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30-01-02
Die vielen Gesichter der Kanarischen Inseln

 

Vielleicht denkst du unwillkürlich an Massentourismus, wenn du von den kanarischen Inseln hörst, denn Maspalomas und die Playa del Ingles sind dir wahrscheinlich ein (evt. Schauer- erregender) Begriff. Sicher, es gibt ihn, diesen Massentourismus, der sich vor allem auf den beiden Inseln Gran Canaria und Tenerife in schwindelerregender und geschmackloser Bautätigkeit in Meernähe materialisiert. Ebenso findest du meist deutsch angeschriebene Läden und dem deutschen Geschmack angepasste Speisekarten. Du bekommst also eine "Weisswurst" oder "Sauerkraut", wenn du das möchtest. Nun haben aber auch diese beiden Inseln neben ihren Stränden und enormen Badeorten ein "inneres" Gesicht. Sowohl Gran Canaria als auch Tenerife sind sehr gebirgig und vielseitig. Fahrten oder Wanderungen über steile Gipfel und durch fruchtbare Täler oder spektakulären Felsküsten entlang sind faszinierend. Mit unseren Eltern und unserer Freundin Christiane durchfuhren wir im gemieteten Minibus das Gebirge und die zerklüfteten Barrancos von Gran Canaria.
Bei unserem früheren Törn nach Brasilien haben wir im Herbst 2000 vor allem die Inseln Lanzarote, La Gomera und die nordwestlichste Insel La Palma ausgiebig erkundet und erwandert. Sicher fühlst du dich als Individual-Tourist schon viel besser auf Lanzarote oder Fuerteventura. Auf Lanazarote, der schwarzen Vulkaninsel, merkt man den Einfluss des berühmten und engagierten Künstlers und Architekten Cesar Manrique, der leider vor 10 Jahren bei einem Autounfall ums Leben kam. Er brachte es fertig, dass nur zweistöckige Häuser gebaut werden durften und der Stil der schmucken, weissen Häuser der Insel und der schwarzen Lava herrlich angepasst wurde. Leider sind nach seinem Tod Ansätze da, diese Errungenschaften zu vergessen, und es entstehen bedauerlicherweise auch etwa hohe und geschmacklose Gebäude. Die vielen architektonischen Sehenswürdigkeiten, die Manrique als Erbe hinterliess, besuchten wir mit dem Mietauto. Sie lohnen sich auf jeden Fall zu besichtigen: z.B. sein ehemaliges Wohnhaus, unterirdisch in Lavablasen gebaut, oder der riesige Konzertsaal (Cueva de los Verdes), der ebenfalls in einer natürlichen unterirdischen Lavablase gestaltet wurde. Unvergesslich ist auch die allerdings (obligatorisch) geführte Cartour durch den Vulkan-Nationalpark de Timanfaya, wo wir die einmalige Vulkanlandschaft bestaunen konnten, die vor allem im 18. Jahrhundert bei den immensen Ausbrüchen entstand. Natürlich, hier überall bist du nicht der einzige Tourist, doch es schien uns erträglich und gut organisiert.
Dieses Mal erkundeten wir vorallem die zu Lanzarote gehörende nordöstlich vorgelagerte kleine Insel La Graciosa, die noch kein Hotel "schmückt", aber einen kleinen Hafen mit Anlegesteg und ein paar Ferienbungalows hat. Ein echter Geheimtipp für alle die Ruhe und Einsamkeit suchen oder für Verliebte! Wir ankerten ganz allein in einer herrlichen Bucht mit Sandstrand. Bei unserem abendlichen Spaziergang machten wir die Bekanntschaft mit dem jüngeren, philosophischen Einsiedler, der allein auf dem felsigen Vorsprung der Bucht ein unterirdisches Zuhause ausgebaut hat und mit enormer Hingabe viele Pflanzen rings um sein Gemäuer hegt und pflegt, da er "el verde" so liebt. Und der häufige Tau unterstützt ihn bei seinem Vorhaben auf dem wüstenhaften Inselchen, wo Wasser sehr rar ist. Die "senora" fehle ihm noch, doch er meinte, halt im "otra vida" (im anderen Leben) würde sie dann kommen. Ich wusste nicht, wie ich das verstehen sollte, ob im "nächsten" Leben oder im "Jenseits". Und irgendwie getraute ich mich nicht danach zu fragen. So weiss ich heute noch nicht, wie er es gemeint hat. Er sagte auch lachend, weder das Land, das er bebaue, noch das Leben selbst würden ihm gehören, ja es gehöre uns sowieso nichts. Und er strahlte dabei übers ganze Gesicht.
Eine Nacht lagen wir am etwas wackeligen kleinen Steg im Hafen Puerto Naos von Arrecife. Die Hauptstadt Arrecife ist eine lebendige, noch recht ursprünglich kanarisch erscheinende Stadt mit vielen Einkaufsmöglichkeiten und kaum auffallenden Touristen.
Fuerteventura kennen wir am wenigsten. Es ist wie Lanzarote eher flach und eine hell- sandige Wüsteninsel. Viele Küstenteile sind unbebaut und öde. Es ist das El Dorado der Surfer. Doch leider entstanden und entstehen auch hier Hotelkästen von enormem Ausmass, neben (noch) leeren weissen Sandstränden.
La Palma ist eine interessante Insel für Wanderer und Vulkan-Interessierte. Wir besuchten sie im November 2000 per Fähre von Tenerife aus. Doch da uns bei unserer Ankunft nach Mitternacht sowohl die Menschen unfreundlich als auch die Insel nass empfingen, war der erste Eindruck "verchachelet" und liess sich trotz der eindrücklichen Vulkanwanderungen und wilden Felsküsten nicht wieder ganz ins Euphorische wenden. Zudem missfielen mir die unzähligen Bananenplastikfelder, die die vulkanische Landschaft an den Küsten sehr verunstalten. Auch habe ich nie soviel gefroren wie auf dieser Insel! Also, du siehst, wie subjektiv diese Eindrücke entstehen. Vielleicht wirst du begeistert sein von La Palma, denn sie ist eine sehr eindrückliche, bergige Insel.
Für mich die schönsten Inseln sind La Gomera und El Hierro.
Unsere CASIMU liegt in der sehr angenehmen und sicheren Marina von San Sebastian auf La Gomera.

San Sebastian
de Gomera

Während Hans in die Schweiz musste, fuhr ich mit der fast leeren Fähre der eindrücklichen Südküste Gomeras entlang und dann nach La Estaca, dem nördlichen Hafen von El Hierro, den ich allerdings einem Segler, der seine Jacht für Ausflüge allein lassen möchte, keinesfalls empfehlen kann. El Hierro, bis Kolumbus Amerika entdeckte das frühere Ende der Welt, ist wild und sehr gebirgig. Früher verlief der Nullmeridian durch die süd-westliche Ecke, die Punta de Orchilla, wo heute noch der westlichste Leuchtturm von Europa steht. Die abgelegene Lage von El Hierro und die fehlenden Sandstränden ziehen nur wenige Touristen an, meist Wanderer. Meine Semerfreundin Anna Tschannen und ihr Mann Jürg haben dort vor einem Monat eine Ananas-Finca gekauft.

Ananas-Feld
von Anna und Jürg

Das war für mich ein Grund, El Hierro nochmals zu besuchen, von dem ich bisher nur den Süden mit seinem "Hafen" La Restinga kannte, der übrigens auch nur sehr beschränkt empfehlenswert ist. Eine viel bessere Lösung für Segler scheint mir, das Schiff in Gomera zu lassen und El Hierro mit der Fähre zu besuchen.
Ich wurde von Anna und ihrer ganz jungen Schäferhündin "Chica" empfangen. Chica wurd

e ihr ein paar Tage vor meiner Ankunft von einem Herreno gebracht und sie übernahm das herzige Waisenkind. Ein allerliebster Wollknäuel, der noch voller Angst vor Hunden war und erbärmlich weinen musste und sogar "in die Hose machte", wenn sich einer ihr näherte und sie beschnuppern wollte.

Anna und ihr Baby
Chica

Die kurvenreiche Strasse brachte uns nach der Hauptstadt Valverde hinauf, eher einem verschlafenen Dorf ähnelnd als einer hektischen Stadt. Und dann gings über die Anhöhen und später in unzähligen Kurven steil nach dem "Golfo" hinunter, einer riesigen halbmondförmigen Bucht auf der andern Seite der Insel. Gegen das Meer wilde, schwarze Lavaküste, hinten ein Rahmen von fast 1000m hohen Felswänden.

El Golfo auf Hierro

Diese grosse fruchtbare Bucht, ursprünglich die Innenseite eines gewaltigen Vulkankraters, hat ein mildes Klima, und hier in El Matorral liegt die Ananas-Finca von Anna und Jürg, etwa 500m Lavagestein trennt sie von der Küste. Da die Finca vorher Deutschen mit ganz anderem Geschmack gehörte (Gartenzwerge usw.), gibt es für die Beiden eine Menge umzubauen und neu zu gestalten. Ich kann bestätigen, dass der erste Schub schon einiges bewirkt hat hin zur Einfachheit und natürlichen Anpassung an die Umgebung. Anna und ich erkundeten die gebirgige und kurvenreiche Insel mit Chica im Auto. Wir kamen kaum los von den wilden schwarzen Küsten mit ab und zu einem "charco" (Teich, "Glungge"), einem natürlichen Felseinschnitt, der einem Bassin gleicht und in dem bei ruhigem Meer gebadet werden kann. Mit einfachen Mitteln wurde eine Treppe gebaut oder ein Mäuerchen zum Sonnenbaden oder picknicken errichtet. Das Ganze ist ein unbändiges und oft unberechenbares Schwimmbad. Vielleicht kommt fast zehn Minuten keine wirklich grosse Welle und dann plötzlich eine, die den ganzen Charco überspült und in Unruhe bringt, was bei den vielen Felsen nicht ungefährlich ist. Ob der Rettungsring, der meist in einiger Entfernung hängt, da helfen könnte? Ich glaube kaum. Die Spiele der Brecher an die schwarzen Felsen mit ihren Toren und Höhlen faszinierten uns immer wieder, und wir konnten uns kaum satt sehen an dem weissen Schau(m)spiel mit den unzähligen Wirbeln und Fontänen.

Ein Charco

Die vielseitige Landschaft erfuhr ich auch auf zwei ausgedehnteren Bergtouren. Beide unternahm ich vom Golftal aus, die Felswand hoch. Die erste führte zum "Mirador de Jinama", einem steilen alten Weg, über den alle vier Jahre die "Virgen de los Reyes" (die Inselheilige) bei der Prozession in einer Sänfte getragen wird; vier Tage dauert die heilige Wanderung und wird von vielen Herrenos begleitet. Was ich heraufstieg, war natürlich nur ein Teilstück des Prozessionsweges. Allerdings traf ich auf den Platz, der wie folgt angeschrieben war: "descansadero de la virgen" (Ruheplatz der Junfgrau). Ob wirklich die "Virgen" in der Sänfte ausruhen muss oder doch eher ihre Träger und die vielen Begleitenden? Der zum Teil mit Steinen gepflasterte Weg führte durch den Nebelwald, eine Art Urwald mit Lorbeerbäumen, grossen Farnen, Ericabäumen, vielen Flechten und Moosen, die gut gedeihen, weil Nebel durch die an den hohen Felswänden gestauten Passatwinde entsteht und sehr viel Feuchtigkeit abgibt.

Im Nebelwald

Auf den Gipfel, den "Mirador de Jinama", kann man von der anderen Seite her mit dem Auto fahren. Ein vereinbarter Anruf mit dem Handy und Anna und Chica kamen mich mit herrlichen Lachsbroten abholen. Die Erkundungsfahrt ging nachmittags an den nördlichsten Punkt der Insel, wo wir eine fantastisch wilde Küste antrafen und im "charco" ein Bad wagten.
Am folgenden Tag war das Wetter wieder herrlich klar, keine Stauwolken an den hohen Felswänden und ich marschierte nach dem Frühstück auf dem alten Weg, den die Herrenos früher mit dem ganzen Hausrat und dem Vieh jeweils im Herbst und im Frühling begingen: im Herbst von den höher gelegenen rauhen Orten in den milden Golf hinunter und im Frühling wieder zurück auf die Alpweiden. Der steile felsige Weg führt durch die fast senkrecht abfallende Felswand mit interessanten Vulkanschichtungen und einem Farbenspiel von vielen verschiedenen Braun- und Antrazittönen. Obschon fast die gleiche Felswand wie am Vortag, allerdings anders exponiert, ohne den Feuchtigkeit spendenden Nebel, ist die Fauna und die Flora ganz verschieden: Kakteen und andere Sukkulenten, ein paar Ziegen, Eidechsen und Donnerkäfer. An einigen Stellen steht ein Kreuz als Gedenkstätte für einen, der von den Steinen erschlagen oder in die Tiefe gerissen wurde. Bei schlechtem Wetter wird von der Wanderung dringend abgeraten, da Steinschlag und Wasserfälle die Felswand sehr gefährlich machen. An einer Stelle war ein Ueberbleibsel des letzten Unwetters: der Weg war an einer sehr steilen Traverse verschüttet, und ich getraute mich nach einem kurzen Zögern durch das lose Geröll, da ich sonst hätte umkehren müssen. So erreichte ich nach 2,5 Stunden Aufstieg die "Eremita Virgen de la Pena" in schönstem Sonnenschein und genoss in Ruhe den einmaligen Weitblick über den ganzen Golf. Der Abstieg war bereits recht warm. Die wenigen Ziegen, die beim Aufstieg vor mir geflohen waren, standen jetzt auf einem überhängenden Felsen und eine brüllte wie mir schien etwas verzweifelt. Ob die wieder aus der Felswand herausfanden? Helfen konnte ich dabei nicht! - Uebrigens, auf beiden Wanderungen begegnete ich keinem Menschen!

Wo sind die Ziegen?

Abends genossen wir das feine Essen in einem nahen italienischen Restaurant mit wirklich exzellenter Küche und bezahlten mit Vorspeise, Hauptspeise, Wein und Dessert wie schon das erste Mal zu zweit 24 Euro. Da lohnt es sich wirklich fast nicht, zu Hause eine Pfanne zu verdrecken!
Also, El Hierro ist wirklich eine Reise wert! Neben der überwältigenden Landschaft und Küste hat es ein sehr angenehmes Klima und eben auch feine preiswerte Restaurants! Und du kannst im kleinsten Hotel (Guinessbuch der Rekorde) auf einem vom Meer umbrandeten Felsen logieren, falls du nicht seekrank wirst!

Nun, ich bin wieder zurück in San Sebastian auf La Gomera, wo die Wanderungen auch herrlich und die vulkanischen Gebirge spektakulär sind. Allerdings gibt es immer so viele Wege und keine genaue Karte oder Wegweiser, so dass ich mich jedesmal verlaufe, schlussendlich dann aber doch wieder zu einer "Guagua"-Haltestelle (Bus-Haltestelle) finde und zurück auf CASIMU komme. Die Häuser und Terrassenfelder scheinen mir hier auf La Gomera überall besonders schmuck und gepflegt, die Touristen sind vorallem Tagestouristen, die mit der Schnellfähre von Los Cristianos auf Tenerife in einer guten halben Stunde herüber sausen.

Vallehermosa auf Gomera

In der Marina sind viele Nationalitäten anzutreffen: Deutsche, Franzosen, Engländer, Holländer, Amerikaner und neben uns liegt ein kanadischer Katamaran. Er will wie wir in wenigen Tagen auf die Cap Verden segeln, andere starten in die Karibik und ein Grossteil hat das Boot hier stationiert.
Falls du noch weiterlesen magst, habe ich noch zwei Anekdoten angefügt, die mir auf La Gomera passierten.

Zwei wahre Anekdoten aus La Gomera:
Wer gewinnt? Oder.....rückwärts fahren oh la la!
An einem prächtigen, klaren Tag machte ich mich mit dem Guagua (Autobus) in den Norden von La Gomera auf, um wandern zu gehen. Gegen Abend stieg ich anderswo wieder in den Guagua, um nach San Sebastian zurückzukehren. Nun, die Passstrassen sind zwar seit noch nicht so lange asphaltiert, aber für den Bus oft sehr eng, so dass er vorallem in den Kurven mehr als die Hälfte der Strasse braucht. Das wird mit häufigem Hupen entdramatisiert. Bald kamen wir zu einer Baustelle. Die rechte Fahrbahn war gesperrt, und der Buschauffeur fuhr links auf einen entgegenkommenden Personenwagen zu. Beide hielten Schnauze an Schnauze an und die ältere Fahrerin des glänzenden Privatautos, eine gepflegte Gomerin, deutete dem Buschauffeur heftig und wie es schien erzürnt, er solle rückwärts fahren und sie passieren lassen. Unser Chauffeur zeigte ihr mit klaren Handbewegungen, dass sie rückwärts fahren solle, er habe Vorfahrt. Sie hätte bloss ca. 15 - 20 m zurück gemusst und schon wäre eine breite Ausweichstelle erreicht und das Problem gelöst gewesen. Dies schien dem Chauffeur und uns auf den vordersten Sitzen eigentlich die einfachste Möglichkeit. Doch nicht so der eleganten Dame. Sie begann die Hände zu verrühren, auf ihren zittrigen Mitfahrer einzureden und deutete dem Chauffeur sehr bestimmt, dass er zurückfahren müsse. Das ganze dauerte eine gute Weile hin und her. Endlich verschränkte sie die Arme und überschüttete ihren Mitfahrer weiter mit Redeschwällen. Dieser sass da wie ein Häufchen Elend und schien keine Meinung zu haben. Doch auch er wartete anscheinend, dass der Chauffeur nachgeben würde. Doch der blieb ruhig und tat keinen Wank, als ihr zu deuten, sie hätte ihren Wagen zu bewegen. Im Bus waren nun alle auf den kleinen Machtkampf aufmerksam geworden und mit einem gewissen Amusement verfolgte man die Weiterentwicklung. Hinter uns stauten sich drei oder vier Autos. Nach einer gewissen Weile stieg der zittrige Mitfahrer der Dame aus und begab sich weg vom Wagen. Was war denn jetzt nur los? Sie schien weiter zu schimpfen und nach etlichem Hände verwerfen schaltete sie. Doch es schien nicht einfach, den Rückwärtsgang zu finden. Sie hebelte eine ziemliche Weile und plötzlich nahm ihr Auto einen Flug nach vorne. Wieder versuchte sie den Chauffeur zu bewegen auszuweichen. Ohne Erfolg! Nach weiterem Schalten und Suchen schien nun der Retourgang gefunden und ruckweise bewegte sich der Wagen nach rückwärts. Doch o weh! Mal gabs einen Ruck ganz nach rechts, dass sie fast die Abschrankung streifte, dann nach zünftigem Drehen des Steuerrades nochmals ein Ruck nach rechts. Bis der nächste Flug dann nach links erfolgte, dauerte es etwas, denn zwischen durch starb der Motor ab, sie verwarf die Hände und schien zu schimpfen. Im Bus konnten wir Passagiere uns vor Lachen kaum mehr halten. So laut und ungezwungen habe ich noch nie einen vollen Bus lachen hören! Das war wirklich allzu komisch! Ich wusste jetzt auch, wieso sie sich so vehement gegen das Rückwärtsfahren gewehrt hatte! Ob das der erste Versuch war?! Ebenso leuchtete ein, dass ihr alter Mitfahrer weit weg vom Auto stand, denn diese Uebung war wirklich lebensgefährlich. - Nun das ganze nahm ein gutes Ende: Unser Busfahrer stieg ruhig aber bestimmt aus, erbarmte sich der hilfosen Dame, die Hände ringend den Führersitz räumte und unserem Fahrer anscheinend ganz gerne das Steuerrad überliess. Er fuhr nun den ganz schräg in der Fahrbahn stehenden Wagen etwa 20m rückwärts und schon war das Problem gelöst. Die Dame, nun ohne Wagen auf der Strasse stehend, gestikulierte und redete ununterbrochen und schien sich überhaupt nicht zu schämen -oder diente das ganze Theater, das sie veranstaltete, dazu, das Gesicht nicht zu verlieren? Aus dem Bus guckten doch sicher zwanzig amüsierte Augenpaare.
Wir kamen ohne weitere Probleme pünktlich(!) nach San Sebastian. Für die Dame hoffe ich, dass sie keinem weiteren Dickschädel begegnet, der darauf beharrt, dass sie ihre Rückwärtsfahrkünste beweisen soll!


Der grosse Fang im Hafenbecken
Eines Abends kam ich nach dem Nachtessen um zirka 22 Uhr in die Marina zurück. Beim Runtersteigen des Tidensteges sah ich unten auf dem Quai zwei Frauen und einen Mann mit einer riesigen, offenen Kühlbox stehen. Ein weiterer Mann war neben dem Steg im Hafenwasser und tauchte ab. Da ich kaum neben ihnen durchkam, blieb ich stehen, um zu sehen, was denn da los war. Alle paar Sekunden hob der Taucher einen schönen grossen orangen Barsch (oder eine Brasse?) hoch und eine Frau senkte das Fischernetz, um ihn einzuholen und in die Box zu werfen. Ich schaute dem Schauspiel ein paar Minuten zu: wirklich, der Mann im Hafenbecken tauchte Kopf voran ab, der andere Mann zündete mit einer starken Lampe ins Wasser (das Hafenwasser in San Sebastian ist ziemlich sauber und recht klar), und keine halbe Minute später tauchte der Fischer auf, mit einem oder sogar zwei Barschen in den blossen Händen. Ich staunte nicht schlecht: So leicht lassen sich da die feinsten Fische fangen? Und auf so kleinem Raum! Doch etwas komisch kam mir das Ganze schon vor: hier im untieferen Teil des Hafens sah ich bisher nur graue Fische und viel kleinere. Ich konnte mir das ganze schlecht erklären. Ob diese schönen, leckeren Zwei-Portionen-Fische, zwischen den Steinen und Felsbrocken schlafen und nachts ohne Probleme mit blossen Händen dutzendweise in kurzer Zeit "eingesammelt" werden können?! Irgend etwas schien nicht ganz regulär, denn die vier Leute hatten es sehr eilig, redeten viel auf spanisch auf einander los, aber es kam mir eher etwas gedämpft vor. Ob das, was sie taten, gar nicht gestattet war? - Nun, als die Kühlbox schon fast voll war, und die Ernte geringer wurde, erlaubte ich mir, die eine Dame in gebrochenem Spanisch erstaunt nach dem Fischreichtum zu fragen. Sie erklärte mir..... Ja, was meinst du wohl, woher die vielen Fische kamen? -- Also, ich verrate es dir, wenn du es nicht schon selbst herausgefunden hast: Als sie vom Fischen mit ihrem Boot zurückkamen und die Box voller schöner Barsche oder eben Brassen* den Steg hoch tragen wollten, kippte die schwere Box und alle (bereits toten) Fische leerten aus und verschwanden im Hafenbecken. Das war des wunderbaren Rätsels Lösung.- Als ich mich von ihnen entfernte, hörte ich sie bald darauf herzlich und laut lachen. Waren sie wohl glücklich darüber, dass sie die Fische wieder hatten? Ich glaube kaum. Sie lachten wohl über die naive Ausländerin, die meinte, man könne diese Brassen einfach im Hafenbecken einsammeln! So hatte nicht nur ich an ihnen, sondern auch sie an mir einigen Spass. Und wie ich dir die Geschichte weiter gebe, werden sie vielleicht auch ihren Freunden das Erlebnis mit der komischen Fremden lachend erzählen, die meinte, Fische ernte man wie Mais!
(*Nachdem ich im Fischlexikon nachgeschaut habe, waren es doch wohl Brassen!)

San Sebastian, 30. Januar 2002 Heidi Brenner

Ein literarischer Tip:
Im Augenblick lese ich einen hervorragenden Roman, der auf Lanzarote spielt, von dem kanarischen Schriftsteller Rafael Arozarena: "Mararia", BLT Verlag Band 92047

Ein Tip für Segler:
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