten müssen.
Also so eingefleischte Fischer sind wir noch nicht.
Am 19. März, dem 8.Tag auf See, wird der Wind nochmals
schwächer, wechselt von NE 2-3 auf SE 1-2 . Wir befinden
uns kurz vor dem Aequator auf 1°15' nördlicher
Breite und 28° westlicher Länge, in der Konvergenzzone
oder den Kalmen resp. Doldrums. Der erste intensive tropische
Regenguss bricht über uns herein. Welche Freude nach
den trockenen Cap Verden. Wir stellen uns nackt in den
Regen, und ich jauchze vor Freude.
Logbuch-Bemerkungen vom 20. März: " Auf der
südlichen Hemisphäre finden wir den SE-Passat.
Nachdem wir am Tag zuvor noch heftig dümpelten und
schwitzten und schliesslich 1° vor dem Aequator den
Motor für knapp 14 Stunden oder 66sm starteten, kamen
wir heute in den Einflussbereich des südlichen Passates:
anfangs nur eine leichte Brise aus SE, die am frühen
Nachmittag wieder einschläft. Aber dann, rechtzeitig
zum südlichen Herbstbeginn setzt der SE-Wind kräftiger
ein und wir machen doch zeitweise bei gerefften Gross-
und Genuasegel über 5kn Fahrt am Wind (bis Halbwind).
Die Abendstimmungen mit den eindrucksvollen Wolken sind
wunderschön. Unser Schiff ist nach dem heftigen Regenguss
von gestern sauber."
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Sonnenuntergang am Aequator |
Die nächsten Tage sind von grau verhangenem
Himmel, feuchter Hitze, immer wieder wechselnden Windstärken
und heftigen Schauern geprägt. Wir haben beschlossen,
direkt nach Salvador / Bahia zu segeln und vorher keine
Stopps einzulegen. Wir möchten nämlich Denise
und Jürg Zysset noch treffen, bevor sie am 29.
März in die Schweiz zurückfliegen. Am Freitag,
den 22. März steht: "Genug Kalmen. Röbbi
steht am frühen Morgen im Oelzeug am Steuer. Es
prasselt auf ihn runter und der Wind weht jetzt im Gewitter
mit 20 Knoten. Nachher Flaute! Das ist zuviel! Wir starten
den Motor für 2 Stunden: das tut unseren Batterien
gut und die Segel brauchen nicht mehr zu schlagen. Ab
Mittag haben wir wieder einen schönen SE-Passat
und laufen 5kn oder mehr.- Abends nässt eine Welle
den Salon. Das "Unterwegsbett" ist nass, alles
ist feucht, wo man berührt! Die Luken müssen
jetzt geschlossen bleiben. Ohne frische Zugluft in dieser
Hitze im nassen Bett schlafen, grässlich. Beide
schlafen wir schlecht und wenig."
Am 22./23. März gibt's doch dann ein Etmal (zurückgelegte
Tagesdistanz) von 165sm oder ca. 300km, unser Rekord.
Am 24. März, dem 13.Tag an Bord, steht im Logbuch:
"Schlechte Stimmung an Bord. Ein Vogel ruhte sich
mehrere Stunden auf unserem zusammengelegten Bimini
(Sonnenschutzsegel) in der Luv-Biegung aus. Weder Gewitter
noch unsere Bewegungen und Laute scheinen ihn zu stören.
Bei Dämmerung fliegt er davon. Ich schlafe schlecht,
wenig Luft und heiss-feucht. Morgens bin ich nicht guter
Laune. Die feuchte Hitze zermürbt mich und macht
mich hässig. Ich habe es satt, bei soviel Krängung
mich immer in der Pantry rumzustemmen. Ein Wort ergibt
das andere, und Röbbi ist dann auch sauer.- Nachmittags
ist herrlich klares Wetter, toller Wind und schöne
Passatwölkchen am Horizont. Wir machen gute Fahrt.
In 3 Tagen sollten wir in Salvador sein."
Bei der nächsten Nachtwache schreibe ich Röbbi
ein kleines Briefchen ins Logbuch, da die Stimmung immer
noch getrübt ist zwischen uns. "Lieber Röbbi,
schade dass die Stimmung unter uns getrübt ist.
Die Nacht ist so wunderschön, Casimu segelt fast
lautlos und sanft, wenn auch nicht ganz auf dem richtigen
Kurs und auch nicht so schnell... was solls?...."
Nun, die Stimmung wurde wieder gut an Bord und am 27.
März, nach 15 Tagen und 11 Stunden laufen wir um
Mitternacht in Salvador ein, noch rechtzeitig um Denise
und Jürg zu treffen! Auf dem Log sind es genau
1'700sm, tatsächlich sind es 1'963sm oder 3'635km.
1'823sm haben wir unter Segeln zurückgelegt. Wir
sind glücklich in dem gastfreundlichen Iate Clube
de Bahia liegen und drei Tage alle Einrichtungen gratis
benützen zu dürfen: das tolle 50m Schwimmbassin,
die sanitären Einrichtungen, das Taxiboot, das
uns von Casimu zum Clubhaus bringt. Ja, sogar die Schweizerflagge
wird im Club aufgezogen. Wir sind ja auch die einzigen
Gäste!
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Iate Club de Bahia
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Und mit Jürg und Denise verbringen
wir ganz gemütliche Stunden in ihrem schönen
Heim in Barra und in einem leckeren brasilianischen Restaurant.
Sie geben uns als fast Brasilianer auch viele nützliche
Tips. Danke vielmals, Denise und Jürg!
Ostern wird durch das Aussteigen meines Computers getrübt.
Die Festplatte ist kaputt und längst nicht alles
gesichert! Und der Ostermontag bringt eine schlimme Nachricht
von zu Hause. Meine liebe Mutter, die am nächsten
Tag, dem 2. April, 80jährig wird und mit dem Vater
auf eine Reise wollte, ist schwer erkrankt. Ich bin sehr
bedrückt und meine Gedanken sind blockiert. Ich werde
nach Hause fliegen.
Salvador, den 2. April 2002 Heidi
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