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Reisen ohne Segel

Abstecher nach Peru:
Arequipa "la linda"

3. Teil: Chiles Norden:
Arica und Iquique unter den Dünen - mit dem Mietwagen durch Oasen und über unwegsame Pässe - Vicuna und die Nobelpreisträgerin - Clark Stedes neustes Projekt - Polpaico, 20jährige Erinnerung - ESO La Silla: das europäische Observatorienzentrum in der Wüste - Ausbeutung hat in Chile Tradition - der italienisch elegante Betrieb unseres Freundes Emilio - in der chilenischen Schweiz - CASIMU war brav - unsere Pläne


Bericht vom 28. Oktober 2003

Abstecher nach Peru:
Arequipa "la linda"

Am 9. September gehen wir wieder einmal zu Fuss über eine Grenze: nach dem bolivianischen Grenzposten marschieren wir an vielen Marktständen mit Kochern, Kochgeschirr und aufgetürmten Möbeln vorbei zur peruanischen Passkontrollstelle. Wieder sind wir die einzigen Ausländer, die über die Grenze wollen, und so geht's sehr rasch und schon sitzen wir im Töff-Taxi, das uns zum Puno-Bus kutschiert. Nun müssen wir uns gedulden, bis der alte, enge Bus voll ist, denn vorher geht's nicht los.

Es dauert, bis der peruanische Bus voll ist und abfährt
Endlich, fahren wir dem Südufer des Titicacasees entlang Richtung Puno. Die Gegend ist dicht mit Stein- und Lehmhüttchen besiedelt und viele Tiere weiden in der Ebene, neben Geissen, Schafen und Lamas auffällig viele Schweine. Oefters liegt das geschnittene, lange Titicaca-Gras zum Trocknen ausgebreitet, um nachher zum Schiffs- und Möbelbau und als Dachbedeckung genutzt zu werden. In Puno werden wir mit einem Velotaxi - wir sitzen vorne und hinten tritt der Fahrer kräftig in die Pedale - von einem zum andern Bus-Terminal geradelt. Eben fährt ein luxuriöser Bus ab....Pech gehabt! Nein, er wird per Funk aufgehalten, in Eile werden unser Billete ausgestellt. Ohne WC-Halt und Mittagessen rennen wir zum Arequipa-Bus und lassen uns in die Polster fallen. Keine Furcht, der fährt nicht non-stopp nach Arequipa, sondern hält schon bald in einem Ort vor dem Büro der Busgesellschaft. Das WC ist unzumutbar schmutzig. Viele Händler zwängen sich in den Bus und schreien lauthals, was sie anzubieten haben: queso fritado, helados, sandwiches, hamburgesas, Coca Cola... und vieles mehr. Also darben brauchen wir nicht, und ich esse eine Portion fritierter Geisskäse mit geschwellten Kartoffeln, wohlverstanden serviert im Bus! Irgendwann unterwegs gibt's auch noch einen wissenschaftlichen Vortrag: ein jüngerer Mann führt eine gute Viertelstunde lang aus, wie wichtig genügend Calcium und Phosphor in der menschlichen Ernährung sei und zwar vor allem für intellektuell Arbeitende, Kinder und..... Ja, er habe da eben das natürliche Pülverchen "Maca + Algarrobina" - jetzt zeigt er die Knollen und Bohnen herum - das sorgfältig im Labor erarbeitet werde und nach seinen detaillierten Ausführungen wirklich ein Allerweltsmittelchen sein muss. Nun, ich kaufe ein Briefchen (von dem ich morgens ein Kaffeelöffelchen schlucke, sofern ich es nicht gerade vergesse....und bin jetzt, am 28. Oktober auf jeden Fall noch am Leben!). Der Wind pfeift draussen in der Hochebene kalt und mit Sturmstärke. Gegen Abend liegt Arequipa weit und riesig unter uns. Sie wird wegen ihren hellen Natursteinhäusern aus Sillar (poröser Vulkanstein, der wie Travertin aussieht) "la Bianca" genannt; ich nenne sie "la Linda", die Hübsche. Ich war vor 30 Jahren hier, als ich mehrere Monate alleine mit dem Rucksack in Süd- und Mittelamerika unterwegs war. Erinnern kann ich mich an den wunderschönen Hauptplatz im Zentrum und den schneebedeckten Vulkan.
Mit Blick auf den Hauptplatz warten wir aufs Frühstück Typische Gasse mit Häusern aus der Kolonialzeit in der Altstadt von Arequipa
Ob sich viel geändert hat? Etwas bange wird mir schon, wenn ich von oben sehe, wie riesig Arequipa seither geworden ist. Tausende von koreanischen Kleinst-Taxis flitzen durch die Strassen, meist leer. Wir bummeln durch die angenehm warme Altstadt mit den unzähligen Kolonialbauten, die eine Augenweide sind. Vor dem Nachtessen folgen wir den vielen Einheimischen in die prächtige Kirche La Compania de Jesus. Die Messe wird gerade gelesen, viele Gläubige knien vor der heiligen Jungfrau im Seitenschiff und beten inbrünstig. Ich zünde für meine verstorbene Mutter wieder einmal eine weisse Kerze an. - Der Höhepunkt am nächsten Tag ist zweifellos der Besuch des Frauenklosters Santa Catalina, das bis 1970 als Klausur für Mädchen aus reicheren Familien diente. Es wurde in den letzten Jahren zum Museum hergerichtet: authentische Möbelstücke, Bilder, Küchengeräte, Medizinfläschchen lassen die Räume der Novizinnen, Nonnen und der Aebtin lebendig werden. Mehr als zwei Stunden bestaunen wir die unzähligen Räume und Kreuzgänge, die sich über 20'000qm erstrecken. Wie viele zum Teil riesige, schwarz geräucherte Küchen es gibt! Auch der Aufbahrungsraum der Verstorbenen und der Friedhof liegen innerhalb der Klostermauern. Heute leben nur noch in einem Trakt Nonnen.

3. Teil: Chiles Norden:
Arica und Iquique unter den Dünen
Die kurvenreiche Strasse führt durch Wüsten-Gebirge nach dem südperuanischen Tacna, von wo wir mit einem Gemeinschaftstaxi über die Grenze nach Arica, der nördlichsten Stadt Chiles, fahren. Nach langem, wie uns scheint, spazieren wir wieder einmal am schwarzen, felsigen Strand und schauen auf die Weite des Pazifiks, der uns bald einmal mit CASIMU aufnehmen soll. Hier im Norden, auf 18° S, benimmt er sich schon viel gesitteter als im stürmischen Süden. Es sind immerhin auch fast 40 Breitengrade oder mehr als 4000 km Unterschied! Und angenehm warm ist es hier auf Meereshöhe! Das Klima soll das ganze Jahr etwa so bleiben, weshalb Arica auch die "Frühlingsstadt" genannt wird. Das Zentrum ist klein und lebendig. Den grossen Hochsee-Fischerhafen dürfen wir nicht betreten. Zu den intensivsten Silber-Abbauzeiten in Potosi, war das 850 km entfernte Arica (früher peruanisch) der Verschiffungshafen für das Edelmetall nach Spanien. - Eine Extra-Reise hierhin lohnt sich nach uns nicht, ausser man wolle den Nationalpark Lauca in den Anden besuchen. - Durch Wüste und steilen Abhängen entlang fährt der Bus am nächsten Tag Richtung Iquique. Unterwegs ist eine Kontrollstelle. Alles Gepäck muss aus dem Bus geholt werden und wird untersucht. In meiner Handtasche entdeckt die gestrenge senorita einen Apfel. Das gehe nicht! Ich habe ihn aber vor etwa einer Stunde in Arica gekauft, erkläre ich. Nichts zu machen, den Apfel müsse ich dalassen. Also, dann esse ich ihn halt! Auch das ginge nur zehn Meter nördlicher, auf der andern Seite der Kontrollstelle! Ja, nun! Ich zerschneide den Apfel in dem vorgeschriebenen Abstand und es reicht, die eine Hälfte in Eile zu essen. Da Hans nichts will, lege ich die andere Hälfte vor die erstaunte Zöllnerin auf den Gepäcktisch und verschwinde im weiterfahrenden Bus. Das ganze Theater ist wegen Drogen und anscheinend auch wegen der Obstfliege so rigoros.
Iquique soll eine schöne Stadt sein, wie wir hörten. So bin ich erwartungsvoll gespannt. Nach etwa vier Stunden Busfahrt sehen wir von den riesigen 800 m hohen Sanddünen direkt hinunter auf die Stadt und auf den angrenzenden Pazifik. Iquique entstand erst im 19. Jahrhundert, war aber bald ein wichtiger, peruanischer Salpeterhafen. Die Arbeiter schufteten 12 Stunden am Tag und wurden von ein paar wenigen, europäischen Salpeterbaronen ausgebeutet. 1920 war es mit dem Salpeterboom zu Ende und der kurze Glanz von Iquique verblasste. In der Avenida Baquedano - neu eine Fussgängerzone - befinden sich viele der typischen alten, heruntergekommenen Holzvillen in Renovation. Das Hotel Carlos Condell, in dem wir logieren, ist so eine Salpetervilla. Unser Zimmer ist sehr gross und hoch und hat sogar einen geräumigen Balkon auf die kaum belebte Baquedano. Der nahe Hauptplatz Arturo Prat ist luftig verspielt, lebt aber ebenfalls nicht, im Gegensatz zu den Plazas in Argentinien, Bolivien und Arequipa. Hier im Zentrum mahnt alles ein bisschen an früher mal gebrauchte Theaterkulissen, an die man sich jetzt wieder erinnert, und die zu neuem Leben erweckt werden sollen. Aber Kulisse bleibt halt Kulisse. Iquique erlebt seit einigen Jahren wieder einen gewissen Aufschwung: denn seit 1975 geniesst es den Status einer freien Handelszone und vertreibt vor allem elektronische Geräte. ZOFRI ist die grösste dieser Art in ganz Südamerika. Bei Spaziergängen durch die zentralen Quartiere und an den Strandzonen darf man nicht genau hinschauen, denn überall sind Zeichen von Verfall, Abfall, Armut, Geschmacklosigkeit. Nein, Iquique ist keine schöne Stadt, sondern ein typisches Beispiel von kurzem Neureichtum, Ausbeutung und Zerfall. Jetzt wird ein bisschen Kosmetik betrieben, doch wenig geschieht mit Liebe und Geschmack und die modernen Ferien-Hochhäuser an der Playa Cavancha sind schlichtwegs grässlich. Wieso wird eine eigentlich spektakuläre Gegend am Pazifik - wo schwarze, felsige Strände sich mit Sandbuchten abwechseln und eine riesige, helle Sanddüne im Hintergrund aufragt - so versaut, sobald sie ein Anzugspunkt für viele Menschen wird ?!
Iquique: Schade für den schönen Strand
Einen kulinarischen Höhepunkt erleben wir allerdings hier: an der Plaza Arturo Prat liegt nämlich das Centro Espanol. Es ist ein hervorragendes Restaurant in einem ganz ausserordentlichen Stil, nämlich alles maurisch-andalusisch, so wie ich die Alahmbra in Granada in Erinnerung habe. - Als wir am Sonntagmorgen früh zum Busterminal fahren, sehe ich ein winziges Kätzchen, das von drei Hunden angebellt und angegriffen wird. Da wir zu früh sind, eile ich zu Fuss zum "Buseli" zurück, um ihm gegen seine Angreifer zu helfen (obschon ich vor Hunden Angst habe). Doch als ich dort ankomme, sind die Hunde weg. Das kleine, magere und verletzte Busi lehnt an der kahlen Betonmauer. Als es mich kommen hört, miaut es ganz leise und hinkt auf mich zu. Ich streichle ihm über den Kopf und rede ihm lieb zu und es schaut mich an und fleht leise um Hilfe. Was kann ich bloss tun für es? Weit und breit nichts als Asphalt und Beton und ein Fischstand, der eben aufgebaut wird. Ich laufe dorthin, und schaue nach etwas Kleinem Feinem. Doch die Frau hat nur riesige Teile von grossen Fischen. Das Kätzchen braucht ja wohl auch noch Muttermilch? Ich bin verzweifelt, dass mir nichts Hilfreiches in den Sinn kommt, was ich tun könnte in der Viertelstunde bevor unser Bus fährt. Es vielleicht in die Nähe eines Wohnblocks tragen? Wer weiss, vielleicht würde sich ein Bewohner seiner erbarmen? Doch wir sind beim Hafen, und ich sehe keinen vertrauenerweckenden Block. Etwas geknickt gehe ich zurück zur Busstation. - Auf der Strecke nach Süden liegt rechts der Pazifik links erheben sich die Berge der Wüste. Ab und zu flitzen ein paar trostlose Bretterbuden von Fischern an uns vorbei. Nicht ein einziges "anständiges" Dorf erblicken wir auf den fast 500 km bis Antofagasta, das eine sehr junge Stadt von etwa 100 Jahren ist. Hier war früher der bolivianische Zugang zum Meer und die Schätze aus den Minen des Altiplano wurden da verschifft. Doch 1879 besetzte Chile Antofagasta und initierte damit den Salpeterkrieg. Bolivien und Peru verloren viele Gebiete an Chile, das mit massiver - sicher nicht ganz uneigennütziger - Unterstützung Englands den Krieg schlussendlich nach Jahren gewann. Bolivien hat seitdem keinen Zugang zum Pazifik mehr. -Da wir die Anden, Lagunen und Wüste ausgiebig im noch wenig touristischen Bolivien genossen haben, verzichten wir auf den Besuch des attraktiven, aber sehr in Mode gekommenen San Pedro de Atacama und seiner Umgebung. Wir fahren weiter nach Süden. Die mehrstündige Busfahrt von Antofagasta durch die Atacama Wüste bezaubert uns vor allem gegen Abend, als die Dünen, Gebirge und Felsen bei schräg stehender Sonne ein intensives rötlich leuchtendes Licht- und Schattenspiel bieten. Erst als es schon lange dunkel ist, erreichen wir das Städtchen Copiapo.

Mit dem Mietwagen durch Oasen und über unwegsame Pässe
In Copiapo mieten wir einen kleinen Peugeot, um die abgelegenen Täler und Gebirge nördlich von Santiago besser erkunden zu können. Auf geht's weiter südlich. In der trockenen Wüstengegend vor La Serena erblicken wir ein paar Observatorien, die ganz oben auf den Bergspitzen thronen. Gerne würde ich La Silla, das Observatorium der Europäer besuchen, doch das ist nur samstags nach Voranmeldung möglich. Je weiter wir gegen den Pazifik hinunterfahren, umso grauer wird der Himmel, und bald stecken wir im Pazifiknebel, der uns bis La Serena umgibt. Wir freuen uns aufs fruchtbare Elqui-Tal, das sich ins Landesinnere schlängelt. Schon nach wenigen Kilometern ist der Nebel wie weggeblasen, das Tal wird etwas enger und im abendlichen Sonnenlicht sehen wir auf der anderen Flussseite die kleine, grüne Oase El Molle. Vielleicht finden wir hier eine Uebernachtungsmöglichkeit? In einer kleinen Touristenanlage mit grossem Garten und Schwimmbad können wir ein schönes Zimmer mieten und werden von Ivan, dem Koch, verwöhnt.

Vicuna und die Nobelpreisträgerin
Am nächsten Tag führt uns die Fahrt dem Elqui entlang hoch, und wir staunen über die riesigen Weinberge, die das ganze Tal überziehen. Hier wird vorwiegend die Pisco-Traube angebaut, woraus dann der bekannte Pisco (für den Pisco sauer) destilliert wird. Wir machen Halt in Vicuna, dem Geburtsort der Dichterin Gabriela Mistral, die 1946 den Nobelpreis erhielt. Das gemütliche, sonnige Vicuna gefällt uns auf Anhieb: die Häuser sind fast alle nur ein oder zweistöckig, der grosse Hauptplatz ist voller riesiger schöner Bäume, unter denen Dutzende von Bänken einladen. Die Menschen des Dorfes treffen sich hier. Ein Orchester spielt, denn morgen, am 18. September ist der Unabhängigkeitstag von Chile. In der Casa del Professor, einem Frauenhaushalt mit zwei wuscheligen Hunden und der hochschwangeren roten Kätzin, richten wir uns im kleinen Gästehaus unter den Palmen für einige Tage ein. Wir besuchen das Museum der Dichterin Gabriela Mistral, steigen gegen Abend auf den "Mirador" (Aussichtshügel) und fahren nachts bei klarem Himmel zur Sternwarte Mamalluca hoch, wo engagierte chilenische Astronomen die Teleskope für uns einstellen und uns Auskunft geben.
Blick auf das Dorf Vicuna und die Oase Ueber einsame Gebirge führt der oft endlos erscheinende Weg
Nach weiteren Ausflügen bis weit hinten ins Elquital, verlassen wir die gemütliche Unterkunft in Vicuna und begeben uns auf die gebirgige Strecke Richtung Hurtado. Hoffentlich reicht die Bodenfreiheit unseres kleinen Peugeot, um über all die Pässe und durch die vielen Flussbetten zu gelangen. Wäre schon schade, wenn wir nach ein paar Stunden Fahrt umdrehen müssten! Die Strecke ist abenteuerlich und wir geniessen die imposante, nur von ein paar Hirten bewohnte Berglandschaft.

Clark Stedes neustes Projekt
Nach einem kurvenreichen Abstieg passieren wir das Dörfchen Hurtado und erblicken ein wenig später ein paar richtige, rotbraune Ziegeldächer: "Das ist bestimmt die Hazienda von Clark Stede", meint Hans. Und wirklich: ein sehr schönes Eingangstor heisst uns willkommen. Wir betreten eine gepflegte und im Detail liebevoll ausgestattete, ansehnliche Anlage. Die deutsche Praktikantin wäscht eben ein Pferd und will uns nachher die Zimmer zeigen. Während wir warten, kommt Clark vom Reiten heim und gleich reden wir vom Segeln. Er schwärmt uns von Mikronesien und Papua Neuguinea und.... Doch ein englischer Fotograf wartet im Esszimmer auf ihn, und so verschieben wir das Spinnen des Seemannsgarns aufs gemeinsame Nachtessen. Wir wandern mit einem Naturlehrheft die kunstvoll markierten Pfade hoch zur ehemaligen Goldmine, später über dem Rio Hurtado das Tal hoch und schliesslich runter an den reissenden Fluss, wo Clark und Manuela viel Weideland und Alfalfafelder haben. Ich tauche bei der Noodie-Insel zweimal ins kalte Flusswasser und dann kehren wir nach etwa 3 Stunden Wanderung zurück zur gepflegten Hazienda los Andes. Im Comedor (Essraum) brennt das Kaminfeuer und wir geniessen ein feines und gemütliches Nachtessen mit Manuela und Clark. Die sympathische Partnerin von Clark ist seit Jugend eine grosse Pferdeliebhaberin und professionelle Reiterin. Und für Clark sind die Pferde und das Reiten ebenfalls zur Leidenschaft geworden, nachdem er nicht mehr mit dem Segelschiff unterwegs ist. Doch an diesem Abend packt den dynamischen und ideenreichen Clark für ein paar Stunden wieder das Segelfieber und wir klönschnaken lange und intensiv. - Nach einem Frühstück im Garten begleite ich Manuela auf die Weide, um den gutmütigen, grossen Sigi und vor allem das Fohlen Domingo zu sehen. Liebevoll bürstet Manuela die Pferde, bevor sie reiten geht.
Schon vor dem Frühstück war Clark auf dem Feld Manuela und ihr hübsches Fohlen Domingo
Im ganzen haben sie 11Pferde und bieten spezielle Reittouren in die Anden an. Wenn du mehr wissen willst, schau unter www.haciendalosandes.com und www.ridechile.com nach.-
Wieder fahren wir durch abgelegene, fruchtbare Täler, die von kahlen Bergen eingerahmt werden und über kaum enden wollende Passstrassen, die sich den Hängen und Schluchten entlang winden. Auf so einer ganz abgelegenen Anhöhe mit unvergleichlichem Weitblick möchte Hans Land erwerben. "Da wären wir doch ganz für uns!" Ja, wirklich! Das nächste Dörfchen ist sicher eine Autostunde oder mehr entfernt und Einkaufsmöglichkeiten wesentlich mehr! Ich bin mir nicht so sicher, ob das auf die Dauer so romantisch wäre!- Von Los Vilos aus fahren wir der Pazifikstrasse entlang Richtung Süden und besuchen den schön gelegenen Badeort Papudo und Zapallar, das mit seinen Villen und Pärken den reichen Chilenen vorbehalten ist. Jetzt im Frühling sind diese Orte leer und die meisten Villen und Ferienhäuschen geschlossen. In dem Fischerörtchen Horcon essen wir in einem Strandrestaurant feine Meeresfrüchte, als wir plötzlich ein kleines Tierchen im seichten Wasser sehen, das wohl noch am ehesten verwandt mit einem Fischotter ist. Die Grösse und die Bewegungen ähneln sehr stark einem Marder, doch es ist eindeutig ein Wassertier. Fischer werfen ihm kleine Bissen zu, die es den hungrigen Pelikanen und Möven flink wegstiehlt. Es scheint vor den viel grösseren Vögeln keinen Respekt haben zu müssen. Als es satt ist, verschwindet es in den Wellen. - Wir fahren durch das Obst-Tal des Aconcagua weiter, und nach einem letzten Pass erreichen wir den früheren Arbeitsplatz von Hans.

Polpaico, 20jährige Erinnerung
Hans, der hier in der Zementfabrik vor 20 Jahren die Steuerung der neuen Produktionslinie geplant und realisiert hat, berichtet gleich selber:
Der Portier in Cerro Blanco de Polpaico erklärt uns, dass die zum Zementwerk gehörende Siedlung nicht mehr existiere. Ungläubig insistiere ich und man lässt uns passieren. Ich will doch mein ehemaliges Haus und die Nachbarn sehen. Aber wirklich, ausser der Kirche und der Kantine ist das ganze Dorf verschwunden. Nur noch die Baumalleen und Betonstrassen zeugen vom ehemalig lebendigen Dörfchen. Einmal mehr hat sich leider bestätigt, dass man nie an schöne Orte zurückkehren sollte, da man meistens enttäuscht wird. Mir kommt Cabo San Lucas in Mexiko "hoch". Wunderschönes, kleines Nest mit Langusten und wenigen Fischerbooten im Jahre 1981 und dann im Jahre 1989 der Schock: Hotelklötze, Strassen, Verkehr und alles verschandelt! -Tags darauf holt uns Julio Martinez, mein damaliger "Stift" und heute der Chef aller Elektriker Polpaicos, beim Portier ab. Er freut sich über meinen Besuch und führt uns durch die Fabrik.
Julio Martinez freut sich über das Wiedersehen Die Zementfabrik von Cerro Blanco, wo Hans vor 20 Jahren gearbeitet hat.
Die Installationen sind in einem hervorragenden Zustand und Julio ist zurecht stolz darauf. Im Kontrollraum nimmt er einen alten Ordner aus dem Schrank und zeigt uns die von mir vor 20 Jahren erstellte Software Dokumentation. Unser damaliges Konzept wurde von ihm - dem heutigen Stand der Technik gemäss - konsequent weiterentwickelt. Das freut mich natürlich!-
Wir haben von Julio die Telefonnummer des ehemaligen Werkdirektors Walter und Helga Oswald erhalten und verabreden uns für den kommenden Tag mit ihnen. Bevor wir aus dem komfortablen Hotel Termas de Collina, das der Armee gehört, losfahren, schwimmen wir noch ausgiebig im warmen Aussenbecken! In Cachagua liegt das Haus der Beiden, hoch über der Pazifikküste mit herrlichem Blick auf die Brandung. Für Walter und Hans gibt es eine Menge Gesprächsstoff!

ESO La Silla: das europäische Observatorienzentrum in der Wüste
Auf Umwegen und eher zufällig können wir es doch noch richten, an einem Samstag in der Gegend von La Silla zu sein. Und so fahren wir auf der einsamen Hauptstrasse in der Wüste, bis wir die Kuppeln der Observatorien sehen und rechts abbiegen können. Nach dem Kontrolltor fahren wir noch einige Kilometer steil und kurvig auf den Gipfel zu dem weitläufigen Gebäudekomplex hoch.
La Silla; rechts das moderne NT-Teleskop
Wir werden zuerst zum riesigen, herkömmlichen 4m Spiegelteleskop geführt, das in einem runden Kuppelbau steht. Ich bin erstaunt, dass der Astrokreis der Maya die Eingangstüre schmückt. Der uns führende Astronom erklärt, dass die Maya hervorragende Astronomen waren, und auch präzise, meteorologische Voraussagen machten: so hätten sie El Nino jeweils vorausberechnen können! Spannend! - Am grossen blauen Teleskop stehen in der Nacht keine Astronomen und gucken durch das Okular, sondern alle Daten werden in den Computerraum auf den Bildschirm weitergeleitet. Also keine Sterngucker-Romantik mehr! Das neue NT-Teleskop ist kleiner aber effizienter. Es steht in einem viereckigen Haus ohne Kuppel und bewegt wird das Gebäude und nicht das Instrument. Hier können auch infrarot und ultraviolett Strahlen verarbeitet werden; alle Daten laufen über den Computer zu den Astrophysikern. Das dritte Teleskop ist kein optisches sondern ein Radioteleskop: ein immenser Antennenschirm empfängt die Radiowellen, was den grossen Vorteil hat, dass auch am Tag und bei Bewölkung Informationen hereinkommen. Wir dürfen ebenfalls den Arbeitsraum der Wissenschaftler besuchen, in dem viele Computer das einwandfreie Funktionieren der Teleskope überwachen und andere am Aufarbeiten der Daten sind. Das Ganze ist technisch sehr komplex und beeindruckend, aber für einen Laien halt nicht so attraktiv, wie wenn er durch ein grösseres, herkömmliches Teleskop an den Nachthimmel schauen kann. - Ob die Astronomen und Astrophysiker sich die Zeit nehmen, hier oben in der klaren Nacht ohne Störlichter an den wundervollen Sternenhimmel zu schauen und zu staunen? Die Wissenschafter, die hierher kommen wollen, müssen ein Jahr im voraus ihr Forschungsprojekt einreichen und die Anzahl Nächte, die sie benötigen angeben. Wird ihr Projekt genehmigt, können sie in der Regel für etwa fünf Tage nach La Silla fliegen. Also nicht etwa monatelang!

Ausbeutung hat in Chile Tradition
Abends tauchen auf unserer Weiterfahrt durch die Wüste plötzlich Reben auf, Kilometer und Kilometer nichts als Weinberge. Auch im anschliessenden Tal von Copiapo fahren wir stundenlang durch Reben in Reih und Glied, die mit Grundwasser (das aus 200 m hoch gepumpt) und allen nützlichen chemischen Zusätzen bewässert und genährt werden, um dann an Weihnachten in den USA als Tafeltrauben verkauft zu werden. Monokultur so weit das Auge reicht und so hoch hinauf in die kahlen Berge wie nur möglich. Das schafft Arbeitsplätze für die armen Chilenen, könnte man entgegnen. Ja, vorübergehend haben ganze Heerscharen von wandernden Tagelöhnern gegen schlechte Bezahlung monotone Arbeit. Frage ist, wie lange? Das gibt uns schon zu denken: in Chiloe sind die Buchten mit unzähligen Lachsmästereien verschandelt und belastet (Chile wurde in wenigen Jahren zum zweitgrössten Lachexporteur der Welt), Urwälder wurden abgeholzt und schnellwachsende Bäume wie Eukalyptuns und Pinien angepflanzt und hier dieses ungeheure Ausmass an Reben. Wir malen uns aus, was geschehen wird, wenn's entweder kein Wasser mehr heraufzupumpen gibt, oder der Absatzmarkt nicht mehr da ist, oder sonst was geschieht: Ruinen und verwahrloste Ueberbleibsel eines Booms werden noch jahrzehntelang sichtbar sein. Wie war es doch mit den Salpeterabbaustätten oder den vielen Minen? Ausländische Firmen beuteten nicht nur die Bodenschätze, sondern auch die einheimischen und zugewanderten Arbeiter skrupellos aus. Und wenn es nicht mehr rentabel war, wurde alles verlassen und zerfiel langsam. Ja, wir begegnen in Chile vielen Ueberbleibseln der Mentaliät: "sich holen, was zu holen ist und liegenlassen, was nicht mehr rentiert". Zunehmend bedrückt mich das. Und genau so in einer Stimmung lese ich in meinem Dumont-Führer unter "Grenzen der Zivilisation: ....Die Absolutheit, mit der das Primat wirtschaftlicher Interessen immer noch vor die Erhaltung natürlicher Ressourcen gestellt wird, ist frappant - folgt jedoch einer langen chilenischen Tradition...." - Wir haben das Auto zurückgebracht und fahren eine Nacht mit dem Schlafbus nach Santiago, wo wir unseren Freund von Puyuhuapi, Emilio Marisio, besuchen wollen.

Der italienisch elegante Betrieb unseres Freundes Emilio
Hans schreibt:
Wir freuen uns beide, als Emilio uns abholt und in den Familienbetrieb führt. Emilio und sein Bruder Vittorio produzieren in ihrem modernen Werk Schalter, Steckdosen und Zubehör für Hausinstallationen (siehe www.marisio.cl )

Im Betrieb unseres Freundes Emilio und seines Bruders Vittorio Marisio
Dank Innovation und modernem Design konnten sie sich bis heute gegenüber ihrem grossen Konkurrenten Legrand aus Frankreich behaupten. Da jedoch auch in Chile die Lohn- und Lohnnebenkosten spürbar sind, sehen sie sich trotz ihrer sehr sozialen Grundhaltung gezwungen, einfache Standardteile in China zu beziehen und als Handelsware zu vertreiben. Die italienisch stämmigen Unternehmer Emilio und Vittorio können stolz auf ihren sauberen, mit modernen Methoden und Maschinen produzierenden Betrieb sein. Bei mir kam ein wenig "Heimweh" hoch. Es wäre doch auch wieder einmal interessant, aktiv als Ingenieur tätig zu sein!

Abstecher in die chilenischen Schweiz
Wir könnten doch die nächste Strecke nach Süden - von Santiago nach Chillan - mal mit dem Zug reisen, wenn es schon einen gibt! Drei Stunden flitzen wir durch flaches, fruchtbares Land, dessen helles Grün in der Frühlingssonne leuchtet. Doch plötzlich beginnt es so komisch zu stinken, wie nach verbranntem Kabel oder Gummi oder so. Und kurz darauf stehen wir mitten auf einer Wiese still. Das Zugspersonal untersucht den Schaden und der Lokführer - in weissem Hemd und Krawatte!- zwängt sich nach etlicher Zeit unter die Lok, um die blockierte und ausgeglühte Scheibenbremse abzuhängen. Ja, es gelingt, und wir können mit etwa einer Stunde Verspätung weiterreisen. Die Hostess übergibt allen Fahrgästen einen Gutschein, mit dem die Strecke innert 30 Tagen nochmals gratis gefahren werden kann. Da der nächste Bus über Villarica fährt, beschliessen wir, statt direkt nach Puerto Montt zurückzukehren, noch einen kurzen Abstecher zu machen. Wir wollen versuchen, Wolfgang von der Segeljacht "Wilde Mathilde" ausfindig zu machen. Wir kennen ihn übers Patagonian net (die tägliche patagonische Funkrunde, an der wir ab und zu teilgenommen haben). Er und seine Frau Gabi haben sich nach 9 Jahren Segeln bei Villarica Land gekauft und drei Häuschen gebaut. - Die Seen-Gegend um Villarica gleicht wirklich der Schweiz: grüne Wiesen, gefleckte Kühe, Seen und kühles Klima. Nur die Berge sind anders: schneebedeckte, kegelförmige Vulkane. Wir geniessen zwei schöne Tage in einer kleinen Pension direkt am See, in der wir die einzigen Gäste sind, und von der Besitzerin mit reichhaltigem Frühstück auf schneeweissem Tischtuch verwöhnt werden. Wir machen auch Wolfgang ausfindig und im Café plaudern wir lange und angeregt. Schade, dass wegen dem deutschen Feiertag der Wiedervereinigung alle seine Häuschen voll besetzt sind, denn wir wären gerne für ein paar Tage zu ihnen aufs Land umgezogen. Auch Gabi und Wolfgang bedauern es sehr. Wir versprechen, das nächste Mal nach Voranmeldung zu kommen.
In der chilenischen Schweiz: See und Vulkan Villarica Velotour in der Umgebung von Pucon
Mit dem Fahrrad erkunden wir die Gegend um den Sommer-Touristenort Pucon. Wir liebäugeln auch mit einer Besteigung des Vulkans Villarica, die man mit Führer und inkl. ganze Ausrüstung buchen könnte. Doch jetzt, nach 11 Wochen, müssen wir endlich zu CASIMU zurück.

CASIMU war brav
In der Marina Oxxean in Puerto Montt treffen wir alles in bester Ordnung an. CASIMU empfängt uns zwar etwas kühl, aber genau so wie wir ihn verlassen haben. Und nun wartet eine lange Liste von Arbeiten und Erledigungen auf uns: Rettungsinsel warten lassen, Windsteuerung wieder montieren und perfektionieren, Rigg kontrollieren und schmieren, Rumpf waschen und wachsen, Relingsstützen dichten, Luken schmieren, Winschen zerlegen, reinigen und schmieren, den in die USA geschickten Autopiloten aus dem Zoll holen und wieder einbauen, Route planen und Handbücher und Segelkarten für den unendlich grossen Pazifik organisieren, Reiseberichte schreiben und Informationen über Patagonien und Feuerland für andere Segler zusammenstellen, Notruder erfinden.....(das geht noch lange so weiter!!) Auch müssen wir uns zu der Entscheidungen durchringen: Sollen wir einen grossen Parachute-Anker bestellen, und was ist, wenn unser Grosssegel sich mal nicht mehr aus- oder einrollen lässt? Ein konventionelles Erstatzsegel wäre nicht schlecht, bräuchte ja nicht neu zu sein. Das sind wieder kostspielige Investitionen und wo stauen wir denn das bloss noch alles? Unsere beiden Heckkabinen sind jetzt schon prall voll, so dass für Freunde, die in der Südsee gerne ein bisschen mitsegeln möchten fast gar kein Platz bleibt! -Wir sind hier nicht die einzigen Segler, die am Boot arbeiten und Pläne schmieden; nein es hat da noch etwa ein halbes Dutzend andere bewohnte Segelschiffe: BIRIBI B mit Mani dem finnischen Bootsfachmann, MARIDA mit dem holländischen Paar Siske und Adri, NO KOMIS mit dem kanadischen Paar Barbara und Terry, BOEKRAH mit dem Holländer Gerhard, LIBERTAIRE mit den beiden Franzosen, GYDA mit dem Norweger Eywind.... Fast alle haben ältere Boote als wir und noch mehr Arbeit! Gegenseitig hilft man sich aus mit Rat und Tat und Material. Es bleibt auch immer wieder Zeit für einen Schwatz, einen Spass oder ein gemeinsames Nachtessen.

Unsere Pläne
Wieso wir so lange nicht weitersegeln, werden wir etwa gefragt: Im Südpazifik ist vom November bis April Hurricansaison, das heisst, in diesen Monaten muss man entweder noch nicht im Südpazifik oder dann schon in Neuseeland sein. Ende Juli war es uns einfach zu spät, loszusegeln. Wir hätten den ganzen Südpazifik in etwa 3 Monaten durcheilen müssen. Jetzt können wir noch nicht starten, weil wir sonst zu früh im Hurricangebiet ankommen würden. So müssen wir uns hier noch etwas gedulden. Im November fliegt Hans für drei Wochen in die Schweiz, um seine Eltern zu besuchen, und ich unternehme ein weiteres "Reisli" mit meiner Freundin Christiane. Im Dezember werden die letzten Arbeiten erledigt und Schiff und Mannschaft segeln sich hier herum ein, um dann etwa anfangs Januar nach den Robinsoninseln Juan Fernandez aufzubrechen. Weiter wird's dann wohl zu der Osterinsel, evt. Pitcairn, Gambier - Inseln .....immer weiter Westen gehen.