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23-12-01
Ueberfahrt Lagos / Portugal nach Lanzarote / Kanarische Inseln

 
oder.... wenn man zu Beginn alles wüsste, würde mans vielleicht nicht wagen!

Also vorweg mal: wir sind nach vier Tagen und vier Nächten auf dem Atlantik (vom 16. bis 20. Dezember 01) im Norden der Insel Lanzarote in einer imposanten Bucht mit wuchtigen Lavafelsen, weissem Sandstrand und grünblauem Wasser glücklich und wohlbehalten vor Anker gegangen.

Doch der Reihe nach: In Lagos / Algarve war das Wetter sehr wechselhaft und die Wettervorhersagen ein paar Tage lang wenig ermutigend, um die Ueberfahrt auf Madeira oder die Kanaren zu wagen. Ein paar Boote warteten wie wir, doch wohl schon einiges länger, auf günstigen Wind und ruhigeres Meer. Am Sonntagmittag, dem 16. Dezember, beschlossen wir, nach dem Anhören der Wetterprognosen von Radio France Inter, es zu wagen. Das Meer sollte zwar "grosse" sein und ein Tief jagte das andere, aber immerhin kein Sturm und kein Südwind... was solls! Alles wurde seeklar verstaut und etwas Picknick vorbereitet. Es nieselte und war grau, als wir uns vom holländischen Nachbarn verabschiedeten und als einzige in Thermowäsche und Oelzeug den Hafen Richtung offene See verliessen. Der dunkle Atlantik empfing uns mit zünftigem Seegang. Wir hatten beide noch keine Seebeine, da wir ja bloss von Vilamoura nach Lagos gesegelt waren. Der Wind blies mit 5 bis 6, bald mit 6 bis 7 Beauforts (starker Wind, aber noch kein Sturm) von Osten, wie vorausgesagt. Also die Richtung stimmte, Gott sei Dank, war unser Kurs doch Südsüdwesten. Bald musste die Genua (Vorsegel) weggerrollt werden und Hans musste aufs Vorschiff, um die vorbereitete Starkwindfock am Kutterstag zu klarieren. Das war schon eine sehr wellige und unangenehme Angelegenheit! Mit Starkwindfock und gerefftem Grosssegel machten wir tolle Fahrt von 7 und mehr Knoten ( 12 bis 15 km/h). CASIMU schien richtig in ihrem Element zu sein. Sie flog nur so über die Wellen, obschon diese konfus und die See echt ungezogen und ruppig waren. Die neue Aries-Windsteuerung hielt sehr gut Kurs. Die Beiden waren ein echt Vertrauen erweckendes Duo.

Die einzigen, die mit dem Seegang eher Mühe hatten, waren wir zwei! Ich hatte vor der Ausfahrt zur Vorsicht ein Stugeron (Mittel gegen Seekrankheit) geschluckt, und es ging mir zwar nicht blendend aber immerhin recht. Hans fühlte sich nach dem Balanceakt auf dem Vorschiff ziemlich elend und verschmähte jegliche Zwischenverpflegung. Beide vermieden wir es vorläufig, nach unten ins Schiff zu steigen, empfindet man doch den Seegang da noch ärger. Im Logbuch wurde nur mit Ueberwindung und möglichst schnell das Nötigste eingetragen, um schnell wieder nach oben ins Cockpit zu kommen. Immer wieder prasselte der Regen nieder. Hinter dem Sprayhood blieb man eingermassen trocken. Mein bevorzugter Platz war und ist bei solchem Wetter, im Niedergang zu sitzen. Abends wollte Hans immer noch nichts von Essen wissen, und ich hätte es wohl auch kaum geschafft, bei diesem Geschaukel ein Essen zu kochen; Reis oder Penne zwar schon. Ich ernährte mich von Darvidas und rohen Rüeblis, die ich sehr liebe, vor allem bei unangenehmer See. Bald wurde es ganz dunkel, etwas unheimlich ohne Mond und Sterne! Die Wellen hörte man nur anrauschen und sah ihre Schaumkronen erst im letzten Moment in den Hecklichtern aufleuchten. Wir wechselten uns im Wachehalten ab; das andere schlief, respektive lag in den Kleidern im Salon, wo ein Leesegel (eine Art Auffangnetz) das Runterfallen vom Coach verhinderte. Ungefähr alle drei Stunden wechselten wir die Rollen. Wer Wache hielt, hatte eigentlich nicht viel zu tun, solange der Wind die Richtung und Stärke nicht änderte. Die Aries-Selbststeuerung und CASIMU erfüllten ihre Aufgabe, als wären sie schon ein lange eingespieltes Team. Das war für uns sehr beruhigend. Die Wache musste mit Hilfe des Radars nach andern Schiffen Ausguck halten und eben schauen, dass alles regulär tönte, ächzte, rauschte, donnerte. Das Gehör ist in solchen Nächten extrem alarmiert und jedes unübliche Geräusch lässt auch den Ruhenden aufhorchen. Schiffe begegneten wir die ganze Zeit über kaum, also ging es vor allem drum, wach zu bleiben für alle Fälle. Am Montagmorgen hatte ich Hunger und fand, jetzt müsste endlich was Warmes gegessen werden: "Möchtest du lieber Penne oder Reis?" fragte ich Hans. Ohne grosse Begeisterung und Appetit kam es: "Penne...aber meinst du wirklich, dass es nicht zu gefährlich ist, bei diesem Seegang etwas zu kochen? Du könntest dich leicht verbrennen." Doch zum Glück gibt's auf dem Segelschiff einen kardanisch aufgehängten Kochherd und Festmacher für die Pfannen, sonst wärs bei diesem "mer grosse" wirklich unmöglich, etwas zu kochen. Ich schüttete ein ganzes Pack Penne in weniger kochendes Wasser als üblich, wegen der Gefahr des Ueberschwappens. Dazu wärmte ich die vorbereitete Sauce all' arrabbiata. Ich ass mit Heisshunger eine Schale voll penne mit der herrlich scharfen Sauce und Parmesan darüber, während Hans nur ein paar nackte, trockene Röhrchen kaute... ganz gegen seinen üblichen Appetit!

Der Himmel war immer noch grau und wolkenbehangen und die vorausgesagten Schauer liessen kaum nach. Doch immerhin war es wieder Tag und nach dem herrlichen Frühstück kehrte für mich wieder etwas Normalität in den Alltag. Ich fühlte mich gut und bei Kräften. Zudem kamen wir voran und hatten den Wind nicht gegen uns. Doch am Nachmittag kams beinahe zu einem Unfall: Nach dem Mittagsschläfchen wollte ich schlaftrunken aus dem Schlafsack klettern, als CASIMU von einer grossen Welle rübergeworfen wurde. Ich verlor das Gleichgewicht und flog kopfvoran an die Türkante, dass es nur so donnerte und krachte, und ich vor Schrecken und Schmerzen zu wimmern anfing. Zum Glück hats für solche Fälle im Kühlschrank stets ein Kühlpaket. Mein Berner Schädel bekam zwar eine zünftige Beule, aber sonst schien er zu halten und ich kam mit dem Schrecken davon!

Nach zwei Tagen ruppiger, nasser und anstrengender Fahrt zeigte sich doch wieder mal die Sonne und die Thermowäsche wurde zu warm. Auf einen Schlag war bei dem wunderbaren Licht alles leichter und angenehmer. Die Nacht zeigte sich mit ihren Sternen: wunderbar beschützend stand Orion, der alte Freund, über uns; nicht weit davon leuchtete Jupiter in seiner vollen Pracht und erfüllte unser winziges Herz mit Zuversicht und Freude. Mit einem Mal war es wundervoll, allein auf dem weiten Atlantik zu sein. Der Wind flaute mehr und mehr ab und wir starteten den Motor. Da wir vorher unter Segel ein bisschen zu weit nach Osten / Afrika geraten waren, konnten wir jetzt den Kurs unter Motor korrigieren. Jetzt steuerte der elektrische Autopilot. Die Wellen wurden bescheidener und übersichtlicher, der Barometer stieg und auch die Temperaturen. Wir waren ja auch schon einige hundert Seemeilen im Süden von Portugal! Einige Delfine begleiteten seit Stunden unsere CASIMU. Sie scheinen das Motorengeräusch zu mögen. Wie sie bloss unterscheiden können, welches Schiff für sie ungefährlich und welches verhängnisvoll sein könnte?

Hans bekam Lust auf gebratene Penne mit Ei, wohlverstanden zum Frühstück. Dazu eine heisse Ovomaltine! Ich war zünftig erkältet und hatte einen Kopf zum Zerspringen. Folgen des Sturzes oder der Erkältung? Doch der Appetit war mir nicht vergangen.

Am Mittwochmorgen hatten wir genug vom motoren und bei schwachem Wind setzten wir unseren neuen, 110qm - Blister (grosses, farbiges Vorsegel für Schwachwind, einem Spinnacker verwandt). Zum Glück hat Hans sehr viel technisch-handwerkliches Gespür und weiss sofort, wie so ein Ding vorbereitet werden muss, dass es dann auch richtig hängt! Bei mir wäre das schon ziemlich unsicherer. Wie er wohl aussieht? Ich wünschte ihn mir in den Farben weiss, blau (Bavaria-blau) und natürlich den Stern in der Mitte rot! Kaum zogen wir die "Wursthülse" hoch, stand er auch schon in den frischesten Farben und CASIMU machte einigermassen Fahrt bei dem schwachen Wind. Wieder erstaunte uns, wie zuverlässig die Aries-Windsteuerung diesen heiklen Vorwindkurs steuerte und das bei Wellengang!

Die letzten Stunden motorten wir dann gegen einen zunehmenden Südwind und waren erleichtert und glücklich, als wir am Donnerstagmorgen die im Norden der Insel Lanzarote vorgelagerten kahlen und unbewohnten Inseln passierten. Der Bügelanker fiel in der grossen Bucht nordwestlich von Orzola und fasste gleich zünftig. Da immer noch Südwinde vorherrschen, sind wir heute, am 23. Dezember, immer noch in dieser beeindruckenden Bucht. Die enormen schwarz-braun-roten Lavafelsen um uns bieten Schutz, doch pfeifen und fauchen auch gewaltige Fallwinde zu uns herunter, was uns nachts etwa aufschrecken lässt.

Doch wir geniessen hier die Einsamkeit und Ruhe. Ausser ab und zu einem vorbeifahrenden Fischerboot oder der kleinen Fähre nach dem Inselchen Graciosa, sind wir ganz alleine. Auch die Temperaturen sind ideal: Luft ca. 22 bis 23 Grad, Wasser etwa 20 Grad warm. Geduscht und gebadet wird ab sofort wieder im Meer! Hans hat den Windgenerator (eine Art Windrad) und die Solarpannels montiert und angeschlossen, so dass wir für Licht, Computer und Kühlschrank genügend Strom haben, ohne den Motor laufen zu lassen. Gekocht wird vegetarisch (die Fischerrute ist noch nicht in Betrieb) und einfach; aber täglich essen wir auch frischen Salat und Früchte und natürlich haben wir auch Wein an Bord!

Was wir auf der Ueberfahrt wieder mal eindrücklich erfahren haben: wir zwei waren die schwächsten und anfälligsten Teile in der Auseinander-setzung mit den Naturkräften Wind und Wellen. CASIMU, Segel, Motor und Autopiloten liessen sich in keiner Weise beeindrucken oder fielen gar aus! Und trotzdem vertrauen wir meistens vorallem uns selber !!

Vielleicht wirst du dich fragen, was denn eigentlich an so einer Ueberfahrt Spass macht? Ob es denn nicht nur ein Ausharren ist, wenn sogar das Auf-die-Toilette-gehen zum anstrengenden Balanceakt wird? Ja, hmmm... je nach dem, in welchem Augenblick du uns das fragen würdest, würden wir dir wohl zustimmen, dass man wohl schon ein bisschen zum "mad poeple" gehören muss, wie es ein Engländer ausdrückte, wenn man segelt. Und doch... wenn man dann ankommt, in einer ruhigen Bucht liegt, werden die Kleinigkeiten des Alltags, wie gemütlich zusammen essen, ein Glas Wein trinken, im richtigen Bett wieder mal eine Nacht ruhig durchschlafen und und und.....die alle zu Hause selbstverständlich waren, zu Kostbarkeiten und man geniesst sie intensiv und ganz bewusst. Und abgesehen davon gibt es auch auf einer solchen Ueberfahrt immer sehr schöne Momente. Alles ist halt ziemlich intensiver als der gewohnte Alltag zu Hause. Und vielleicht sind wir ja auch deshalb losgezogen, um wieder diese kleinen Dinge schätzen zu lernen und die Ausschläge des Alltagspulses weiter werden zu lassen....So genau wissen wir das jetzt auch noch nicht.

Vorläufig werden wir auf den kanarischen Inseln bleiben, wo uns nach den Festtagen unsere Eltern und eine liebe Freundin besuchen kommen. Sie möchten nämlich wissen, wie unser neues Zuhause aussieht.

Wir wünschen dir etwas Ruhe und Musse über die Festtage und freuen uns natürlich immer über e-mail-Post (halt keine Dokumente oder Fotos bitte, nur reiner Text!). Möchtest du etwas genauer wissen, mail es uns doch, wir werden sobald als möglich antworten.

Mit den besten Wünschen fürs 2002 Heidi und Hans

Lanzarote, der 23. Dezember 2001 Heidi










 
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