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Vielleicht denkst du unwillkürlich
an Massentourismus, wenn du von den kanarischen Inseln
hörst, denn Maspalomas und die Playa del Ingles
sind dir wahrscheinlich ein (evt. Schauer- erregender)
Begriff. Sicher, es gibt ihn, diesen Massentourismus,
der sich vor allem auf den beiden Inseln Gran Canaria
und Tenerife in schwindelerregender und geschmackloser
Bautätigkeit in Meernähe materialisiert. Ebenso
findest du meist deutsch angeschriebene Läden und
dem deutschen Geschmack angepasste Speisekarten. Du
bekommst also eine "Weisswurst" oder "Sauerkraut",
wenn du das möchtest. Nun haben aber auch diese
beiden Inseln neben ihren Stränden und enormen
Badeorten ein "inneres" Gesicht. Sowohl Gran
Canaria als auch Tenerife sind sehr gebirgig und vielseitig.
Fahrten oder Wanderungen über steile Gipfel und
durch fruchtbare Täler oder spektakulären
Felsküsten entlang sind faszinierend. Mit unseren
Eltern und unserer Freundin Christiane durchfuhren wir
im gemieteten Minibus das Gebirge und die zerklüfteten
Barrancos von Gran Canaria.
Bei unserem früheren Törn nach Brasilien haben
wir im Herbst 2000 vor allem die Inseln Lanzarote, La
Gomera und die nordwestlichste Insel La Palma ausgiebig
erkundet und erwandert. Sicher fühlst du dich als
Individual-Tourist schon viel besser auf Lanzarote oder
Fuerteventura. Auf Lanazarote, der schwarzen
Vulkaninsel, merkt man den Einfluss des berühmten
und engagierten Künstlers und Architekten Cesar
Manrique, der leider vor 10 Jahren bei einem Autounfall
ums Leben kam. Er brachte es fertig, dass nur zweistöckige
Häuser gebaut werden durften und der Stil der schmucken,
weissen Häuser der Insel und der schwarzen Lava
herrlich angepasst wurde. Leider sind nach seinem Tod
Ansätze da, diese Errungenschaften zu vergessen,
und es entstehen bedauerlicherweise auch etwa hohe und
geschmacklose Gebäude. Die vielen architektonischen
Sehenswürdigkeiten, die Manrique als Erbe hinterliess,
besuchten wir mit dem Mietauto. Sie lohnen sich auf
jeden Fall zu besichtigen: z.B. sein ehemaliges Wohnhaus,
unterirdisch in Lavablasen gebaut, oder der riesige
Konzertsaal (Cueva de los Verdes), der ebenfalls in
einer natürlichen unterirdischen Lavablase gestaltet
wurde. Unvergesslich ist auch die allerdings (obligatorisch)
geführte Cartour durch den Vulkan-Nationalpark
de Timanfaya, wo wir die einmalige Vulkanlandschaft
bestaunen konnten, die vor allem im 18. Jahrhundert
bei den immensen Ausbrüchen entstand. Natürlich,
hier überall bist du nicht der einzige Tourist,
doch es schien uns erträglich und gut organisiert.
Dieses Mal erkundeten wir vorallem die zu Lanzarote
gehörende nordöstlich vorgelagerte kleine
Insel La Graciosa, die noch kein Hotel "schmückt",
aber einen kleinen Hafen mit Anlegesteg und ein paar
Ferienbungalows hat. Ein echter Geheimtipp für
alle die Ruhe und Einsamkeit suchen oder für Verliebte!
Wir ankerten ganz allein in einer herrlichen Bucht mit
Sandstrand. Bei unserem abendlichen Spaziergang machten
wir die Bekanntschaft mit dem jüngeren, philosophischen
Einsiedler, der allein auf dem felsigen Vorsprung der
Bucht ein unterirdisches Zuhause ausgebaut hat und mit
enormer Hingabe viele Pflanzen rings um sein Gemäuer
hegt und pflegt, da er "el verde" so liebt.
Und der häufige Tau unterstützt ihn bei seinem
Vorhaben auf dem wüstenhaften Inselchen, wo Wasser
sehr rar ist. Die "senora" fehle ihm noch,
doch er meinte, halt im "otra vida" (im anderen
Leben) würde sie dann kommen. Ich wusste nicht,
wie ich das verstehen sollte, ob im "nächsten"
Leben oder im "Jenseits". Und irgendwie getraute
ich mich nicht danach zu fragen. So weiss ich heute
noch nicht, wie er es gemeint hat. Er sagte auch lachend,
weder das Land, das er bebaue, noch das Leben selbst
würden ihm gehören, ja es gehöre uns
sowieso nichts. Und er strahlte dabei übers ganze
Gesicht.
Eine Nacht lagen wir am etwas wackeligen kleinen Steg
im Hafen Puerto Naos von Arrecife. Die Hauptstadt Arrecife
ist eine lebendige, noch recht ursprünglich kanarisch
erscheinende Stadt mit vielen Einkaufsmöglichkeiten
und kaum auffallenden Touristen.
Fuerteventura kennen wir am wenigsten. Es ist
wie Lanzarote eher flach und eine hell- sandige Wüsteninsel.
Viele Küstenteile sind unbebaut und öde. Es
ist das El Dorado der Surfer. Doch leider entstanden
und entstehen auch hier Hotelkästen von enormem
Ausmass, neben (noch) leeren weissen Sandstränden.
La Palma ist eine interessante Insel für
Wanderer und Vulkan-Interessierte. Wir besuchten sie
im November 2000 per Fähre von Tenerife aus. Doch
da uns bei unserer Ankunft nach Mitternacht sowohl die
Menschen unfreundlich als auch die Insel nass empfingen,
war der erste Eindruck "verchachelet" und
liess sich trotz der eindrücklichen Vulkanwanderungen
und wilden Felsküsten nicht wieder ganz ins Euphorische
wenden. Zudem missfielen mir die unzähligen Bananenplastikfelder,
die die vulkanische Landschaft an den Küsten sehr
verunstalten. Auch habe ich nie soviel gefroren wie
auf dieser Insel! Also, du siehst, wie subjektiv diese
Eindrücke entstehen. Vielleicht wirst du begeistert
sein von La Palma, denn sie ist eine sehr eindrückliche,
bergige Insel.
Für mich die schönsten Inseln sind La Gomera
und El Hierro.
Unsere CASIMU liegt in der sehr angenehmen und sicheren
Marina von San Sebastian auf La Gomera.
Während Hans in die Schweiz musste,
fuhr ich mit der fast leeren Fähre der eindrücklichen
Südküste Gomeras entlang und dann nach La
Estaca, dem nördlichen Hafen von El Hierro, den
ich allerdings einem Segler, der seine Jacht für
Ausflüge allein lassen möchte, keinesfalls
empfehlen kann. El Hierro, bis Kolumbus Amerika
entdeckte das frühere Ende der Welt, ist wild und
sehr gebirgig. Früher verlief der Nullmeridian
durch die süd-westliche Ecke, die Punta de Orchilla,
wo heute noch der westlichste Leuchtturm von Europa
steht. Die abgelegene Lage von El Hierro und die fehlenden
Sandstränden ziehen nur wenige Touristen an, meist
Wanderer. Meine Semerfreundin Anna Tschannen und ihr
Mann Jürg haben dort vor einem Monat eine Ananas-Finca
gekauft.
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Ananas-Feld
von Anna und Jürg
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Das war für mich ein Grund, El Hierro
nochmals zu besuchen, von dem ich bisher nur den Süden
mit seinem "Hafen" La Restinga kannte, der
übrigens auch nur sehr beschränkt empfehlenswert
ist. Eine viel bessere Lösung für Segler scheint
mir, das Schiff in Gomera zu lassen und El Hierro mit
der Fähre zu besuchen.
Ich wurde von Anna und ihrer ganz jungen Schäferhündin
"Chica" empfangen. Chica wurd
e ihr ein paar Tage vor meiner Ankunft
von einem Herreno gebracht und sie übernahm das
herzige Waisenkind. Ein allerliebster Wollknäuel,
der noch voller Angst vor Hunden war und erbärmlich
weinen musste und sogar "in die Hose machte",
wenn sich einer ihr näherte und sie beschnuppern
wollte.
Die kurvenreiche Strasse brachte uns
nach der Hauptstadt Valverde hinauf, eher einem verschlafenen
Dorf ähnelnd als einer hektischen Stadt. Und dann
gings über die Anhöhen und später in
unzähligen Kurven steil nach dem "Golfo"
hinunter, einer riesigen halbmondförmigen Bucht
auf der andern Seite der Insel. Gegen das Meer wilde,
schwarze Lavaküste, hinten ein Rahmen von fast
1000m hohen Felswänden.
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El Golfo auf Hierro
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Diese grosse fruchtbare Bucht, ursprünglich
die Innenseite eines gewaltigen Vulkankraters, hat ein
mildes Klima, und hier in El Matorral liegt die Ananas-Finca
von Anna und Jürg, etwa 500m Lavagestein trennt
sie von der Küste. Da die Finca vorher Deutschen
mit ganz anderem Geschmack gehörte (Gartenzwerge
usw.), gibt es für die Beiden eine Menge umzubauen
und neu zu gestalten. Ich kann bestätigen, dass
der erste Schub schon einiges bewirkt hat hin zur Einfachheit
und natürlichen Anpassung an die Umgebung. Anna
und ich erkundeten die gebirgige und kurvenreiche Insel
mit Chica im Auto. Wir kamen kaum los von den wilden
schwarzen Küsten mit ab und zu einem "charco"
(Teich, "Glungge"), einem natürlichen
Felseinschnitt, der einem Bassin gleicht und in dem
bei ruhigem Meer gebadet werden kann. Mit einfachen
Mitteln wurde eine Treppe gebaut oder ein Mäuerchen
zum Sonnenbaden oder picknicken errichtet. Das Ganze
ist ein unbändiges und oft unberechenbares Schwimmbad.
Vielleicht kommt fast zehn Minuten keine wirklich grosse
Welle und dann plötzlich eine, die den ganzen Charco
überspült und in Unruhe bringt, was bei den
vielen Felsen nicht ungefährlich ist. Ob der Rettungsring,
der meist in einiger Entfernung hängt, da helfen
könnte? Ich glaube kaum. Die Spiele der Brecher
an die schwarzen Felsen mit ihren Toren und Höhlen
faszinierten uns immer wieder, und wir konnten uns kaum
satt sehen an dem weissen Schau(m)spiel mit den unzähligen
Wirbeln und Fontänen.
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Ein Charco
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Die vielseitige Landschaft erfuhr ich
auch auf zwei ausgedehnteren Bergtouren. Beide unternahm
ich vom Golftal aus, die Felswand hoch. Die erste führte
zum "Mirador de Jinama", einem steilen alten
Weg, über den alle vier Jahre die "Virgen
de los Reyes" (die Inselheilige) bei der Prozession
in einer Sänfte getragen wird; vier Tage dauert
die heilige Wanderung und wird von vielen Herrenos begleitet.
Was ich heraufstieg, war natürlich nur ein Teilstück
des Prozessionsweges. Allerdings traf ich auf den Platz,
der wie folgt angeschrieben war: "descansadero
de la virgen" (Ruheplatz der Junfgrau). Ob wirklich
die "Virgen" in der Sänfte ausruhen muss
oder doch eher ihre Träger und die vielen Begleitenden?
Der zum Teil mit Steinen gepflasterte Weg führte
durch den Nebelwald, eine Art Urwald mit Lorbeerbäumen,
grossen Farnen, Ericabäumen, vielen Flechten und
Moosen, die gut gedeihen, weil Nebel durch die an den
hohen Felswänden gestauten Passatwinde entsteht
und sehr viel Feuchtigkeit abgibt.
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Im Nebelwald
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Auf den Gipfel, den "Mirador de
Jinama", kann man von der anderen Seite her mit
dem Auto fahren. Ein vereinbarter Anruf mit dem Handy
und Anna und Chica kamen mich mit herrlichen Lachsbroten
abholen. Die Erkundungsfahrt ging nachmittags an den
nördlichsten Punkt der Insel, wo wir eine fantastisch
wilde Küste antrafen und im "charco"
ein Bad wagten.
Am folgenden Tag war das Wetter wieder herrlich klar,
keine Stauwolken an den hohen Felswänden und ich
marschierte nach dem Frühstück auf dem alten
Weg, den die Herrenos früher mit dem ganzen Hausrat
und dem Vieh jeweils im Herbst und im Frühling
begingen: im Herbst von den höher gelegenen rauhen
Orten in den milden Golf hinunter und im Frühling
wieder zurück auf die Alpweiden. Der steile felsige
Weg führt durch die fast senkrecht abfallende Felswand
mit interessanten Vulkanschichtungen und einem Farbenspiel
von vielen verschiedenen Braun- und Antrazittönen.
Obschon fast die gleiche Felswand wie am Vortag, allerdings
anders exponiert, ohne den Feuchtigkeit spendenden Nebel,
ist die Fauna und die Flora ganz verschieden: Kakteen
und andere Sukkulenten, ein paar Ziegen, Eidechsen und
Donnerkäfer. An einigen Stellen steht ein Kreuz
als Gedenkstätte für einen, der von den Steinen
erschlagen oder in die Tiefe gerissen wurde. Bei schlechtem
Wetter wird von der Wanderung dringend abgeraten, da
Steinschlag und Wasserfälle die Felswand sehr gefährlich
machen. An einer Stelle war ein Ueberbleibsel des letzten
Unwetters: der Weg war an einer sehr steilen Traverse
verschüttet, und ich getraute mich nach einem kurzen
Zögern durch das lose Geröll, da ich sonst
hätte umkehren müssen. So erreichte ich nach
2,5 Stunden Aufstieg die "Eremita Virgen de la
Pena" in schönstem Sonnenschein und genoss
in Ruhe den einmaligen Weitblick über den ganzen
Golf. Der Abstieg war bereits recht warm. Die wenigen
Ziegen, die beim Aufstieg vor mir geflohen waren, standen
jetzt auf einem überhängenden Felsen und eine
brüllte wie mir schien etwas verzweifelt. Ob die
wieder aus der Felswand herausfanden? Helfen konnte
ich dabei nicht! - Uebrigens, auf beiden Wanderungen
begegnete ich keinem Menschen!
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Wo sind die Ziegen?
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Abends genossen wir das feine Essen in
einem nahen italienischen Restaurant mit wirklich exzellenter
Küche und bezahlten mit Vorspeise, Hauptspeise,
Wein und Dessert wie schon das erste Mal zu zweit 24
Euro. Da lohnt es sich wirklich fast nicht, zu Hause
eine Pfanne zu verdrecken!
Also, El Hierro ist wirklich eine Reise wert! Neben
der überwältigenden Landschaft und Küste
hat es ein sehr angenehmes Klima und eben auch feine
preiswerte Restaurants! Und du kannst im kleinsten Hotel
(Guinessbuch der Rekorde) auf einem vom Meer umbrandeten
Felsen logieren, falls du nicht seekrank wirst!
Nun, ich bin wieder zurück in San Sebastian auf
La Gomera, wo die Wanderungen auch herrlich und
die vulkanischen Gebirge spektakulär sind. Allerdings
gibt es immer so viele Wege und keine genaue Karte oder
Wegweiser, so dass ich mich jedesmal verlaufe, schlussendlich
dann aber doch wieder zu einer "Guagua"-Haltestelle
(Bus-Haltestelle) finde und zurück auf CASIMU komme.
Die Häuser und Terrassenfelder scheinen mir hier
auf La Gomera überall besonders schmuck und gepflegt,
die Touristen sind vorallem Tagestouristen, die mit
der Schnellfähre von Los Cristianos auf Tenerife
in einer guten halben Stunde herüber sausen.
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Vallehermosa auf Gomera
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In der Marina sind viele Nationalitäten
anzutreffen: Deutsche, Franzosen, Engländer, Holländer,
Amerikaner und neben uns liegt ein kanadischer Katamaran.
Er will wie wir in wenigen Tagen auf die Cap Verden
segeln, andere starten in die Karibik und ein Grossteil
hat das Boot hier stationiert.
Falls du noch weiterlesen magst, habe ich noch zwei
Anekdoten angefügt, die mir auf La Gomera passierten.
Zwei wahre Anekdoten aus La Gomera:
Wer gewinnt? Oder.....rückwärts fahren
oh la la!
An einem prächtigen, klaren Tag machte ich
mich mit dem Guagua (Autobus) in den Norden von La Gomera
auf, um wandern zu gehen. Gegen Abend stieg ich anderswo
wieder in den Guagua, um nach San Sebastian zurückzukehren.
Nun, die Passstrassen sind zwar seit noch nicht so lange
asphaltiert, aber für den Bus oft sehr eng, so
dass er vorallem in den Kurven mehr als die Hälfte
der Strasse braucht. Das wird mit häufigem Hupen
entdramatisiert. Bald kamen wir zu einer Baustelle.
Die rechte Fahrbahn war gesperrt, und der Buschauffeur
fuhr links auf einen entgegenkommenden Personenwagen
zu. Beide hielten Schnauze an Schnauze an und die ältere
Fahrerin des glänzenden Privatautos, eine gepflegte
Gomerin, deutete dem Buschauffeur heftig und wie es
schien erzürnt, er solle rückwärts fahren
und sie passieren lassen. Unser Chauffeur zeigte ihr
mit klaren Handbewegungen, dass sie rückwärts
fahren solle, er habe Vorfahrt. Sie hätte bloss
ca. 15 - 20 m zurück gemusst und schon wäre
eine breite Ausweichstelle erreicht und das Problem
gelöst gewesen. Dies schien dem Chauffeur und uns
auf den vordersten Sitzen eigentlich die einfachste
Möglichkeit. Doch nicht so der eleganten Dame.
Sie begann die Hände zu verrühren, auf ihren
zittrigen Mitfahrer einzureden und deutete dem Chauffeur
sehr bestimmt, dass er zurückfahren müsse.
Das ganze dauerte eine gute Weile hin und her. Endlich
verschränkte sie die Arme und überschüttete
ihren Mitfahrer weiter mit Redeschwällen. Dieser
sass da wie ein Häufchen Elend und schien keine
Meinung zu haben. Doch auch er wartete anscheinend,
dass der Chauffeur nachgeben würde. Doch der blieb
ruhig und tat keinen Wank, als ihr zu deuten, sie hätte
ihren Wagen zu bewegen. Im Bus waren nun alle auf den
kleinen Machtkampf aufmerksam geworden und mit einem
gewissen Amusement verfolgte man die Weiterentwicklung.
Hinter uns stauten sich drei oder vier Autos. Nach einer
gewissen Weile stieg der zittrige Mitfahrer der Dame
aus und begab sich weg vom Wagen. Was war denn jetzt
nur los? Sie schien weiter zu schimpfen und nach etlichem
Hände verwerfen schaltete sie. Doch es schien nicht
einfach, den Rückwärtsgang zu finden. Sie
hebelte eine ziemliche Weile und plötzlich nahm
ihr Auto einen Flug nach vorne. Wieder versuchte sie
den Chauffeur zu bewegen auszuweichen. Ohne Erfolg!
Nach weiterem Schalten und Suchen schien nun der Retourgang
gefunden und ruckweise bewegte sich der Wagen nach rückwärts.
Doch o weh! Mal gabs einen Ruck ganz nach rechts, dass
sie fast die Abschrankung streifte, dann nach zünftigem
Drehen des Steuerrades nochmals ein Ruck nach rechts.
Bis der nächste Flug dann nach links erfolgte,
dauerte es etwas, denn zwischen durch starb der Motor
ab, sie verwarf die Hände und schien zu schimpfen.
Im Bus konnten wir Passagiere uns vor Lachen kaum mehr
halten. So laut und ungezwungen habe ich noch nie einen
vollen Bus lachen hören! Das war wirklich allzu
komisch! Ich wusste jetzt auch, wieso sie sich so vehement
gegen das Rückwärtsfahren gewehrt hatte! Ob
das der erste Versuch war?! Ebenso leuchtete ein, dass
ihr alter Mitfahrer weit weg vom Auto stand, denn diese
Uebung war wirklich lebensgefährlich. - Nun das
ganze nahm ein gutes Ende: Unser Busfahrer stieg ruhig
aber bestimmt aus, erbarmte sich der hilfosen Dame,
die Hände ringend den Führersitz räumte
und unserem Fahrer anscheinend ganz gerne das Steuerrad
überliess. Er fuhr nun den ganz schräg in
der Fahrbahn stehenden Wagen etwa 20m rückwärts
und schon war das Problem gelöst. Die Dame, nun
ohne Wagen auf der Strasse stehend, gestikulierte und
redete ununterbrochen und schien sich überhaupt
nicht zu schämen -oder diente das ganze Theater,
das sie veranstaltete, dazu, das Gesicht nicht zu verlieren?
Aus dem Bus guckten doch sicher zwanzig amüsierte
Augenpaare.
Wir kamen ohne weitere Probleme pünktlich(!) nach
San Sebastian. Für die Dame hoffe ich, dass sie
keinem weiteren Dickschädel begegnet, der darauf
beharrt, dass sie ihre Rückwärtsfahrkünste
beweisen soll!
Der grosse Fang im Hafenbecken
Eines Abends kam ich nach dem Nachtessen um zirka
22 Uhr in die Marina zurück. Beim Runtersteigen
des Tidensteges sah ich unten auf dem Quai zwei Frauen
und einen Mann mit einer riesigen, offenen Kühlbox
stehen. Ein weiterer Mann war neben dem Steg im Hafenwasser
und tauchte ab. Da ich kaum neben ihnen durchkam, blieb
ich stehen, um zu sehen, was denn da los war. Alle paar
Sekunden hob der Taucher einen schönen grossen
orangen Barsch (oder eine Brasse?) hoch und eine Frau
senkte das Fischernetz, um ihn einzuholen und in die
Box zu werfen. Ich schaute dem Schauspiel ein paar Minuten
zu: wirklich, der Mann im Hafenbecken tauchte Kopf voran
ab, der andere Mann zündete mit einer starken Lampe
ins Wasser (das Hafenwasser in San Sebastian ist ziemlich
sauber und recht klar), und keine halbe Minute später
tauchte der Fischer auf, mit einem oder sogar zwei Barschen
in den blossen Händen. Ich staunte nicht schlecht:
So leicht lassen sich da die feinsten Fische fangen?
Und auf so kleinem Raum! Doch etwas komisch kam mir
das Ganze schon vor: hier im untieferen Teil des Hafens
sah ich bisher nur graue Fische und viel kleinere. Ich
konnte mir das ganze schlecht erklären. Ob diese
schönen, leckeren Zwei-Portionen-Fische, zwischen
den Steinen und Felsbrocken schlafen und nachts ohne
Probleme mit blossen Händen dutzendweise in kurzer
Zeit "eingesammelt" werden können?! Irgend
etwas schien nicht ganz regulär, denn die vier
Leute hatten es sehr eilig, redeten viel auf spanisch
auf einander los, aber es kam mir eher etwas gedämpft
vor. Ob das, was sie taten, gar nicht gestattet war?
- Nun, als die Kühlbox schon fast voll war, und
die Ernte geringer wurde, erlaubte ich mir, die eine
Dame in gebrochenem Spanisch erstaunt nach dem Fischreichtum
zu fragen. Sie erklärte mir..... Ja, was meinst
du wohl, woher die vielen Fische kamen? -- Also, ich
verrate es dir, wenn du es nicht schon selbst herausgefunden
hast: Als sie vom Fischen mit ihrem Boot zurückkamen
und die Box voller schöner Barsche oder eben Brassen*
den Steg hoch tragen wollten, kippte die schwere Box
und alle (bereits toten) Fische leerten aus und verschwanden
im Hafenbecken. Das war des wunderbaren Rätsels
Lösung.- Als ich mich von ihnen entfernte, hörte
ich sie bald darauf herzlich und laut lachen. Waren
sie wohl glücklich darüber, dass sie die Fische
wieder hatten? Ich glaube kaum. Sie lachten wohl über
die naive Ausländerin, die meinte, man könne
diese Brassen einfach im Hafenbecken einsammeln! So
hatte nicht nur ich an ihnen, sondern auch sie an mir
einigen Spass. Und wie ich dir die Geschichte weiter
gebe, werden sie vielleicht auch ihren Freunden das
Erlebnis mit der komischen Fremden lachend erzählen,
die meinte, Fische ernte man wie Mais!
(*Nachdem ich im Fischlexikon nachgeschaut habe, waren
es doch wohl Brassen!)
San Sebastian, 30. Januar 2002 Heidi Brenner
Ein literarischer Tip:
Im Augenblick lese ich einen hervorragenden Roman, der
auf Lanzarote spielt, von dem kanarischen Schriftsteller
Rafael Arozarena: "Mararia", BLT Verlag Band
92047
Ein Tip für Segler:
Kennst du den amerikanischen Kartenverlag "Bellingham
Chart Printers", einer Abteilung von Tides End
Ltd. Hervorragende billige schwarz-weiss-Detailserien-Karten
oder auch elektronische charts von der ganzen Welt!
www.tidesend.com e-mail: sales@tidesend.com
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