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Bericht vom 10-03-02
Auf nach den Cap Verden
 

Nachdem an meinem Geburtstag das lang erwartete Paket mit den Seekarten aus den USA in Gomera doch noch ankam, stand unserer Abreise nichts mehr im Weg. Am Abend durften wir bei einem Hochseefischer und Meeresbiologen noch einen Minikurs für Fischen auf See nehmen. Es war äusserst spannend und in knapp drei Stunden waren wir in das Fressverhalten und die Jagdgewohnheiten der Thunfische, Doraden u. a. eingeweiht, unsere Fischausrüstung an Bord war begutachtet und musste nur mit Kleinigkeiten ergänzt werden. Die Fischrute, ein Geschenk der Mitarbeitenden von Hans, wurde von unserem Experten besonders lobend gewürdigt. Sie war jetzt mit zwei kleinen, glänzenden Plastikpolypen bestückt, die sich dann scheinbar jagen hinter unserer Jacht. Also, für die Bereicherung der Menukarte war alles bereit! Am Dienstag, den 19. Februar, tätigten wir noch die letzten Einkäufe, ich kochte einen grossen Topf reichhaltige Gemüsesuppe vor und gegen Nachmittag verabschiedeten uns andere Jachties mit Hornkonzert aus dem letzten europäischen und zivilisierten Hafen, den wir wohl für längere Zeit besucht haben werden. Von nun an wird ankern in Buchten angesagt sein. Doch vorerst die Ueberfahrt: Mit kräftigem achterlichem Nordostwind fuhren wir vorerst der Südküste von Gomera entlang. Wunderbar so ohne Wellen! Doch diese liessen nicht lange auf sich warten. Kaum waren wir aus der Abdeckung raus, liess der Wind etwas nach, dafür schüttelten uns konfuse Seen durcheinander. Der Logbucheintrag von 18 Uhr lautet: "NE - Wind 4, See 3, Kartenkurs 206°, Segel: Genua, Fahrt durchs Wasser: 4 Knoten, Log 24 sm, Position 27°52' N, 17°16,5'W. Ruppige und konfuse Wellen schütteln Casimu wie einen Schüttelbecher. Alles klirrt und ächzt am Schiff. Aeusserst unbekömmlich. Logbuchführerin fällt vorübergehend aus." Und dann steht an diesem Tag nichts mehr im Logbuch! Denn die Wellen wurden noch grösser und der Wind eher schwächer. Auf der Freiwache gelang es uns kaum zu schlafen, so wurden wir rumgeschüttelt. Ich musste trotz Stugeron erbrechen und mochte gar nicht an die Gemüsesuppe im Topf denken. Gegen Morgen des 20. Feb. frischte der Wind zum Glück wieder auf und am Nachmittag flogen wir mit häufig über 30 Knoten Wind (7 Beauort) mit gereffter Genua nur so dahin. Die Logbuchführerin ist wieder "zwäg" und schreibt ins Logbuch: "Die Wellen sind zum Teil beträchtlich. Wie Neptuns Riesenpferde mit schäumenden Nüstern und weiss flatternder Mähne jagen sie Casimu. Röbbi (=Hans) ist etwas müde, machte er doch nachts länger Wache als ich. Der Wassergenerator macht Strom. Wir wechseln uns ab im warmen Schlafsack.- Und die Wetterprognose sprach von schwachem Wind!" Der Starkwind hält die nächsten zwei Tage an, wir haben stets 6 oder 7 Beaufort Wind, der erst gegen Abend des vierten Tages auf 5 bis 6 abschwächt. Der Logbucheintrag vom 21. Feb.: "Die rassige Ueberfahrt ist strapaziös: Mit gereffter Genua fliegen wir so dahin. Die Wellen sind z.T. sehr hoch, doch heben sie Casimu am "Fudi" stets hoch und er surft dann ein Stückchen auf dem Wellenrücken mit. Im Schiff wird vieles zum Balanceakt: z.B. kochendes Wasser in den Thermoskrug giessen; da hält Röbbi mich, indem er verstellt, und mit einer Hand den Krug. Ich halte mich einhändig und versuche das Wasser durch den Trichter zu giessen. Zum Glück hats noch Gemüsesuppe und Penne, denn kochen wäre echt mühsam. Ich leide wieder am gleichen Druck im Kopf wie schon auf den letzten Ueberfahrten. Ich trinke nun bewusst mehr Wasser." Am Freitag, den 22. Februar tönts wieder erbaulicher: " Warme Sonne und eine riesige Schule von Delphinen. Die Wellen werden etwas kleiner, die Bewegungen im Schiff etwas geringer. Am Mittag umspielen für eine kurze Zeit viele Delphine unser Schiff. Zur Schule gehören wohl über hundert, wenn nicht sogar Hunderte von Delphinen. Diese Begegnung verleiht dem Meer sofort etwas Freundliches und Spielerisches. Nachmittags sitzen wir das erste Mal längere Zeit an der warmen Sonne im Cockpit. Meinem Kopf geht es etwas besser und ich mag essen. Röbbi "schnätzlet" ganz viel Gemüse. Zuerst gibt's heute abend Gemüsereis und dann morgen Gemüsesuppe. Schöner Abend: zunehmender Halbmond in Konjunktion mit Jupiter. Das Wasser rings um Casimu funkelt vom vielen Plankton." Am 5. Tag gegen Morgen schwächt der Wind ab. Logbuch: " Schwachwind - erste Meerdusche - Blisters Stehschwierigkeiten. Als hätte Aeolus alle seine Winde aufs Mal aus seinem NE-Sack rausgelassen - so kam es mir die ersten drei Tage vor. Und nun ist der Sack fast leer. Ein vereinzelter Nachzüger vom hintersten Sackende weht noch bis zu uns. Und am Mittag ist die Luft buchstäblich raus. Noch ein feines kühlendes Häuchlein. Kaum krieche ich gegen 11 Uhr aus dem Schlafsack ist mein erster Gedanke: Sonne, warm, kaum Wind, das gibt gleich eine erste Dusche seit Dienstag in La Gomera. Mit den Eimern ist das Meerwasser zwar kühl (21°C) aber herrlich! - Und dann müht sich Röbbi mit dem Blister ab: ohne Spibaum - mit Spibaum- ohne Spibaum geschiftet.... der will einfach bei diesem Schwachwind nicht stehen. Nach ein paar Stunden "dahinflauten" werfen wir vor dem Nachtessen den Motor an."



Am Sonntag, den 24. Feb, tönts ganz gemütlich: "Sonntagsfährtchen. Da der Wind schwach bleibt, motoren wir bis nach der mittäglichen Dusche und Röbbis "Nuckli". Casimu ächzt und quietscht und knattert und schaukelt nicht und so gibt's auch unter Segel (Grosssegel und Blister) eine echt gemütliche, ruhige Fahrt. Röbbi meint, es sei wie auf dem Balkon an der Lerberstrasse. Er liest "Fräulein Stark" von Thomas Hürlimann - wenn er nicht gerade Segel wechselt! Ich lerne etwas portugiesisch, lese "Magellan" von Stefan Zweig und geniesse das langsame Tempo. Es ist mir total egal, ob wir morgen oder erst übermorgen in Sal ankommen. Es gibt nach dem mittäglichen "Müesli" mit viel Früchten und Nüssen abends eine grosse Potion Tomatensalat und feine "Gwschellti" und verschiedene Käsesorten. Auf meiner Wache drücke ich am Fishfinder rum und lösche den aktuellen Waypount. O je! - Nein ich habe ihn nach 1,5 Stunden wieder gefunden!" Am Montag, den 25. Feb.: "Aeolus öffnet den Windsack wieder. Bis Mittag weht ein angenehmer, mässiger Wind. Es reicht noch gerade für eine Dusche, dann nimmt der Wind wieder zu. Die Bewegungen von Casimu werden gröber. Am Abend weht es mit gegen 7 Beaufort. Wir reffen die Genua und lassen nur noch ein winziges Fetzchen stehen. Wir können ja nicht bei Nacht ankommen und in Palmeira einfahren. Zum Schlafen geht's kaum, da die Schiffsbewegungen zu massiv sind. Es regnet leicht und die Nacht ist trotz fast Vollmond dunkel." Am Dienstag, den 26. Feb., steht folgendes: "Casimu läuft auch ohne Segel - vor Anker in Palmeira nach knapp 7 Tagen (6 Tage 18 Std.). Gegen Morgen hat der Windvon NW auf NNE gedreht, ist aber eher noch stärker geworden. Ohne jegliches Fetzchen Tuch läuft Casimu noch 4 Knoten fast vor dem Wind. Aries steuert dabei zuverlässig. Wir sehen die Lichter Palmeiras und schemenhaft die nördlichen Hügel von Sal. Ohne Probleme laufen wir vor 8 Uhr LT in die ruhige und von einigen Seglern belegte Bucht von Palmeira." 711 Meilen zeigt das Log an, etwas mehr als 750 Meilen waren es tatsächlich. Wellen und Strömung haben auch einiges geholfen. Schiffe haben wir in dieser Woche der Ueberfahrt kaum gesehen, vielleicht zwei oder drei.



Nachdem wir einklariert und etwas Weniges eingekauft haben, planen wir bereits unsere Weiterfahrt. Palmeira ist wenig attraktiv, sehr armselig und Alkohol scheint bei einigen Männern ein Problem. Ueberall lungern sie rum, zwar gutmütig aber eben ohne jegliche Beschäftigung!



Am nächsten Tag schon laufen wir bei schönem Sonnenschein an die Südküste von Sal und kurz vor der Einfahrt in die Bucht beisst ein Thunfisch an, zwar noch recht klein, doch für ein Nachtessen reichts gerade. Auf der Ueberfahrt nach Boavista, meiner Lieblingsinsel, beisst dann bald wieder ein Thunfisch an, diesmal schon grösser und ich kann vier grosse Filets schneiden, jedes bestimmt gegen 300g. Also, nun steht zweimal Fisch auf der Menukarte. Ich freue mich schon auf die life Mornas in der Gartenlaube von Sal Rei. Doch leider ist das Restaurant (vorübergehend) geschlossen, da die Italienerin, die es führte, vor etwa zwei Wochen mit der Kasse überfallen worden sei. Welche Enttäuschung! Haben wir doch vor etwas mehr als einem Jahr hier den 50. Geburtstag von Hans gefeiert und die wunderschönen, melancholischen Mornas genossen.



Aber nach wie vor liebe ich die Cap Verden, auch wenn wir dieses Mal kürzer da sind. Unsere Aufenthalte in Stichworten: Nach Sal Rei segeln wir an die Südküste von Boavista und begegnen einem riesigen Wal, wissen aber nicht, was für einer es ist. Er hat vorne am Kopf wie riesige weisse Seitenflügel, die er bewegt. Den riesigen Leib und die Fluke sehen wir nur kuz mal. An der einsamen Südküste mit kilometerlangen weissen Sandstränden und schwarzen Vulkangebirgen im Hintergrund ankern wir für zwei Nächte. Dann geht's nach Maio, wo wir als einzige Jacht zwar sehr gut vor Anker liegen aber mit dem Landen einige Probleme haben. In der Dünung ergreift eine Welle unser Dingi und wirft es um, so dass wir mit Rucksack und allem unter das Dingi geraten und pudelnass und voll weisser feiner Sand ans Ufer krabbeln.



Auch in Maio, wie fast überall auf den Cap Verden: Einfachheit, Fröhlichkeit, Genügsamkeit aber auch Armut und Schmutz.



Die Hauptstadt Praia auf Santiago besuchen wir nur zum Einkaufen, Ausklarieren und Haare schneiden. Auf dem grossen Markt können wir viel Gemüse und Früchte für die Ueberfahrt nach Brasilien einkaufen. Gemüse und Früchte sind auf den andern Inseln nur sehr beschränkt zu finden. Und schon gehts in einer Nachtfahrt am hohen Fogo vorbei nach Brava, der letzen Insel vor unserer Ueberfahrt. Im versunkenen Krater von Furna ist ein angenehmer, kleiner Naturhafen entstanden, wo wir mit Buganker und Heckleine zum kleinen Pier festmachen. Wir marschieren zum hoch oben gelegenen Hauptort Nova Sintra. Unterwegs hören wir klägliche Laute eines Zickleins. Es liegt hoch oben in den Steinen und Dornen und wir sehen undeutlich wie ein Rabe das Zicklein picken will. Wir schreien und klatschen, um den Raben wegzujagen. Nun machen wir uns an den dornigen Aufstieg zum Zicklein. Es ist wohl eben geboren worden und aus irgendeinem Grunde von der Mutter verlassen worden. Wir legen es behutsam in einen Plastiksack, nachdem wir ihm Wasser geben wollten, das es allerdings verschmähte. Wir tragen es bis zur nächsten Hütte, wo eine Familie mit vielen Tieren, auch Geissen, und ebenso vielen Kindern wohnt. Sie nehmen das Zicklein gerne und es steht auf und scheint unverletzt. Hoffentlich konnten wir es vor dem sicheren Tod retten.






Furna, den 10. März 2002 Heidi

 
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