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Nachdem an meinem Geburtstag das lang
erwartete Paket mit den Seekarten aus den USA in Gomera
doch noch ankam, stand unserer Abreise nichts mehr im
Weg. Am Abend durften wir bei einem Hochseefischer und
Meeresbiologen noch einen Minikurs für Fischen
auf See nehmen. Es war äusserst spannend und in
knapp drei Stunden waren wir in das Fressverhalten und
die Jagdgewohnheiten der Thunfische, Doraden u. a. eingeweiht,
unsere Fischausrüstung an Bord war begutachtet
und musste nur mit Kleinigkeiten ergänzt werden.
Die Fischrute, ein Geschenk der Mitarbeitenden von Hans,
wurde von unserem Experten besonders lobend gewürdigt.
Sie war jetzt mit zwei kleinen, glänzenden Plastikpolypen
bestückt, die sich dann scheinbar jagen hinter
unserer Jacht. Also, für die Bereicherung der Menukarte
war alles bereit! Am Dienstag, den 19. Februar, tätigten
wir noch die letzten Einkäufe, ich kochte einen
grossen Topf reichhaltige Gemüsesuppe vor und gegen
Nachmittag verabschiedeten uns andere Jachties mit Hornkonzert
aus dem letzten europäischen und zivilisierten
Hafen, den wir wohl für längere Zeit besucht
haben werden. Von nun an wird ankern in Buchten angesagt
sein. Doch vorerst die Ueberfahrt: Mit kräftigem
achterlichem Nordostwind fuhren wir vorerst der Südküste
von Gomera entlang. Wunderbar so ohne Wellen! Doch diese
liessen nicht lange auf sich warten. Kaum waren wir
aus der Abdeckung raus, liess der Wind etwas nach, dafür
schüttelten uns konfuse Seen durcheinander. Der
Logbucheintrag von 18 Uhr lautet: "NE - Wind 4,
See 3, Kartenkurs 206°, Segel: Genua, Fahrt durchs
Wasser: 4 Knoten, Log 24 sm, Position 27°52' N,
17°16,5'W. Ruppige und konfuse Wellen schütteln
Casimu wie einen Schüttelbecher. Alles klirrt und
ächzt am Schiff. Aeusserst unbekömmlich. Logbuchführerin
fällt vorübergehend aus." Und dann steht
an diesem Tag nichts mehr im Logbuch! Denn die Wellen
wurden noch grösser und der Wind eher schwächer.
Auf der Freiwache gelang es uns kaum zu schlafen, so
wurden wir rumgeschüttelt. Ich musste trotz Stugeron
erbrechen und mochte gar nicht an die Gemüsesuppe
im Topf denken. Gegen Morgen des 20. Feb. frischte der
Wind zum Glück wieder auf und am Nachmittag flogen
wir mit häufig über 30 Knoten Wind (7 Beauort)
mit gereffter Genua nur so dahin. Die Logbuchführerin
ist wieder "zwäg" und schreibt ins Logbuch:
"Die Wellen sind zum Teil beträchtlich. Wie
Neptuns Riesenpferde mit schäumenden Nüstern
und weiss flatternder Mähne jagen sie Casimu. Röbbi
(=Hans) ist etwas müde, machte er doch nachts länger
Wache als ich. Der Wassergenerator macht Strom. Wir
wechseln uns ab im warmen Schlafsack.- Und die Wetterprognose
sprach von schwachem Wind!" Der Starkwind hält
die nächsten zwei Tage an, wir haben stets 6 oder
7 Beaufort Wind, der erst gegen Abend des vierten Tages
auf 5 bis 6 abschwächt. Der Logbucheintrag vom
21. Feb.: "Die rassige Ueberfahrt ist strapaziös:
Mit gereffter Genua fliegen wir so dahin. Die Wellen
sind z.T. sehr hoch, doch heben sie Casimu am "Fudi"
stets hoch und er surft dann ein Stückchen auf
dem Wellenrücken mit. Im Schiff wird vieles zum
Balanceakt: z.B. kochendes Wasser in den Thermoskrug
giessen; da hält Röbbi mich, indem er verstellt,
und mit einer Hand den Krug. Ich halte mich einhändig
und versuche das Wasser durch den Trichter zu giessen.
Zum Glück hats noch Gemüsesuppe und Penne,
denn kochen wäre echt mühsam. Ich leide wieder
am gleichen Druck im Kopf wie schon auf den letzten
Ueberfahrten. Ich trinke nun bewusst mehr Wasser."
Am Freitag, den 22. Februar tönts wieder erbaulicher:
" Warme Sonne und eine riesige Schule von Delphinen.
Die Wellen werden etwas kleiner, die Bewegungen im Schiff
etwas geringer. Am Mittag umspielen für eine kurze
Zeit viele Delphine unser Schiff. Zur Schule gehören
wohl über hundert, wenn nicht sogar Hunderte von
Delphinen. Diese Begegnung verleiht dem Meer sofort
etwas Freundliches und Spielerisches. Nachmittags sitzen
wir das erste Mal längere Zeit an der warmen Sonne
im Cockpit. Meinem Kopf geht es etwas besser und ich
mag essen. Röbbi "schnätzlet" ganz
viel Gemüse. Zuerst gibt's heute abend Gemüsereis
und dann morgen Gemüsesuppe. Schöner Abend:
zunehmender Halbmond in Konjunktion mit Jupiter. Das
Wasser rings um Casimu funkelt vom vielen Plankton."
Am 5. Tag gegen Morgen schwächt der Wind ab. Logbuch:
" Schwachwind - erste Meerdusche - Blisters Stehschwierigkeiten.
Als hätte Aeolus alle seine Winde aufs Mal aus
seinem NE-Sack rausgelassen - so kam es mir die ersten
drei Tage vor. Und nun ist der Sack fast leer. Ein vereinzelter
Nachzüger vom hintersten Sackende weht noch bis
zu uns. Und am Mittag ist die Luft buchstäblich
raus. Noch ein feines kühlendes Häuchlein.
Kaum krieche ich gegen 11 Uhr aus dem Schlafsack ist
mein erster Gedanke: Sonne, warm, kaum Wind, das gibt
gleich eine erste Dusche seit Dienstag in La Gomera.
Mit den Eimern ist das Meerwasser zwar kühl (21°C)
aber herrlich! - Und dann müht sich Röbbi
mit dem Blister ab: ohne Spibaum - mit Spibaum- ohne
Spibaum geschiftet.... der will einfach bei diesem Schwachwind
nicht stehen. Nach ein paar Stunden "dahinflauten"
werfen wir vor dem Nachtessen den Motor an."
Am Sonntag, den 24. Feb, tönts ganz gemütlich:
"Sonntagsfährtchen. Da der Wind schwach bleibt,
motoren wir bis nach der mittäglichen Dusche und
Röbbis "Nuckli". Casimu ächzt und
quietscht und knattert und schaukelt nicht und so gibt's
auch unter Segel (Grosssegel und Blister) eine echt
gemütliche, ruhige Fahrt. Röbbi meint, es
sei wie auf dem Balkon an der Lerberstrasse. Er liest
"Fräulein Stark" von Thomas Hürlimann
- wenn er nicht gerade Segel wechselt! Ich lerne etwas
portugiesisch, lese "Magellan" von Stefan
Zweig und geniesse das langsame Tempo. Es ist mir total
egal, ob wir morgen oder erst übermorgen in Sal
ankommen. Es gibt nach dem mittäglichen "Müesli"
mit viel Früchten und Nüssen abends eine grosse
Potion Tomatensalat und feine "Gwschellti"
und verschiedene Käsesorten. Auf meiner Wache drücke
ich am Fishfinder rum und lösche den aktuellen
Waypount. O je! - Nein ich habe ihn nach 1,5 Stunden
wieder gefunden!" Am Montag, den 25. Feb.: "Aeolus
öffnet den Windsack wieder. Bis Mittag weht ein
angenehmer, mässiger Wind. Es reicht noch gerade
für eine Dusche, dann nimmt der Wind wieder zu.
Die Bewegungen von Casimu werden gröber. Am Abend
weht es mit gegen 7 Beaufort. Wir reffen die Genua und
lassen nur noch ein winziges Fetzchen stehen. Wir können
ja nicht bei Nacht ankommen und in Palmeira einfahren.
Zum Schlafen geht's kaum, da die Schiffsbewegungen zu
massiv sind. Es regnet leicht und die Nacht ist trotz
fast Vollmond dunkel." Am Dienstag, den 26. Feb.,
steht folgendes: "Casimu läuft auch ohne Segel
- vor Anker in Palmeira nach knapp 7 Tagen (6 Tage 18
Std.). Gegen Morgen hat der Windvon NW auf NNE gedreht,
ist aber eher noch stärker geworden. Ohne jegliches
Fetzchen Tuch läuft Casimu noch 4 Knoten fast vor
dem Wind. Aries steuert dabei zuverlässig. Wir
sehen die Lichter Palmeiras und schemenhaft die nördlichen
Hügel von Sal. Ohne Probleme laufen wir vor 8 Uhr
LT in die ruhige und von einigen Seglern belegte Bucht
von Palmeira." 711 Meilen zeigt das Log an, etwas
mehr als 750 Meilen waren es tatsächlich. Wellen
und Strömung haben auch einiges geholfen. Schiffe
haben wir in dieser Woche der Ueberfahrt kaum gesehen,
vielleicht zwei oder drei.
Nachdem wir einklariert und etwas Weniges eingekauft
haben, planen wir bereits unsere Weiterfahrt. Palmeira
ist wenig attraktiv, sehr armselig und Alkohol scheint
bei einigen Männern ein Problem. Ueberall lungern
sie rum, zwar gutmütig aber eben ohne jegliche
Beschäftigung!
Am nächsten Tag schon laufen wir bei schönem
Sonnenschein an die Südküste von Sal und kurz
vor der Einfahrt in die Bucht beisst ein Thunfisch an,
zwar noch recht klein, doch für ein Nachtessen
reichts gerade. Auf der Ueberfahrt nach Boavista, meiner
Lieblingsinsel, beisst dann bald wieder ein Thunfisch
an, diesmal schon grösser und ich kann vier grosse
Filets schneiden, jedes bestimmt gegen 300g. Also, nun
steht zweimal Fisch auf der Menukarte. Ich freue mich
schon auf die life Mornas in der Gartenlaube von Sal
Rei. Doch leider ist das Restaurant (vorübergehend)
geschlossen, da die Italienerin, die es führte,
vor etwa zwei Wochen mit der Kasse überfallen worden
sei. Welche Enttäuschung! Haben wir doch vor etwas
mehr als einem Jahr hier den 50. Geburtstag von Hans
gefeiert und die wunderschönen, melancholischen
Mornas genossen.
Aber nach wie vor liebe ich die Cap Verden, auch wenn
wir dieses Mal kürzer da sind. Unsere Aufenthalte
in Stichworten: Nach Sal Rei segeln wir an die Südküste
von Boavista und begegnen einem riesigen Wal, wissen
aber nicht, was für einer es ist. Er hat vorne
am Kopf wie riesige weisse Seitenflügel, die er
bewegt. Den riesigen Leib und die Fluke sehen wir nur
kuz mal. An der einsamen Südküste mit kilometerlangen
weissen Sandstränden und schwarzen Vulkangebirgen
im Hintergrund ankern wir für zwei Nächte.
Dann geht's nach Maio, wo wir als einzige Jacht zwar
sehr gut vor Anker liegen aber mit dem Landen einige
Probleme haben. In der Dünung ergreift eine Welle
unser Dingi und wirft es um, so dass wir mit Rucksack
und allem unter das Dingi geraten und pudelnass und
voll weisser feiner Sand ans Ufer krabbeln.
Auch in Maio, wie fast überall auf den Cap Verden:
Einfachheit, Fröhlichkeit, Genügsamkeit aber
auch Armut und Schmutz.
Die Hauptstadt Praia auf Santiago besuchen wir nur zum
Einkaufen, Ausklarieren und Haare schneiden. Auf dem
grossen Markt können wir viel Gemüse und Früchte
für die Ueberfahrt nach Brasilien einkaufen. Gemüse
und Früchte sind auf den andern Inseln nur sehr
beschränkt zu finden. Und schon gehts in einer
Nachtfahrt am hohen Fogo vorbei nach Brava, der letzen
Insel vor unserer Ueberfahrt. Im versunkenen Krater
von Furna ist ein angenehmer, kleiner Naturhafen entstanden,
wo wir mit Buganker und Heckleine zum kleinen Pier festmachen.
Wir marschieren zum hoch oben gelegenen Hauptort Nova
Sintra. Unterwegs hören wir klägliche Laute
eines Zickleins. Es liegt hoch oben in den Steinen und
Dornen und wir sehen undeutlich wie ein Rabe das Zicklein
picken will. Wir schreien und klatschen, um den Raben
wegzujagen. Nun machen wir uns an den dornigen Aufstieg
zum Zicklein. Es ist wohl eben geboren worden und aus
irgendeinem Grunde von der Mutter verlassen worden.
Wir legen es behutsam in einen Plastiksack, nachdem
wir ihm Wasser geben wollten, das es allerdings verschmähte.
Wir tragen es bis zur nächsten Hütte, wo eine
Familie mit vielen Tieren, auch Geissen, und ebenso
vielen Kindern wohnt. Sie nehmen das Zicklein gerne
und es steht auf und scheint unverletzt. Hoffentlich
konnten wir es vor dem sicheren Tod retten.
Furna, den 10. März 2002 Heidi
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