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Unfreundlicher Pazifik - Lorenz von Beveridge - Am einsamen Riff - Niue, die Abenteuerinsel - Diese Jachties! - Weitere Höhepunkte

Wir haben wieder Glück: trotz recht starkem Wind und Regenschauern begegnet uns auch bei der Ausfahrt der gefürchtete Pass von Mopelia harmlos. Schon bald verschwinden die Palmen des lieb gewonnenen Atolls im Grau des Morgens. Adieu, Französisch Polynesien!

Unfreundlicher Pazifik
Aus dem Logbuch: "Freitag, 25. Juni, 3. Tag auf See:
Unendliche, graue Pazifiknacht

Die Nacht vom 25. auf den 26. ist so eine: dunkel, unberechenbar und hinterhältig. Sie will nicht enden. Ueber 12 Stunden ist es Nacht. Bis zum Ende meiner ersten Wache um Mitternacht hätte der Halbmond geschienen, wenn die dicken Wolken ihn nicht verschluckt hätten. Ein gespenstischer Glanz auf dem schwarzen Wasser, ein silberner, fahler Streifen, der auf der Steuerbordseite bis zum Schiff reicht; das ist alles. Dunkle Wände vor mir und eine, die sich achtern in der Windrichtung zusammen braut. Die Böen nehmen bis zu 30 Knoten zu, CASIMU luvt an, obschon Aries, die Windsteuerung, abfällt und abfällt. Sie ist am Anschlag. Ich greife ins Steuerrad und drehe es ins Lee. Das wiederholt sich einige Male.

Nach 4 Uhr, auf meiner zweiten Wache dasselbe: Böen, doch Aries mag sie diesmal zu halten, da die Wellen etwas kleiner sind. Schauer, kaum Sicht, kein Stern! Im Radar erkenne ich die niedrigen Regenwolken gut. Hoffentlich ist kein Schiff darin versteckt! Bei ausgeblendetem Regen ist zum Glück kein Schiffsecho sichtbar.

Hopp, Niedergang hoch, ein Segel schlägt! Eine Welle hat CASIMU herum geworfen. Aries bringt es wieder in Ordnung. Röbbi muss zweimal vom Schlafen aufstehen. Seit er die Segel gerefft hat, laufen wir zwar unruhiger und langsamer, dafür bin ich nicht dauernd auf dem "qui vit".

Samstag, den 26. Juni, 4. Tag auf See: Sturmnacht auf dem Pazifik, zwischen Aitutaki und Palmerston (Cook Inseln).
Der Tag beginnt grau und Wolken verhangen. Immer wieder Schauer. Ich dusche hinten auf der Badeplattform mit dem Eimer, trotz eines bereits recht hohen Seegangs. Mittags haben wir das gute Etmal von 151 sm erreicht. Etwa um 17 Uhr beginnt der Wind nochmals zuzulegen: 30, 35, 40 Knoten. Von der Genua und dem Grosssegel stehen nur noch kleine Dreiecks-Fetzchen. Röbbi steuert jetzt von Hand, denn die Wellen sind gross und wir haben Angst, CASIMU könnte unter der Windsteuerung querschlagen.

Wir sind ziemlich nördlich von Aitutaki (Cook I.). Es wird dunkel und wir haben eine lange Nacht im Sturm vor uns. Die starken Winde gründen nämlich diesmal nicht nur von einer passierenden Regenfront, sondern etwas länger Dauerndem (im Wetterfax erkennen wir eine stehende Front). Der Wind bläst uns kalt und schnell abwechselnd warm ins Gesicht. Das haben wir beide noch nie erlebt. Die Wellenberge sind jetzt beängstigend hoch. Der Wind pfeift im Rigg und ab und zu knallt laut eine Welle an die Seite von CASIMU. Jedes Mal fahre ich zusammen. Wir sind beide wach und angespannt. Mit einem winzigen Fetzchen ausgebaumter Genua steuert jetzt wieder Aries.

Wir laufen vor dem Starkwind ab. Der Kurs stimmt zwar nicht und wenn wir so weiter fahren, treffen wir am frühen Morgen aufs Palmerston Atoll, das wir eigentlich ziemlich nördlich hätten liegen lassen wollen. Bei diesen stürmischen Winden ist ja kaum an ein Ankern am Aussenriff zu denken. Jedes Stückchen Land in der Nähe ist jetzt eine zusätzliche Gefahr. Ich habe zwischendurch Angst vor diesen riesigen, schwarzen andonnernden Ungeheuern mit den weiss bleckenden Zähnen oben drauf. Oft scheinen sie CASIMU verschlingen zu wollen. Doch er reitet immer wieder auf ihnen hoch und dann tief ins Tal hinunter.

Schlafen kann ich nicht, wenn ich im Salon liege. Alle meine Sinne sind zu angespannt. Auch Röbbi schläft kaum. Er sitzt meist draussen, um im Notfall eingreifen zu können. Ich bereite ihm ein kräftigendes Müesli mit Trockenfrüchten, ich esse den Gemüsereis mit Seeschwalbeneiern von gestern auf. Hungrig sind wir zwar nicht besonders, aber wir müssen bei Kräften bleiben. Der Wind nimmt nicht ab, sondern noch zu. Er bläst jetzt fast dauernd mit 40 Knoten oder drüber. Die Spitze ist 48 Knoten. Wenn er zwischendurch auf 35 Knoten nachlässt, bin ich schon erleichtert und finde, der Wind sei nicht mehr allzu stark. Der Mond wirft einen Silberstreifen bis zu CASIMU.

Endlich, endlich wird es Morgen. Das Wetter ist etwas heller und Palmerston liegt bald ziemlich im Süden! Auf Gerrys Funknetz hören wir vom westlichen Starkwind auf den Gesellschaftsinseln: eine Yacht ist in Raiatea gestrandet, in der Maeva Beach (Papeete) hat in der vergangenen Nacht kaum jemand geschlafen und viele Anker nicht gehalten .... Der Wind hält mit 7 Beaufort an und die Wellen sind riesig! Nun, uns ergeht es immer noch besser als den Hartmanns, die in ihrem Buch "Pacific High" beschreiben, wie entsetzlich diese Strecke für sie war, meist mit starkem Gegenwind aus Westen!!

Sonntag, den 27. Juni, 5. Tag auf See: Der Starkwind hält an
Am Sonntag ist es nach wie vor rauh, doch da die Sonne scheint, ist es halb so bedrohlich und die Wellenberge - wenn ich sie entspannt zu betrachten suche -faszinierend. Eigentlich müsste es bei 6 Knoten Fahrt reichen, am Dienstagmittag beim Beveridgeriff zu sein. Doch ob wir bei so viel Wind und Seegang dort einlaufen können?

Die Fahrt ist nach wie vor anstrengend: die starken Schiffsbewegungen lassen jede Kleinigkeit nur mit äusserster Konzentration ausführen: Tee in die Tasse giessen zum Beispiel oder Zähne putzen, sich anziehen....Eine Hand ist immer am Festhalten und die Beine stets am Abstützen! Das östliche Gebot "Sei ganz im Hier und Jetzt !" wird zur absoluten Notwendigkeit.

Dienstag, den 29. Juni, 7. Tag auf See:
Riffring Beveridge und Lorenz von B.
Plötzlich - ich stehe nachts im Niedergang - riecht es stark nach Fisch und ich höre etwas schlagen: ein recht grosser fliegender Fisch liegt in der Luv-Gangway. Schnell hole ich Taschenlampe und Handschuh und werfe ihn ins Meer zurück. Doch vielleicht hat er sich mit dem starken Geflatter an Bord bereits verletzt?

Wir kommen gut voran. Eigentlich wäre jetzt auch guter Wind um gleich nach Niue weiter zu segeln. Doch wir sind beide müde und erhoffen uns einen einigermassen ruhigen Ankerplatz an der Ostseite des Riffringes, so dass wir wieder mal durchschlafen und "normal" leben können. Zudem freue ich mich auf das Schnorcheln an einem ganz unberührten Riff." So weit aus dem Logbuch.

Lorenz von Beveridge schaut zu Zurück vom Schnorcheln am Riff

Beveridge
ist ein Riffring von etwa 5 km Durchmesser, der bei Flut total unter Wasser und bei Flaute mit ein paar Korallenblöcken knapp aus dem Wasser guckt. Ringsum erreichen die Tiefen des Pazifiks bald ein paar Tausend Meter! Es ist auf keiner Landkarte zu finden, denn "Land" gibt es nicht. Auf der Ueberseglerkarte ist es Stecknadel gross eingetragen mit dem Vermerk, dass es drei Seemeilen nordöstlich liegen solle! Eine detaillierte Seekarte vom Beveridgeriff existiert nicht. Doch wir haben GPS - Angaben aus dem Buch "Pacific High" von Hartmanns und eine Skizze aus dem Internet, die wir unter Niue gefunden haben.

Als wir zwischen den brechenden Wellen in den recht breiten und ausreichend tiefen Pass einfahren wollen, prasselt ein zünftiger Regenschauer mit Böen auf uns nieder, Sicht gleich Null. Also, wenden und draussen warten. Beim zweiten Anlauf ein weiterer Schauer, doch etwas Sicht. In der Lagune ist es sofort ruhiger, auch wenn der starke Ostwind einige Wellen aufzubauen vermag. Nach etwa einer halbstündigen Fahrt quer durch die Lagune suchen wir hinter dem östlichen Riff einen von Korallen freien Ankerplatz.

Das ist wieder einmal eine langwierige Suche. Nach den Prognosen soll der Wind von Osten auf Norden und eventuell Nordwesten drehen und auch beim Schwojen sollte die Ankerkette sich nicht um eine Koralle verwickeln. Ich bin am Steuer ziemlich gestresst, zudem müde und kriege Kopfweh. Haben eigentlich nur wir stets diese elende Suche nach einem geeigneten Ankerplatz?! Bei anderen lese ich nie etwas davon!

Endlich fällt der Anker und das Motorgeräusch erlischt. Weit und breit keine Seele und kein Vogel, nur blaues Wasser und die brechenden Wellen am Riff.

Lorenz von Beveridge
Wir sind noch nicht lange fertig mit Ankern, da sitzt plötzlich ein Brauntölpel auf dem Sonnenverdeck. Wo kommt denn der her so allein? Weit und breit kein zweiter Vogel. Er scheint munter und bleibt den ganzen Nachmittag und die Nacht an seinem Platz über uns. Ob er ausruhen will? Am nächsten Morgen lässt er sich tolpatschig ins Wasser plumpsen und verschwindet für etwa eine Stunde - wir nehmen an zum Fischen -, dann ist er wieder auf dem Schiff und probiert verschiedene Plätze aus: Bug, Salonluck, Seitengang usw. Schlussendlich sitzt er wieder oben auf dem Sonnenverdeck. Er putzt sein Gefieder sorgfältig, schläft viel und lässt sich durch unsere Nähe und Hantierungen überhaupt nicht stören. Wir vermuten, dass er von einer weiten Reise erschöpft sei oder vielleicht auch traurig, da er sein "Gspänli" verloren hat? Tölpel sind immer zu zweit und jetzt ist er ganz alleine!

Wir taufen ihn "Lorenz von Beveridge" und sprechen ihm gut zu. Ich offeriere ihm Seeschwalbeneier von Mopelia, doch er interessiert sich nicht dafür. Nachts sitzt er immer noch oben auf dem Sonnenverdeck und balanciert im Schlaf, als ein heftiger Regenschauer auf ihn runter prasselt. Am Morgen kauert er unter dem Steuerbänklein und geht nicht weg, um zu fischen. Auch putzt er sich heute nicht, hockt nur so apathisch da und "schiisslet" eine Unmenge. Er mag es nicht, darin zu stehen und rutscht etwas weiter. Ich befürchte, dass er sich beim Manöverieren auf dem Schiff den rechten Flügel verrenkt haben könnte, denn den streckt er weiter aus als den linken. (An Land sind sie ja sehr ungeschickt, deshalb der Name "Tölpel". Aber dafür hervorragende Flieger und Fischer!)

Wir machen uns zunehmend Sorgen um ihn und muntern ihn auf. Ich weiche ihm getrocknete Thunfischstreifen auf, doch er frisst wieder nichts. Später, als wir vom Schnorcheln zurückkehren, hockt er unten auf der Badeplattform, hebt immer den Schnabel und schnappt nach ....? Ich versuche ihm mit der Pipette Wasser in den langen Schnabel zu träufeln, doch er schluckt es nicht. Als er abrutscht, hebt ihn Hans hoch, er ist sehr sehr leicht. Was sollen wir bloss tun? Vielleicht will er doch ins Wasser, das ist ja sein Element. Hans fasst ihn nochmals sorgfältig an - er lässt alles mit sich geschehen - und setzt ihn aufs Wasser. Er wird von Wind und Wellen davongetrieben, wie ein Papierschiffchen. Noch lange verfolge ich ihn mit dem Feldstecher. Immer wieder senkt und hebt er den Schnabel, als ob er trinken würde..... Vielleicht, vielleicht kann er sich erholen? Vielleicht will er auch nicht mehr leben so allein, ohne "Gspänli" ?

Er fehlt uns und wir sind traurig, dass er weg ist. Woher er kam, wieso er im Beveridgeriff war und uns als letzten Halt gefunden hat, bleibt ein Rätsel.

Um auf andere Gedanken zu kommen, ergreife ich die Fegebürste und den Eimer und schrubbe lange all die vielen "Souvenirs" weg, die uns Lorenz von B. im Heck hinterlassen hat. Seit da ist kein Vogel mehr zu sehen.

Am einsamen Riff
Bei Niedrigwasser liegen wir recht ruhig, doch bei Hochwasser schwappen die Wellen übers Riffdach und CASIMU tanzt etwas. Das Schnorcheln am Riff ist einmalig: Das Wasser ist kristallklar und bei Sonnenlicht wunderbar. Die Vielfalt der bunten Fische ist überwältigend. Wie haben die wohl alle den Weg zum einsamen Beveridgeriff gefunden?!

Total unberührt und unverdorben von jagenden Menschen benehmen sich die meisten Fische sehr neugierig und überhaupt nicht scheu. Ganze Schwärme schwimmen mit mir und kommen sehr nahe. Leider ist das Wetter nur selten sonnig, der Wind stark und ich friere schon nach etwa zwanzig Minuten! Also krame ich den Tauchanzug von Hans hervor und kann jetzt viel länger im Wasser bleiben. Hans begleitet mich etwa ans Riff und wartet dann im Beiboot auf mich, denn er darf wegen seiner Ohrenentzündung nicht mehr schnorcheln.

Als Besonderheit entdecke ich eine attraktive, weiss getupfte Goldschwanzmuräne, die mich genau beobachtet. Natürlich hat es auch ein paar wenige graue Riffhaie, die neugierig sein können. Doch seit den Tuamotu erschrecken die mich nicht mehr so sehr.

Eine ganze Woche bleiben wir am Beveridgeriff und die Zeit verfliegt nur so. Hans hat die Steuerbord-Backskiste ausräumen, alles Material vom Meerwasser waschen und trocknen müssen. Er vermutet, dass bei dem hohen Seegang Wasser durch den Luftansaug des Motors reinkam. Also muss er mit einfachen Mitteln und ohne Werkstatt umbauen: der Luftansaug wird in die Heckkabine verlegt.
Ich habe es leichter: neben dem Schnorcheln und Haushalten darf ich schreiben.

Niue, die Abenteuerinsel
Nach einer ruppigen 24-stündigen Fahrt erreichen wir die Koralleninsel Niue - den kleinsten, selbständigen Staat der Welt - von der ich bis vor kurzem noch nie gehört hatte. Doch die Berner Segler Katrin und Dieter Henzi, die mehr als 9 Jahre mit ihrer STENGAH unterwegs waren, legten uns Niue als "die schönste Insel im Südpazifik" ans Herz. Ich habe den Niue - Artikel von Katrin im CRUISING ausgeschnitten und nochmals gelesen.

Nur ist die Situation jetzt anders, als bei ihrem Besuch. Denn vor 7 Monaten, am 6. Januar 2004, fegte HETA, der heftigste Zyklon, der sich in Niue je ereignete, genau über die Insel. Mit über 300 km Windgeschwindigkeit und 50 m !! hohen Wellen zerstörte er die meisten Häuser auf den 30 Meter hoch gelegenen Klippen, brachte viele Bäume zu Fall und entlaubte die andern mitten im Sommer. Das Spital von Alofi wurde weggefegt. HETA brach früher und viel stärker als prognostiziert über die Insel ein. Zum Glück war es Tag und die Menschen schliefen nicht in den Häusern, sondern konnten rechtzeitig vor den Flutwellen auf die zweite, etwas höher gelegene Plattform fliehen. Eine junge Mutter und ihr Kleinkind wurden im Haus getötet, alle anderen konnten sich retten.

Hier hat HETA gewütet Das königliche Bad von Avaiki

Von den früher 14 Bojen für Jachten sind bei unserer Ankunft am 7. Juli wieder vier vor dem Hauptort Alofi verankert worden. Der felsige Meeresboden ist voller Spalten und Ankern deshalb ein wenig geeignetes und unsicheres Unternehmen. Trotzdem müssen wir als fünfte Jacht vorerst mal ankern.

Den Immigrations- und den Zollbeamten holt man am Quai ab. Mit schweren, schwarzen Schuhen steigen die beiden jungen Männer aufs Schiff und hinterlassen deutliche Spuren. Mir entwischt eine eindeutige Bemerkung. Erstaunt entschuldigen sie sich. Ob sie bei den nächsten Booten ihre "Trogli"- Schuhe im Cockpit ausziehen werden, wie es auf Jachten üblich ist ?

Zum Glück wird am nächsten Tag nach unserer Ankunft eine Boje frei. Wir bekommen den Anker hoch und können bequem festmachen.

Der fest installierte Kranlift am Quai ist von den HETA - Fluten weggerissen worden. Die Fischerboote werden jetzt am Morgen um 5 Uhr von einem mobilen Kran ins Wasser gelassen und gegen 8 Uhr wieder ans Ufer gehoben. Wir, von den vier Jachten, lassen unsere Beiboote im Schwell schaukeln.

Alofi, der Hauptort, ist wenig attraktiv. Viele Häuser sind beschädigt, doch die Menschen sind sehr freundlich, grüssen alle und erzählen bereitwillig und eindrücklich vom Zyklon. Es gibt für sie eine Aera "vor" und eine "nach" HETA. Trotz dem schweren Trauma erscheinen sie ziemlich gelassen. Sie nehmen diese Naturkatastrophe an, bauen ihre Häuser langsam wieder auf und setzen kleine Kokospflänzchen. Einige haben alles verloren und Versicherungen gibt es nicht. Tahiti habe zwanzig neue Häuser gestiftet, auf die von Neuseeland warten sie noch...

Niue hat, wie Hans befürchtet, eine schwierige Zukunft. Dafür ist nicht der Zyklon HETA verantwortlich, sondern andere Gründe. Die Bevölkerung ist von ehemals über 3000 auf ca. 800 geschrumpft. Lokal produziert wird wenig, für den Export gar nichts. Versorgt wird die Insel mit neuseeländischen Gütern.

Die doppelte Staatsbürgerschaft (Niue + NZ ) bewirkt, dass die Jungen nach NZ auswandern und Geld nach Niue zur Versorgung ihrer Familien schicken. Einige kommen im Alter dann zurück, meistens jedoch nur, um zu überwintern.

Der Tourismus wird stark gefördert und bringt einige wenige Arbeitsplätze. Aber wie es halt so ist: jedes Land, noch so arm, hat seine Gastarbeiter! So sind einige Tonganeser im Gastgewerbe tätig und auch der Bäcker kommt aus Tonga.

Die Flugverbindungen sind teuer und unzuverlässig. Zur Zeit fliegt die Polynesian Air aus West-Samoa einmal die Woche die Strecke Samoa - Niue - Auckland und zurück. Aber keiner weiss, wie lange noch! In den letzten Jahren scheinen einige Fluggesellschaften, die Niue angeflogen haben, in Konkurs gegangen zu sein. So bleiben natürlich Touristen und Investitionen aus.

Wirtschaftlich ist Niue stark von Neuseeland abhängig. In den paar Geschäften gibt es ein erstaunlich reichhaltiges Angebot an Esswaren. Leider sind alle Früchte und Gemüse aus Neuseeland gekühlt. Doch auf dem Frischmarkt gibt es ein paar Tomätchen, Kürbisse, Gurken und Frühlingszwiebeln zu kaufen und natürlich Taro (eine Wurzel, die fast wie Kartoffeln schmeckt). Im kleinen Geschäftszentrum gibt es eine Bank, wo wir neuseeländische Dollars (die Währung von Niue) beziehen können, eine Post, ein Internet Café, die Touristen Information und die hübsche Coiffeuse Sala, bei der ich gleich die Haare schneiden lasse.

Bei der Neuseeländerin Mary von "Alofi Rentals" mieten wir zwei Mountain Bikes und nun beginnen 10 Tage mit langen Velotouren und unzähligen Höhlen- und Grotten-Erkundungen.

Nach der Untersuchung seines Ohrs im provisorischen "Hospital" radelt Hans um die ganze Insel, etwa 64 km, kaum Steigungen. Ich erkunde die Westküste: Bei sonnigem aber nicht allzu heissem Wetter fahre ich der Klippe entlang zu den verschiedenen Höhlen, Grotten, Pools. Oft gibt's noch eine einfache Kletterpartie bis ich jede Ecke der Höhle erkundet und in jedem Pool gebadet habe! In Avaiki entdecke ich ganz winzige, braun-weiss geringelte Wasserkrebse mit enorm langen schneeweissen Fühlern. Die einen haben Scheren, wie Miniatur-Hummer, die andern ähneln eher Langusten. Ihr Verhalten weist eher darauf, dass es sich um Weibchen und Männchen handelt.

Als ich das Velo beim Abstieg zu der nächsten Grotte in Palaha abstelle, kommt mir ein Mann mit Machete und Setzholz entgegen. Es ist Carlo, der eben Kokospflänzchen gesetzt hat und er lädt mich ein, sein 50-jähriges Haus zu besichtigen. Die Holzbalken wurden nach alter Manier mit Kokosfasern gebunden, die Wände aus Holz geflochten und mit Kalk verputzt. So etwas widerstehe eben einem Zyklon, meint er lachend (Allerdings überfluteten die Wellen sein Haus nicht!).

Er erzählt mir, dass er früher in einer Pneufabrik in Australien arbeitete, nie verheiratet war und keine Kinder hat, aber zufrieden sei. Er besitzt zwei gute Fahrräder, eines nigelnagelneu. Er fahre stets Velo, doch die angriffigen Hunde seien lästig. Hunde? Ich wurde bisher noch von keinen belästigt.

Er schenkt mir von seinen wenigen Habseligkeiten ein altes Wassergefäss aus einer Kokosnussschale. Er ist sehr sympathisch und unkompliziert, lacht viel und wir haben es sehr lustig zusammen. Als ich im Garten seine Bananenstauden sehe, erkundige ich mich, ob er die Blüten verwenden würde. Er lacht laut und kann sich nicht vorstellen, wozu man sie brauchen könnte. Doch ich bitte ihn, sie für mich abzuschneiden, was er gerne tut. Ich habe nämlich am Vorabend, beim Apéro auf der amerikanischen Jacht MUSIC, einen feinen Brot- oder Crackeraufstrich aus Bananenblüten serviert bekommen und fand ihn ausgezeichnet. Cathie verriet mir auch das Rezept.

Nach dem Höhlenbesuch fahre ich zum Schnorcheln zu den geschützten Becken in Limu. Ich schwimme unter dem Felsbogen durch und entdecke in beiden Becken die für Niue typischen schwarz-weiss geringelten Seeschlangen, die giftiger als Kobras sein sollen, aber nicht bei jedem Biss Gift aussenden würden ... (welch ein Trost!). Doch sie sind eher scheu, ausser einer, die auf mich zu schwimmt, was mein Herz etwas höher schlagen lässt. Nach einem einfachen Picknick radle ich weiter. Ist das herrlich, so ohne Verkehr und inmitten von vielen Schmetterlingen! Doch, o weh! Im nächsten Dörfchen rennt mir ein Rudel bellende Hunde entgegen und heftet sich an meine nackten Waden!

Am Nordwestende der Insel wandere ich über scharfe Korallenfelsen zu den Felsbögen von Talava. Durch eine eindrückliche Höhle klettere ich anschliessend über ein paar Felsbrocken und bestaune lange das Schauspiel der brechenden Wellen am Bogenpfeiler. Das Licht ist klar und der Himmel wunderbar blau. Auch hier bin ich wieder mutterseelenallein.

Die Felsbrücke von Talava Abkühlung im Königsbad von Matapa

Eine letzte Abkühlung gibt's vor der Heimfahrt im ehemaligen Königsbad von Matapa, einer eindrücklichen Schlucht.

Am nächsten Tag führe ich Hans an all die gestern erkundeten Kalksteinwunder. In Avaiki beobachten wir im seichten Wasser ein eigenartiges Kopffüssler-Tier. Lang und schwarz reicht sein Körper aus dem Felsloch und die kleinen "Zehen" vorne an den Beinchen pflücken Algen und stossen sie in den Schlund. Ist es etwa verwandt mit der Seegurke, die nebenan erstaunlich schnell über einen steilen Felsbrocken klettert?

Abends holt uns Dean, der Manager vom herrlich gelegenen "Matavai Resort" zum Barbecue-Abend ab. Wir geniessen es, wieder einmal auswärts zu essen und nach langem wieder viel Salat, herrlichen "Poisson cru" und etwas Fleisch zu essen.

Seit gestern rollen die vier Jachten heftig an den Bojen, denn der Wind hat gegen NW gedreht und der Schwell steht voll in die offene Bucht von Alofi. Der Sonntag ist heilig und viele Tätigkeiten sind unschicklich. So begeben wir uns in die grosse "Ekalesia" zum Gottesdienst, wo wir etwas nass und verregnet hinter schneeweissen Röcken und wunderschönen Hutmodellen in einer der hinteren Bänke Platz nehmen. Neben uns sitzt Ted von der kanadischen Jacht DRAGON STAR. Er war Gymnasiallehrer und hat vor 37 Jahren in Niue an der High School unterrichtet. Der Pastor begrüsst uns Fremde speziell auf englisch. Die Gesänge sind anfangs weniger kraftvoll als auf Fatu Hiva, werden später aber lauter und überzeugend.

Diese Jachties!
Auf dem Katamaran SASKIA ist der Laptop bei der rauhen Ueberfahrt nach Niue runtergefallen und nun kann das russische Pärchen die elektronischen Seekarten nicht mehr lesen. Der zweite, alte Laptop ist dazu nicht zu gebrauchen und Papierkarten haben sie nicht!! Nun hat Hans zu tun; doch auch er kann trotz Stunden langer Bemühungen den Computer nicht wieder zum Leben erwecken.

Todd, der junge Einhandsegler von SALMON BERRY, hat dafür nur einen kaum zu gebrauchenden Aussenborder an seiner Jacht und keine ausreichende Stromversorgung. So segelt er nachts stets ohne Licht und schläft!

Ken und Cathie von der MUSIC haben 1500 sm vor den Galapagos einen Ruderschaden erlitten, später bei Starkwind in den Tuamotu 120 m Kette (sie war um eine Koralle gewickelt!), den Anker und ihr aufblasbares Beiboot verloren. Nach etlichen Tauchversuchen von französischen Jachties konnten Anker und Kette zum Glück geborgen werden.

Jenny und Net, Mutter und Sohn, von der australischen Jacht HELIOS haben ebenfalls Pech. Ihnen ist der Propellerschaft beim Getriebe gebrochen. Eine Reparatur ist vermutlich erst in Tonga möglich. So müssen sie ohne Motorunterstützung ihren Weg fortsetzen!

Erfreulicherweise ist unser Seglerleben in dieser Hinsicht bisher äusserst ereignislos verlaufen.

Unter uns 9 Seglern haben wir es oft gemütlich: DRAGON STAR hat einen grossen Mahi Mahi (Goldmakrele) gefangen und so gibt's ein gemeinsames Abendessen auf MUSIC, wo jeder etwas mitbringt fürs Buffet.

Weitere Höhepunkte
Die nächste Tour führt uns durch den "Huvalu Forest" an die Wind- und Wellen gepeitschte Ostküste. Wir sind erschüttert über die vielen, vielen verlassenen Häuser!

Als ich die vom Touristenbüro als "no recommended" Höhle Vaikona erforschen will, komme ich ein paar Mal vom rot markierten, scharfen Korallenweg ab und stecke immer wieder in riesigen, klebrigen Spinnennetzen, gelange aber schlussendlich doch noch zum engen Höhleneingang. Geduckt klettere ich eine schräge Felsplatte hinunter und dann an dicken Stricken eine senkrechte Felswand zu den Pools hinunter. O weh, sind die Felsbrocken unten glitschig! Ich gucke den imposanten felsigen "Kamin" mit den dekorativen Pflänzchen hoch. Noch bescheinen ein paar Strahlen der Mittagssonne eine kleine Stelle im tief liegenden Wasser. Doch der Rest der Pools ist so dunkel, dass es mir zu unheimlich ist, darin zu schwimmen und unter den Felsen durch zu tauchen. Ferner bin ich allein, denn Hans hatte nochmals einen Termin bei der Aerztin. Lieber mache ich mich auf den Rückweg und stoppe noch im schon bekannten Togo, wo der Zugang zur Schlucht einfacher und ein helles Sandbecken mit ganz klarem Wasser einladender ist.

Terrassen an der Ostküste Bei Togo

Jetzt freue ich mich auf das kühle Bier und Chips auf der Terrasse des Matavai Resorts, wo mich bereits alle zu kennen scheinen! Die junge Frau an der Bar, die ich noch nie sah, meint:" You are the wife of Hans, are you?" Auf mein erstauntes "How do you know..?", meint sie: "The island is very small...." (Später stellt sich heraus, dass sie die Aerztin von Hans ist und mich am Akzent als Schweizerin erkannt hat!)

An diesem Abend bin ich zufrieden aber körperlich ziemlich erschöpft. Vielleicht habe ich mir etwas viel zugemutet ?

Am Donnerstag gibt es im "Niue Jacht Club" einen Barbecue -Abend. (Dank den Leuten des Jachtclubs gibt es für uns gegen eine geringe Gebühr die starken Bojen in der Bucht.) Nicht dass es ausser unseren inzwischen 5 Jachten noch eine andere, einheimische gäbe, nein! Etliche Mitglieder und Sympathisanten finden sich an diesem Abend im Clubhaus ein: viele Neuseeländer, die da arbeiten und wohnen, Einheimische (von Samoanern und Tonganesen abstammend), Leute von der Australian Aid, die den Autokran warten und die Hauptpersonen, für die so ein Abend stattfindet: wir von den ausländischen Gast-Jachten. Es wird viel und laut geplaudert und gelacht, es fliesst ausgiebig neuseeländisches Bier und am Buffet werden die Teller mit Fleisch und einer reichhaltigen Auswahl an Salaten beladen.

Ich wollte immer mal mit "Niue Dive" tauchen gehen, doch das Meer war zu bewegt. Am letzten Tag vor unserer Abreise fährt Ian, der Inhaber von Niue Dive einen Kunden zum "Whale watching" und ich begegne sie zufällig am Quai. Ob ich zusteigen dürfe? Nicht weit von unseren Jachten sind öfters Buckelwale zu sehen, so auch an diesem Freitagmorgen. Wir wollen mit den Walen schnorcheln. Doch das ist nicht so einfach, denn die beiden erwachsenen Wale neben uns schwimmen schneller als eine Walmutter mit Kind. Dennoch können wir sie gut beobachten und begleiten.

Auf dem Rückweg sind wir plötzlich mitten in einer riesigen Delphinschule. Sofort mit Taucherbrille und Schnorchel ins Wasser und am Beiboot hängend schwimme ich mitten in den Delphinen. Da das Wasser um Niue einmalig klar ist, sieht man sie bis tief hinunter. Wie leicht sie im Wasser turnen und sich zu vergnügen scheinen. Viele junge Delphine schwimmen ganz nahe bei der Mutter. Ach, ist das schön!!

Ja, es gäbe noch viel zu erzählen von unseren Exkursionen, Begegnungen, Eindrücken. Es war wirklich ein guter Tipp, diese einmalige Korallen-Insel anzulaufen, auch wenn der Weg dahin ruppig und beschwerlich war.

Am Freitag klarieren wir alle aus und am Samstag, den 17. Juli, verlassen vier Jachten unter Segel die bequemen und sicheren Bojen von Alofi, trotz nicht mehr eindeutiger Wettersituation!

Tonga, Vava'u Gruppe, den 27. Juli 2004

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