Überfahrt nach Neu-Kaledonien
Wir kommen bei dem südlichen Wind gut voran
und die grünen Hügel von Viti Levu (Fiji)
verschwinden schon bald. Den südwestlichen
Kurs können wir allerdings anfangs nicht
fahren, da wir sonst zu hart an den Wind müssten.
"Der Wind wird bald zu unseren Gunsten nach
SE, E oder gar NE drehen," meint Hans. Im
Geheimen hoffe ich, dass unser Kurs etwas zu nördlich
bleibt; da wäre es möglich, dass wir
die Insel Tanna (Vanuatu) "tütschen"
würden und da wäre ich gar nicht unglücklich.
Vanuatu und seine noch sehr ursprünglichen
Inseln habe ich nur schweren Herzens gestrichen.
Aus dem Logbuch:
Montag, den 27. September 2004, 2. Tag auf
See:
CASIMU läuft! Der Wind dreht gegen Mittag
von SSE auf SE, so dass wir nicht mehr hart dran
müssen. Dennoch, auch der Halbwindkurs (bis
110°) ist recht anstrengend: ziemlich Krängung
im Schiff und "holprig". Dafür
läuft CASIMU! Er schneidet sich durch die
Wellen und wir kommen zügig voran. Zwischen
18 Uhr und Mitternacht legen wir mehr als 7sm
pro Stunde zurück und um Mitternacht ergibt
sich ein Etmal von 157sm.
Es passiert nichts, keine Tiere; dafür haben
wir heute seit langem die Sonne wieder mal gesehen
und die Nacht ist recht hell, da ja bald Vollmond
ist. Mit der Insel Tanna wird's wohl nichts.
Dienstag, den 28. September 2004, 3. Tag auf
See:
Alles normal, aber nach wie vor "holprig".
Der Wind ist zwar von der Richtung her ziemlich
konstant - SE bis SSE oder ESE - aber leider variiert
die Stärke dauernd zwischen 4 bis 6 Beaufort.
Entweder haben wir zu viel oder zu wenig Segelfläche.
Die dauernde Krängung und das "Geholper"
sind ermüdend und die Horizontale unsere
angenehmste Stellung.
- Das Wetter ist gut und gegen Abend ist es strahlend
klar. Die Nacht wird vom Vollmond erleuchtet und
auch hinter Wolken erhellt er das Ganze.
- Bettina Beck (eine ehemalige, aussergewöhnlich
vife Schülerin) hat mir ein SMS aufs Iridium
geschickt: sie sei zufällig auf www.casimu.com
gestossen und sei sehr beeindruckt...Ich erinnere
mich gerne an sie und ihren originellen Vater
Hans Beck, der damals - war es 1985 / 86 oder
früher? - Elternvertreter war. Ich erzähle
Röbbi von ihnen, als wäre es erst gerade
gewesen...
Mittwoch, den 29. September 2004, 4. Tag auf
See:
Röbbi refft x-mal ein und wieder aus. Wieder
scheint die Sonne, als ich gegen halb elf Uhr
aufstehe. Im Heck gibt's eine Dusche, die aber
mit 23,8° recht kühl ist. Danach fühle
ich mich sauber und munter. Die Luft ist angenehm
frisch. Dauernd wechselt die Windstärke und
Röbbi muss unzählige Male reffen: ein,
aus, ein, aus.... Anatom, die südlichste
Insel von Vanuatu, sichten wir fast den ganzen
Tag auf steuerbord. Stundenlang scheint sie stets
gleich weit querab zu liegen. Röbbi meint:
"Mir hei die Insle am Änd im Schlepptou!"
Wir beschliessen, sie trotz ihrer Nähe nicht
anzulaufen.
- Wenn der Wind anhält, müssten wir
morgen etwa beim Einnachten in die Gegend der
Havannah Riff-Passage (im Südosten von Neu-
Kaledonien) kommen. Nun gilt es einen Zeitplan
zu machen, denn wir können diese Passage
in die riesige "Lagon sud" wegen der
Strömung nur bei Stillwasser durchfahren.
Es gibt danach ein paar gute, problemlose Ankerplätze,
die wir auch bei Nacht anlaufen könnten...
und am Freitag, den 1. Oktober dann nach Nouméa
zum Einklarieren.
Donnerstag, den 30. September 2004, 5. Tag
auf See:
Lange begleitet uns die Insel Maré steuerbords,
doch leider wussten wir nicht, dass wir dort hätten
Zwischenhalt machen dürfen (neue gelockerte
Regelung seit Juli 2004: Einklarieren ist beim
Zoll von Maré möglich).
- Fast hat der Wind gereicht. Die See ist ruhiger
geworden und wenn unsere Zeitrechnung aufgeht,
sollten wir zwischen 19 und 20 Uhr eingangs der
Havannah-Passage sein (slack water ca. um 19h
25m). Mittags haben wir ein super Etmal von 152
sm. Doch am Nachmittag wird der Wind schwächer
und auch der Blister schafft die berechneten 6,2
kn nicht. Wir werden zweimal von einem blauen
Helikopter (der Gendarmerie?) überflogen
und glauben, dass er uns kontrolliere, wie ich
das in Führern las.
Da morgen Freitag ist und wir vor dem Wochenende
noch einklarieren möchten, starten wir den
Motor. Bei Dunkelheit fahren wir mit den Richtblinkfeuern
an Riffen und Felsen vorbei durch die ruhige Passage.
Schade nur, dass wir von Grande Terre nichts sehen.
Vor der Passage schalten wir den Computer an mit
den elektronischen Karten. (Sonst navigieren wir
immer nur mit Papierkarten). CASIMU läuft
darauf als kleines rotes Schiffchen mit und so
sind Durchfahrt und Ansteuerung des Ankerplatzes
einfach. Allerdings stimmt die Karte nicht genau
mit dem GPS überein! Gegen 2 Uhr morgens
fällt der Anker in der tiefen Anse du Pilote
in 21m, nahe bei einem riesigen dunklen Baum und
wir schlafen ein paar Stunden.
Nouméa mit Cote-Ambiance
Am Freitag, den 1. Oktober, erwachen wir mit dem
ersten Licht. Ich bin erstaunt, wie nahe am Ufer,
bei wunderschönen Bäumen, wir geankert
haben. Der Himmel ist bedeckt, doch je näher
wir Nouméa und den vorgelagerten Inselchen
kommen, desto klarer und sonniger wird es. Wir
begegnen Jachten, Motorbooten und kleinen Fähren
und vielen Seezeichen: wir fühlen uns fast
wie an der Cote im Mittelmeer.
Am Feld der ankernden Jachten vorbei tasten wir
uns an den "Quai A des Visiteurs", den
uns eine nette französische Stimme von der
Port Moselle Marina über Funk angegeben
hat. Schon nehmen zwei Männer unsere Leinen
entgegen und CASIMU liegt mitten im internationalen
Kunterbunt der Yachten.
Zwei korrekte Gesundheitsbeamte kommen an Bord
und konfiszieren Zwiebeln, Knoblauch, Kartoffeln
und das restliche Gemüse. Zum Glück
konnte ich unsere Kokosnüsse - von Hans mit
viel Mühe geöffnet - rechtzeitig verstecken,
wie auch eine schöne Ananas. Die hätten
mich gereut! Die letzten Bananen und Mangos muss
ich vor den gestrengen Augen der Beamten schälen.
Die Schalen nehmen sie mit, die Früchte dürfen
wir zum Mittagessen geniessen. Auch die Männer
vom Zoll kommen aufs Schiff. Die Immigrationsbeamten
lassen auf sich warten, doch dafür geht's
dann rassig.
Die Port Moselle Marina ist ausgezeichnet gelegen:
ganz im Zentrum von Nouméa, die modernen
Gebäude des "Marché" liegen
gegenüber unseres Liegeplatzes, nur ein paar
Minuten entfernt, ebenso Läden, Restaurants,
Bushaltestellen, Museen.
Gegen Abend spazieren wir zum Hauptplatz, dem
"Place des Cococtiers", einer schönen
Parkanlage, wo viele Kanaken rumsitzen,
plaudern, trinken. Sie sind zum Teil sehr dunkelhäutig
mit krausem, oft verfilztem Haar. Viele wirken
eher ungepflegt, einige haben wohl schon zuviel
Alkohol getrunken. Nun, es ist ja Wochenende!
Ich weiss noch nicht, was ich von ihnen denken
soll. Sie wirken nicht so fröhlich wie die
Fijianer und wir werden von niemandem gegrüsst.
Nun, wir könnten ja auch hier ansässige
(eingedrungene) Franzosen sein! Es kommt mir in
den Sinn, dass befreundete Segler uns von einem
Streit und Handgemenge mit Kanaken auf der Ile
des Pins schrieben. Auf Anraten der Gendarmes
segelten sie dann eilig weg.
Wir geniessen die französische Ambiance,
kaufen Baguettes und Brie und setzen uns am Abend
auf die Terrasse des Bistrot "Le Bout du
Monde" bei der Marina, trinken Aperitiv und
feiern unsere gute Überfahrt bei einem feinen
3-gängigen Menu à la Francaise und
einem schönen Wein. Dass die Preise wieder
viel höher sind als in Fiji, stört uns
im Moment nicht.
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"Centre Culturel du Tjibaou" |
"Grande Case" der Kanaken |
Einblick in die Kultur der Kanaken
Ich mag es kaum erwarten, das "Centre Culturel
du Tjibaou" vom genialen italienischen
Architekten Renzo Piano zu besuchen. Als es 1998
fertiggestellt wurde, sah ich eine Fernseh-Reportage
mit Piano, in der er die vielfältigen philosophischen,
kulturellen, klimatischen und anderen Aspekte erläuterte,
die er bei der Kreation des Zentrums in Nouméa
berücksichtigte. Ich war begeistert. Dass es
ein Land namens Neu-Kaledonien gab, hörte ich
zum ersten Mal und suchte es anschliessend im Atlas.
Ich ahnte nicht, dass ich schon bald Gast in diesen
herrlich luftigen und harmonischen Bauten sein würde.
Es ist nicht einfach, in der sonntäglichen
Mittagshitze eine Bushaltestelle zu finden und
die wenigen Fussgänger, die ich antreffe,
wissen nicht Auskunft oder leiten mich fehl. Etwas
genervt sitze ich nach einer Stunde Herumirren
im fast leeren Bus, der die Hügel auf und
ab fährt durch recht schöne, grüne
Quartiere, am Flughafen vorbei und dann ausserhalb
der Stadt auf die unbewohnte Halbinsel abbiegt,
wo er mich gleich beim Eingang zum Zentrum aussteigen
lässt.
Weit und breit bin ich alleine. Es gäbe heute
Sonntag kaum Besucher, Gruppen und Schulen kämen
wochentags und die Cafeteria sei nicht geöffnet,
nur der Getränkeautomat... meint der Kassierer.
Da habe ich es ja prima getroffen! Das ganze riesige
Kulturdorf für mich alleine!
Die 10 runden Gebäude ragen wie die "Grandes
Cases" der Kanaken - hohe zentral gelegene
Rundbauten, die als Versammlungsräume der
Clan-Mitglieder und zur Verehrung der Ahnen errichtet
wurden - in den klaren blauen Himmel. Sie muten
leicht und luftig an, sind aber äusserst
stark und stabil aus Hartholz und Stahl-Verstrebungen
gefertigt, da sie ja auch einem Wirbelsturm trotzen
müssen! Sie sind gegen die vorherrschenden
Passatwinde ausgerichtet und werden so auf natürliche
Art ventiliert. Einfache, geniale Raffinesse ohne
jeglichen Schnickschnack. Schöne, grosse
Araukarien (Norfolk-Tannen) rahmen die Bauten
ein.
Ich betrete die offene, luftige Eingangshalle,
wo der Wärter mich mit netten Erklärungen
empfängt. Innen ist es auch ohne Klimaanlage
angenehm kühl. Ich schlendere von einer "Case"
zur anderen, betrachte die eindrücklichen
Holz-Skulpturen und Totems aus verschiedenen Südseekulturen,
wie auch gegenwärtige Kunst der hiesigen
Kanaken. Ich erhalte eine Ahnung von der ehemals
eigenständigen mythologischen und religiösen
Kultur der Urbevölkerung wie auch von der
zentralen Rolle der "Clans" und ihrer
Ahnenverehrung. Auf dem idyllischen "Chemin
du Kanak" wird dieser Eindruck noch vertieft:
von den angeschriebenen Pflanzen war auch die
Heilwirkung früher wohl bekannt.
Etwas Wehmut befällt mich, wenn ich daran
denke, dass diese so reichhaltige Kultur heute
ums Überleben ringt. Es kommt mir vor, als
ob einem todkranken Menschen mit modernen medizinischen
Mitteln das Leben verlängert würde.
Die tief verwurzelten Bräuche der Geister-
und Ahnenbeschwörung, das Eingebettetsein
in ein mystisches Universum-Verständnis sind
zwar gut erforscht und dokumentiert, aber sie
sind in den Seelen der modernen Kanaken gestorben
und tragen sie nicht mehr.
In der "Case", die dem Leben und Wirken
des gemässigten, später ermordeten Kanakenführers
Jean Marie Tjibaou - nach dem dieses Zentrum benannt
wurde - gewidmet ist, treffe ich auf eine junge
Kanakenfamilie. Im Gespräch spüre ich
den unterschwelligen, tiefsitzenden Hass gegen
die ausbeutenden französischen Kolonialherren
und zugleich ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber
den Gewinn orientierten Wirtschaftsmächten.
Was vor einigen Jahren noch in blutigen Auseinandersetzungen
ausgedrückt wurde, lodert anscheinend nur
noch untergründig. Den Kanaken wurden zwar
gewisse Teile des Landes wieder zurückgegeben
und sie leben heute mit ihren Clans in "Tribus".
Aus den Gebieten der reichen Bodenschätze
vertrieb man sie aber schon lange, um den kostbaren
Nickel und andere Metalle zu schürfen. Und
auf einige der Inseln wurden früher Kriminelle
und Gefangene aus Frankreich deportiert und die
einheimischen Kanaken "umgesiedelt".
Die Geschichte der Kolonialisierung ist brutal,
blutig und erschütternd.
Mein Eindruck, dass die meisten Kanaken heute
in einem "geistigen Niemandsland" leben,
verstärkt sich in den nächsten Wochen
noch. Sie besitzen zwar Autos, Schiffe mit Aussenbordmotoren,
Kühlschränke und Fernseher und den meisten
geht es - wohl dank der französischen Präsenz
- finanziell recht gut; aber sie haben ihre "seelische
Heimat und Geborgenheit", ihre Wurzeln, verloren.
So ist es nicht verwunderlich, dass der Alkoholkonsum
zu einem ernsthaften Problem wurde.
Mit einem etwas zwiespältigen Gefühl
verlasse ich das wunderschöne Kulturzentrum
gegen Abend. Zwei Tage später besuche ich
es nochmals mit Hans.
Ein weiterer Höhepunkt ist das neu-kaledonische
Museum im Zentrum von Nouméa mit seiner
reichen Sammlung an Holzskulpturen: riesige, kunstvoll
geschnitzte Giebelpfähle ragen neben ebenso
verzierten Türpfosten in die Höhe und
einmalige Totems lösen bei der kargen Beleuchtung
einen respektvollen Schauer aus, denn ich bin
wieder ganz allein in den Ausstellungshallen.
Nach ein paar Tagen "Mittelmeer-Ambiance"
drängt es uns, etwas mehr von Neu-Kaledonien
zu sehen.
Abstecher zu den südlichen Inseln
Mit einem Morgenwind aus SW segeln wir aus unserem
schönen, roterdigen Ankerplatz in einem Seitenarm
der riesigen Baie de Prony nach dem "Juwel
von Neu-Kaledonien", der Ile des Pins. Bei
dem kleinen, vorgelagerten Inselchen Moro
schlüpfen wir durchs Riff und ankern in der
winzigen Lagune. Ist es hier schön! Weisse
Strände wechseln ab mit dunklen Korallenfelsen
und hohen, würdevollen Araukarien.
Auf unserem Spaziergang um die Insel erblicken
wir einen dichten, grossen Flecken im türkisfarbenen
Wasser, der wie Grasbewuchs aussieht. Doch aus
der Nähe entpuppt er sich als ein Schwarm
Sardinen, die so eng bei einander liegen, dass
der einzelne Fisch weder von uns noch von den
spähenden Möwen entdeckt wird. Wie ein
einziger Körper bewegt sich der riesige Schwarm,
sobald eine Störung auftritt. Wie ist eine
solch simultane Koordination bei Tausenden von
Einzelwesen bloss möglich? Ist Rupert Sheldrake,
der englische Biologe, mit seiner Theorie vom
"morphogenetischen Feld" einem phantastischen
Naturphänomen auf die Spur gekommen?
Unglaublich wie viele der schwarz-beige geringelten
hoch giftigen Wasserschlangen wir antreffen! Nachmittags
sonnen sich einige am Land. Sie sind keineswegs
scheu und flüchten nicht, was uns etwas verunsichert.
Nach 2 Tagen Idylle motoren wir die 4 sm zur viel
gelobten Baie de Kuto im Süden der Ile
des Pins. Sie ist riesig und vor den Palmen
mit feinem weissem Sandstrand eingerahmt. Doch
o weh! Wir geraten ins Massenlager der Jachten!
Wegen des recht starken Südwindes fahren
mehr und mehr Jachten ein und schlussendlich ankern
gegen 20 Jachten in der ruhigen Ecke bei der Pier.
Das ist mir definitiv zu viel! Gleich kommt die
Nachbarin Claudia von der "Floating German
Bakery" angefahren und drückt uns einen
Flyer in die Hand. Eine Stunde später werden
wir am Strand von den Österreichern der SJ
ORFOS nach der ebenfalls aus Wien stammenden SJ
NOMAD ausgefragt... Na gut! Anscheinend haben
wir "in der deutschsprachigen Eck" geankert!
Ein ruhiger Spaziergang in die verträumte
Nachbarbucht Kanumera und am nächsten Morgen
früh noch ein Aufstieg zum Pic N'Ga, um die
Aussicht zu geniessen und dann reicht's. Nein!
Der Geburtstagsbrief für meinen 90 jährigen
Vater muss dringend auf die Post gebracht werden!
Ein ausgesprochen hübscher Kanake nimmt uns
im Geländewagen ins Dorf Vao zur Post mit.
Erkundung der Nordküste von Grande Terre
Wir verholen für eine weitere Nacht in "unsere"
stille Lagune Moro und segeln am nächsten
Morgen mit Rückenwind zurück zur Grande
Terre und ankern im hintersten Arm von der Prony-Bucht,
in der Baie du Carénage, die auch als Hurrikan-Hafen
geeignet sein soll.
|
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Rohstoffe färben das sonst klare Wasser |
Baie du Carénage |
Am nächsten Morgen staunen wir über die
vielen Weg-Markierungen. Auf stundenlangen Wanderungen
dem Bergbach entlang und über rotfelsige Hügel
begegnen wir immer wieder Überresten der Minenzeit:
verrostete Eisenteile von Förderwagen, Ruinen
von Arbeiterhütten, halb abgetragene Hügel,
die jetzt von Regen und Wind erodieren und Grabsteine
mit japanischen Inschriften. (Bis zum 2. Weltkrieg
gab es hier viele Japaner als Fremdarbeiter in den
Minen.) Ich kühle mich in einer frischen Bergbachwanne
ab und später entspannen wir uns in einem kleinen,
sauber ausgebauten Thermalbecken.
Einen Tag verbringen wir noch im waldigen Port
Boisé, wo wir wieder schöne Pfade
zum Wandern entdecken und dann geht's am Samstag,
den 16. Oktober los: wir planen die einsame,
fast 300 sm lange NE-Küste der Hauptinsel
hoch zu segeln, sie zu runden und die Marina von
Koumac anzulaufen. Von dort wollen wir dann unseren
letzten Pazifik-Sprung nach Australien starten.
Den Tipp zur Umrundung von Grande Terre haben
uns schon Henzis von der SJ STENGAH gegeben. Maria
und Erich von der SJ OPUS MARIA, die wir in Nouméa
kennen lernten, erzählten uns ebenfalls begeistert
von dieser Tour. Sie verbrachten 3 Jahre in Neu-Kaledonien
und stationierten ihre Jacht in der Hurrikan-Saison
jeweils in der Marina von Koumac. Doch als wir
sie kennen lernten, war die OPUS MARIA schon an
Mogan, den dänischen Australier verkauft
und Maria und Erich auf dem Sprung in die Schweiz.
14 Tage segeln wir nun in Tages-Etappen innerhalb
des schützenden Saumriffes. Umgeben von
türkisfarbenem Wasser und verstreuten, weissandigen
Inselchen begleiten uns auf der Backbordseite
die rostfarbenen, "kostbaren" Berge.
Vielerorts sehen wir ihre offenen Wunden und unschönen
Narben: Nickel und andere Bodenschätze
wurden - oder werden immer noch - abgetragen und
die ausgebeuteten Hügel dann dem Schicksal
der Erosion überlassen.
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Der Erzfrachter legt am Förderband
an |
"La Poule" (brütende Henne)
von Hienghène |
Wir begegnen keinen Jachten und nur ab und zu machen
wir Bekanntschaft mit einem Kanakenboot. Einmal
tauschen wir von ihnen Fisch gegen Zigaretten und
Feuerzeug ein.
Die abendliche Annäherung zum Felsen "La
Poule" (brütende Henne) und der steinernen
"Sphinx" sind eindrücklich. Doch
das dahinter liegende, viel gerühmte Hienghène
enttäuscht uns: weder ist die Landschaft
besonders schön, noch gibt es ein richtiges
Dorf. Neben ein paar modernen unpraktischen Gebäuden
eingangs des Flusses wurde eine winzige Marina
für kleine Boote erstellt. Sie ist leer.
Für wen ist sie wohl gedacht?
Nach ein paar grauen, windarmen Tagen können
wir endlich weiter segeln. Wir nähern uns
der historischen Stelle Mahamate Balade, wo
Kapitän Cook 1774 als erster Europäer
gelandet und somit N.K. entdeckt hat; fast
20 Jahre später starb hier der französische
Kapitän Kermadec und wurde begraben. Vorsichtig
segeln wir durch das heller werdende Wasser in
die Nähe des berühmten, winzigen Sandinselchens,
neben dem die einsame Gedenktafel aus dem seichten
Wasser ragt.
50 Jahre später, 1843 landeten die ersten
Missionare hier, wurden 4 Jahre später aber
von hungernden Clans attackiert, verjagt oder
getötet. Dies war der Anfang blutiger und
tragischer Zeiten. 1853 annektierte Napoleon lll
Neu-Kaledonien offiziell unter dem guten Vorwand,
die katholische Mission in Balade müsse vor
den Kanaken beschützt werden.
Es lockt uns nicht, hier zu ankern und so segeln
wir bei herrlichem, östlichem Wind weiter.
Die Hügel werden noch dürrer und karger
und die Strände sind nicht mehr von Palmen
und Araukarien gekränzt. Die sehr ruhige
Baie de Pam hat aber ihren eigenen Charme und
gefällt uns. Fast meinen wir, irgendwo an
der türkischen Südküste zu ankern.
Abends trinken wir den letzten Spitzenwein aus
Argentinien, den ich eigentlich als Geschenk gekauft
habe und stossen auf den 90. Geburtstag meines
lieben und humorvollen Vaters an. Möge er
weiterhin so gesund und selbständig bleiben!
Durch eine enge Riffdurchfahrt segeln wir im Osten
der Insel Balabio hoch. Auf ihrer Westseite gibt
es viele weisssandige Buchten, die von dunklen
Felsen eingerahmt werden und wir haben eine grosse
Auswahl an romantischen Ankerplätzen. Ein
einfaches, offenes aber aufgeräumtes Hüttchen
und zwei grosse Kürbisse, die dahinter im
sandigen "Pflanzblätz" wachsen,
zeugen von zeitweiser Bewohnung. Jetzt ist allerdings
kein Boot am Strand und niemand anzutreffen, ausser
unzählige blaugrüne Krabben und einige
der schwarz-beige geringelten giftigen Schlangen.
Der Blick zum Nordende der Grande Terre und den
kleinen Inselchen ist atemberaubend und wir fühlen
uns als echte Glückspilze. Ohne eigenes Schiff
könnte man einen so idyllischen Ort niemals
erreichen. Zudem haben wir ja "Hotel und
Restaurant an Bord". Neben dem eigenen Bett
auch unsere sieben Sachen, um uns wohl und daheim
zu fühlen. Was will man mehr?!
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Kanakenfamilie auf Nendialé |
Sam will Fischer werden |
Wir umsegeln die verlockende, mit Inselchen, Felsen
und Riffen gespickte Nordspitze und ankern in den
nächsten Tagen bei sonnigem, klarem Sommerwetter
an wunderschönen Plätzen. Wir kommen uns
vor, wie in idealen Segelferien: mässige Winde,
schönes Badewetter, ruhige, unberührte
Ankerplätze und viel Zeit....bis zu Beginn
der Hurrikangefahr.
Doch unsere Gedanken und Gespräche kreisen
seit einiger Zeit um unsere weiteren (unklaren)
Pläne: eigentlich möchten wir beide wieder
etwas Sinnvolles, Interessantes arbeiten; Hans nennt
das "Nutzen stiften". Wenn ja, was und
wo? Berichte von Freunden aus der Schweiz tönen
wenig verlockend. Und was mit CASIMU? Sollen wir
versuchen, ihn in Australien zu verkaufen, um wieder
frei zu sein für ein neues Projekt? Diese "no
future" Situation drückt Hans zeitweise
etwas. Da ich fast nur in der Gegenwart lebe, kann
ich mir eine drastische Veränderung noch gar
nicht richtig vorstellen, was mir (vorläufig)
auch Sorgen erspart.
Irgendwann sollten wir nach Koumac und von dort
unsere Überfahrt nach Australien vorbereiten,
evt. die Heimflüge organisieren und auch
wieder einmal einkaufen. Zum Ausklarieren müssen
wir ja wohl auch noch nach Nouméa....
In Koumac finden wir bei starkem Wind eine
geschützte Marina mit Wasser- und Stromanschluss
am Steg und dem sehr hilfsbereiten französischen
"Maitre du Port" Jean-Michel. Allerdings
ist der Schwimmsteg für unsere 13 m Jacht
viel zu kurz, die Umgebung mutet an einen Steinbruch
und das Dorf liegt etwa 3 km weit weg. Doch wir
haben ja ein kleines Bordvelo und so radle ich
zum Einkaufen in die gut bestückten Supermarchés.
In der Marina wird CASIMUs Hülle wieder einmal
gründlich mit Süsswasser gewaschen und
ebenso Kleider und Küchenwäsche. Jean-Michel
besorgt eine grosse Gasflasche, aus der Hans unsere
verrosteten Campinggasflaschen mit einem raffinierten
Wägesystem am Steg abfüllt.
Tags darauf gibt's eine fünfstündige
Busfahrt nach dem 360 km entfernten Nouméa,
zwecks Ausklarieren (die Zollformalitäten
hätten wir in Koumac erledigen können,
nicht aber die Pass-Abstempelung). Nach einer
Übernachtung in einem weissblitzenden Hotelbett
- das erste seit einem Jahr - besteigen wir wieder
als einzige "Blancs" unter Kanaken den
Bus zurück nach Koumac.
Auf dem Frischmarkt am Samstag gibt es nur drei
oder vier Stände, wo Bananen, Papayas und
Gemüse angeboten werden, die anderen sind
nicht besetzt. Eine Bauersfrau mit chinesischem
Einschlag erzählt mir, dass Ende Jahr die
Zeit der Hochzeiten sei und da kämen die
Kanaken nicht zum Markt. So eine Hochzeit dauere
manchmal bis zu einer Woche, die Zahl der Gäste
aus den beiden Clans variiere zwischen 300 und
1000! Das ganze sei ein riesiges Unternehmen,
die Vorbereitungen und Kosten enorm.... Später
erzählen uns Antoinette und Ivan, die Kanakenfamilie,
die wir auf dem einsamen Inselchen Nendialé
kennen lernen, dass für die Braut bezahlt
werden müsse. Der Preis sei Verhandlungssache
und betrage 300'000 bis 1'000'000 Pazifische Francs
(etwa 2'500 bis 8'000 Euro). Oft leben die Paare
lange vorher zusammen und haben auch Kinder, bis
dass die Summe erspart ist und geheiratet werden
kann.
Warten auf den Wind, der uns nach Australien
weht
Die nächsten 10 Tage warten wir vergebens
auf Wind, um unsere Überfahrt nach Bundaberg
in Australien zu starten. Dafür gibt es nochmals
herrliche Tage bei wunderschönen Inselchen,
schwimmen in warmem klarem Wasser, spazieren an
einsamen Stränden, gemütlich essen,
lesen, jassen....kurzum: herrliche Sommerferien
nördlich von Koumac, während unsere
Familienangehörigen vom kalten, nebligen
Novemberwetter in der Schweiz berichten. Täglich
holt Hans verschiedene Wetterberichte und -faxe
herein, damit wir eine längerfristige Windprognose
haben.
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Kanaken mit ihrem nagelneuen Boot |
Wir geniessen das 26° warme Wasser |
Übermorgen Mittwoch, den 17. November, sollte
es so weit sein, dass endlich ein Hochdruckgebiet
aktiv wird und in den nächsten Tagen mit östlichem
Wind zu rechnen ist.
Baie du Croissant, den 15. November 2004
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