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Am andern Ende der Welt - Vetea und Lionel von Mopelia,
ein Leben in der Natur
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Wanderung um die Insel Maupiti |
Blick auf die Lagune von Maupiti |
Nach ein paar Tagen in der schönen Lagune von Maupiti
fahren wir bei wenig Wind und ruhiger See die 100 Meilen nach
dem vergessenen Mopelia (oder Maupihaa), der letzten
und einsamen Gesellschaftsinsel. Mopelia liegt wirklich am anderen
Ende der Welt: 180 Längengrade und 12 Stunden Unterschied
zu Bern. Fast alles ist hier anders als in Europa und welch
ein Unterschied auch zum Leben auf Tahiti!
Der knapp 20 Meter schmale Pass durch die Korallen in die Lagune
ist gefürchtet und verrufen, denn ein ständiger starker
Strom nach aussen und heftige Strudel werfen die Schiffe herum
und lassen uns Segler zittern. Ein starker und zuverlässiger
Motor ist notwendig! Oft kann die Einfahrt in die Lagune nicht
erfolgen, da zu gefährlich.
Wir haben Glück: infolge des ruhigen Wetters ist auch
die Einfahrt durch den Pass an diesem Mittag harmlos. Herzklopfen
war verfrüht! Schon fällt der Anker bei den nahen
Motus der Vögel: unzählige grosse Fregattvögel,
Tölpel und Tausende von laut kreischenden Seeschwalben
leben und nisten hier. Wir beobachten sie auf unseren Spaziergängen,
wobei die Seeschwalben - trotz gebührendem Abstand unsererseits-
recht aggressiv reagieren. Der Grund ist wohl der, dass die
paar Bewohner des gegenüberliegenden Motus ihnen etwa
die Eier stehlen (und wir ein paar Tage später auch!).
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Der enge, strömungsreiche Pass durch die Korallen
in die Lagune von Mopelia |
Grosse Fregattvögel haben eine Spannweite bis 180
cm |
Tags darauf verholen wir CASIMU fünf Meilen weit bis
zu dem südlichen Ende des langen Motus Maupihaa,
wo wir vor weissem, feinem Sandstrand und Kokospalmen ankern.
Nachmittags steht ein junger, schüchterner Mann an der
Cockpitreling. Lautlos kam er mit dem orangen Paddelbrett an.
"Bonjour, ça va?" Wir beginnen zu plaudern.
Er heisse Vetea. Als wir aufs Fischen zu sprechen kommen,
berichtet er, dass er einige Tage nicht arbeiten und harpunieren
konnte, da er eine böse Entzündung am Fuss hatte.
Doch seit drei Tagen schlucke er Antibiotika. Die Lymphknoten
seien am Abschwellen und die Infektion am Abklingen.
Er hebt ein Medikamenten-Schächtelchen hoch: "Est-ce
que vous changez des perles pour d' alcool?" Auf meine
Frage, was denn für Alkohol, meint er: "N' importe
quoi: Whisky, Pastis, Rhum...." Er zeigt mir die Perlen,
die er in der ungeeigneten Schachtel aufbewahrt. Vetea macht
nicht den Eindruck eines Alkoholikers, doch ich antworte vorerst,
ich müsse es mir überlegen, denn ich gebe diesen jungen
Männern ungern Alkohol. Ausserdem haben wir nur ein paar
wenige Flaschen an Bord. Ich würde später bei ihm
vorbeischauen und auch noch eine Salbe und Verband für
den infizierten Fuss mitbringen.
Später fahre ich mit dem Beiboot zu der unbedeckten Hütte
am Strand. Drei Hunde begrüssen mich bellend. Vetea hat
schon eine Kokosnuss vorbereitet, damit ich sie trinken kann.
Ich gebe ihm die Antibiotikasalbe, ein kleines, mit Watte ausgelegtes
Kosmetiktöpfchen, um die Perlen darin aufzubewahren und
eine Flasche Rhum. Gleich holt er die schwarzen Perlen. Sie
sind natürlich nicht von bester und perfekt runder Qualität.
Ich wähle eine tränenförmige aus.
Die makellosen Perlen hat seine Mutter mit nach Maupiti oder
Tahiti genommen. Seine Eltern sind nämlich mit dem letzten
Schiff weggefahren und kommen erst Ende Juni wieder nach Mopelia.
Es dauert jeweils sechs Wochen bis das Versorgungsschiff wieder
kommt. Also kann keiner kürzer als für sechs Wochen
von hier wegfahren. Ob sie in Maupiti oder Tahiti sind, weiss
Vetea nicht, denn er hat keine Nachricht von ihnen. Wie denn
auch?
Das einzige Kommunikationsmittel, das die zur Zeit sieben Menschen
auf dem Motu haben, ist ein Funkgerät. Im Notfall können
sie die Gemeindeverwaltung von Maupiti anrufen. Es wird dann
sofort ein Schnellboot mit einem Arzt ausgesandt. Grüsse
von Verwandten werden jeden Abend über das polynesische
Radio gesendet und gespannt verfolgt.
Vetea führt mich etwas weiter in den Kokoshain, wo eine
Hütte steht. Der untere Stock ist offen, feiner heller
Sand bedeckt den Boden. Er wird als Werkstatt, Küche und
Essraum benützt. Oben ist der Schlafraum der Eltern. Auf
der Feuerstelle steht ein grosser, russiger Topf. Vetea deckt
ihn ab. Es ist eine Menge Ragout darin. Vetea fordert mich auf,
davon zu kosten; es sei leckeres Schildkrötenfleisch. Schildkrötenfleisch?!
frage ich erstaunt und entrüstet.
Heute morgen hätte ein Nachbar draussen vor dem Pass eine
grosse Meeresschildkröte gefangen und sie mit den andern
geteilt. Was er da in dem Topf habe, sei höchstens ein
Viertel, denn das Tier sei riesig gewesen. Ich muss mich etwas
überwinden, probiere dann aber. Das Fleisch schmeckt gut
und ist zart. Für die Einwohner hier bedeutet es eine Abwechslung
vom täglichen Fischmenu. Ab und zu der Fang eines einzelnen
Tieres ist sicher vertretbar.
Viel bedenklicher sind die kommerziellen, illegalen Schildkrötenfänger,
die immer noch ihr Unwesen treiben und für die Tiere
auf dem Schwarzmarkt viel Geld kriegen - anscheinend für
die Chinesen und den Export nach Frankreich!
Veteas Geschwister sind auf andern Inseln am Arbeiten oder
in der Schule. Er und seine Eltern züchten schwarze Perlen,
trocknen Kokosnüsse (Kopra) und fangen vor Eintreffen
des Schiffes Langusten. Einen Sack Langusten - etwa 25 kg
- tauschen sie dann gegen ein 200 l - Fass Benzin für
den Aussenbordmotor.
Ernähren tun sie sich vor allem aus dem Meer und von den
schmackhaften Eiern der Seeschwalben. Natürlich bringt
ihnen das Schiff die Grundnahrungsmittel wie Teigwaren, Mehl,
Zucker, Kaffee, Zwiebeln... Gemüse und Früchte gibt's
kaum. Süsswasser gibt's nur als Regenwasser und aus ein
paar Meter tiefen Gruben.
Elektrizität erzeugen einzelne Sonnen-Kollektoren oder
kleine Generatoren. Die Nachbarn haben eine Satellitenantenne
und einen Fernseher, der ab und zu angeschaltet wird. Veteas
Familie hat das nicht. Dafür besitzt er einen Radio mit
CD-Laufwerk und einige tahitische und amerikanische CDs. Darunter
super Jazz und Reggae!
Eine Strasse gibt's auf dem etwa 8 km langen und gegen 400
m breiten Hauptmotu nicht. Im Osten kann man über scharfe,
versteinerte Korallen dem brandenden Riff entlang marschieren,
auf der Westseite dem fast durchgehend blendend hellen Sandstrand
der Lagune folgen. Zudem führt ein alter Weg durch die
dichten Kokoshaine, den die früher zahlreicheren Bewohner
schlugen. Doch als 1997 der Zyklon "Ossua" Mopelia
verwüstete, verliessen die etwa hundert obdachlosen Siedler
die Insel und kehrten nicht mehr zurück.
Heute können Bewohner von Maupiti (uns sonst niemand!)
beim Gemeindepräsidenten um ein Grundstück auf Mopelia
anfragen, das sie dann gratis zur Nutzung zugeteilt bekommen.
Doch mehr als eine Handvoll Familien hat es bis jetzt nicht
hierhin gezogen, denn hier ist wirklich das Ende der französisch
polynesischen Welt, fast ohne Komfort und weit weg von der
Zivilisation.
Dafür Natur pur: ein grosser Fisch- und Langustenreichtum,
riesige Vogelkolonien, eine klare durchsichtige Lagune mit wunderschönen
Sandstränden und Kokospalmen, unverschmutzte Luft und wohltuende
Stille und viel Platz! All das, wovon jemand bei uns träumt!
Tags darauf ist der Fuss von Vetea fast gesund. Auf jeden
Fall kommt er uns mit dem grossen Holzboot abholen. Sein Vater
hat es aus herumliegenden Brettern nach dem Zyklon selber
erbaut. Mit dem 28 PS Motor sausen wir durchs stille Lagunenwasser.
Wir sollen harpunieren gehen.
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Vetea fährt mit uns zum Harpunieren |
und öffnet Trink-Kokosnüsse für uns |
Weder Hans noch ich jagen Fische bei den Korallen mit der
Harpune. Wir besitzen nur eine Angel und fischen bloss auf
hoher See.
Doch vorerst will uns Vetea noch eine der Perlmuscheltrauben
zeigen. Sie sind nicht wie üblich mit Bojen markiert, da
sie auch schon gestohlen worden seien, was uns sehr erstaunt!
Erst beim zweiten Tauchversuch sind wir am richtigen Ort: im
tiefen Wasser befinden sich in etwa acht Meter die Gitterbehälter
(Schutz vor Raubfrass der Rochen und anderen Lagunenbewohnern)
mit den Muscheltrauben drin. Wie an einer Unterwasser Wäscheleine
sind sie in regelmässigen Abständen aufgehängt.
Vetea knotet eine los und bringt sie nach oben ins Boot, damit
wir sie betrachten können.
Und nun geht's weiter zum Fischen. Vetea trägt einen
leichten Neoprenanzug und einen Bleigurt. Er hat einen blauen
Benzinkanister bei sich, in dessen Seite eine kleinere Oeffnung
geschnitten wurde. Mit einer umgebundenen Schnur wird das Gefäss
nachgeschleppt. Schnorchelnd machen sich Vetea und ich auf den
Weg zu den Korallen. Hans hat seit ein paar Tagen Probleme mit
dem einen Gehörgang und verzichtet aufs Schnorcheln. Er
folgt uns mit dem Boot.
Vetea taucht öfters ab, um vor einem Korallenstock liegen
zu bleiben und zu zielen. Die harpunierten Fische werden getötet
und umgehend in den nachgezogenen Behälter gelegt. So ist
die Gefahr kleiner, dass Haie angelockt werden. Ich staune nicht
schlecht, wie lange Vetea unter Wasser ausharren kann und wie
sicher er trifft! Doch Uebung macht den Meister. Er geht ja
täglich harpunieren, denn auch seine Hunde und Katzen leben
fast ausschliesslich von gekochtem Fisch.
Nach einer guten halben Stunde sind im Kanister ein Dutzend
Fische: Papageienfische, Doktorfische, "Rougets" (rote
Schweinslippfische?) und ein paar andere. Bei seinem Lagunen-Pfahlhüttchen
legen wir an.
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Die bunten Korallenfische sind die fast tägliche
Nahrung der Inselbewohner |
Hier arbeitet und schläft Vetea; zugleich ist es
das Bootshaus |
Vetea zeigt uns den Arbeitstisch, an dem er den Muscheln den
Nucleus einpflanzt, damit nachher eine Perle entstehen
kann.
Das Muscheltier produziert Perlmutt um den Fremdkörper
herum und nach zirka zwei Jahren kann im günstigsten Fall
eine makellose, schwärzliche Perle entnommen werden. Allerdings
werden auch einige der Fremdkörper von den Muscheltieren
wieder ausgestossen. Ferner müssen die äusseren Bedingungen
stimmen: etwa 20 m tiefes, sauberes Meerwasser, regelmässige
Reinigung der Muschelschale u. ä. Jede Perle ist in Farbton
und Form unterschiedlich. Ich mag die weniger perfekten tränenförmigen.
Vetea erzählt uns, dass seine Familie vor dem Zyklon von
1997 - der ihr Haus und alle andern bis auf die Kirche zerstörte
- in der Lagune von Maupiti von der Perlenzucht lebte. Anfangs
pflanzte ein chinesischer Fachmann den Nucleus ein und der verstand
sein Handwerk. Als er wegzog, übernahm diese heikle Arbeit
ein anderer und der war ein Pfuscher. So erlitt Veteas Familie
Verluste. Um diese Abhängigkeit los zu werden, schickte
der Vater seinen Sohn Vetea nach Rangiroa, dem Hauptatoll der
Tuamotu, wo sich die Fachschule für Perlenzucht befindet.
Jetzt kann Vetea die heikle Arbeit des Einpflanzens selber ausführen.
Er sagt, dass etwa 65% erfolgreich sei. Der Anteil der wieder
ausgestossenen Fremdkörper sei nicht sehr hoch.
Der Arbeitstisch ist zugleich auch die Bettstatt! Vetea erklärt
lachend, dass er nach getaner Arbeit nur den Tisch leeren müsse
und die Matratze darauf ausbreiten, schon könne er schlafen!
Nun zückt Vetea eine Essgabel und beginnt auf dem Steg
- wo jeweils auch die Perlmuscheln mit Salzwasser geputzt werden
- die Fische zu schuppen. Die Papageienfische werden dann gleich
in kleine Stücke geschnitten und in eine Glasschüssel
gelegt: "C' est pour le poisson cru." Die andern Fische
werden ganz belassen und ausgenommen: fürs Braten und Kochen.
"Du isst doch mit uns", sage ich, als Vetea mir all
die vielen Fische übergibt. "Mais non, c'est pour
vous deux! Moi, je ne veux pas manger tous les jours le poisson!"
"An einem anderen Abend isst du mit uns, eine Schweizer
Spezialität, gell!"
Doch am nächsten Abend sind wir zum Langusten Essen
bei Lionel, einem anderen jungen Mann eingeladen. Am Vorabend
sahen wir immer wieder eine helle Lampe am Riff aufleuchten.
Aha, jemand ist auf Langustenfang! Und so war es. Lionel hat
über dreissig grössere und kleinere Langusten gefangen
und lädt Vetea, uns und die beiden schwedischen Seglerpaare,
die nicht allzu weit von uns ankern, zum Langustenessen ein.
Vetea hilft bei der Vorbereitung: die Langusten werden mit Messer
und Hammer der Länge nach geteilt. Ein halbiertes Benzinfass
dient als Grill und die Schalen der Kokosnüsse als Brennmaterial.
Vetea hat seinen CD-Player mitgebracht und legt wunderschönen
Jazz auf. Wir packen zwei Flaschen Wein und unsere mitgebrachten
Teller, Gläser und Besteck aus. Die beiden älteren
schwedischen Paare sind recht ernst, sprechen kein Wort französisch
und trinken gar keinen Alkohol.
Lionel mag den Wein und trinkt auch noch selbst gebrautes Kokosbier
(mit Hefe angesetztes Kokoswasser). Das schmeckt süsslich
und ist stark! Auch Vetea trinkt mit und die beiden werden immer
lustiger und ausgelassener. Lionel strahlt übers ganze
Gesicht, wenn er uns eine weitere Languste auf den Teller legen
kann. Wir Gäste essen Langusten, bis uns "d' Ohre
waggele", den Reis rührt keiner an. Lionel und Vetea
essen nicht, solange wir dran sind; so will es der polynesische
Brauch. Sie trinken nur und werden erst zugreifen, wenn wir
schon wieder weg sind. Für uns sehr gewöhnungsbedürftig!
Zwischendurch zeigt Lionel mir ein offizielles Papier, das ihn
berechtigt, hier auf Mopelia Perlen zu züchten. Mit Handschrift
wurde beigefügt, dass er der Wächter über den
illegalen Schildkrötenfang sei... Und wie machst du das?
möchte ich von ihm wissen. Also die privaten Schnellboote
würde er nicht anzeigen, die fingen in der Regel nicht
mehr als drei Schildkröten, zudem würden sie ihm auch
Brot und anderes mitbringen. Also seien sie fast wie Freunde,
da könne er sie doch nicht anzeigen!
Ja, wir haben auch einen vierbeinigen Freund namens WHISKY.
Wenn er den Motor des Beibootes hört, kommt er dem Strand
entlang gerannt und weiss, dass wir wandern gehen. Gleich schliesst
er sich uns an. Doch er legt ein paar Kilometer mehr als wir
zurück und schwimmt und fischt zwischendurch. So kommt
er an einem Morgen mit einem jungen Schwarzspitzen-Riffhai zurück,
an dem er etwas leckt und ihn dann bei einem Gestrüpp "deponiert".
Zwei Tage später entdeckt Hans, dass an dieser Stelle bereits
zwei Haie liegen!
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Das Hunde-Original WHISKY hat einen jungen
Hai gefischt. |
Die Nüsse werden von der fleissigen
Sophie aus den Schalen gestemmt und als Kopra weiter getrocknet. |
An einem Abend brate ich Rösti mit viel Butter und Zwiebeln,
dazu neuseeländisches Corned Beef aus der Büchse,
was für die beiden Männer eine willkommene Abwechslung
zum täglichen Fischmenu bedeutet. Vor allem Vetea mag
die Rösti sehr. Zum Dessert gibt's ein selbst kreiertes
Bananencake, das ebenfalls Anklang findet. Lionel hat wieder
sein Kokosbier dabei und nach dem Wein trinkt er noch davon.
Leider greifen wir nicht rechtzeitig ein!
Tags darauf ist Langusten fangen angesagt. Vor Sonnenuntergang
holt uns Vetea ab. Casimuli, unser Schlauchboot, wird auf das
Holzboot gehoben, denn nachts werden wir zum Schiff zurückfahren,
während Vetea draussen beim Riff bleibt, um in den frühen
Morgenstunden erneut Langusten zu jagen. Bald kommt nämlich
das Versorgungsschiff an und da muss Vetea gegen 150 Langusten
bereit halten, um sie gegen die zwei bestellten Fässer
Benzin einzutauschen.
Bei den Korallen in der Nähe des Aussenriffs wird das Holzboot
bei Sonnenuntergang verankert. Gleich begrüsst uns ein
neugieriger Grauhai. Nach der Dämmerung krakseln die Langusten
vom Aussenriff hinüber in die Lagune, um im ruhigen Wasser
bei den Korallenstöcken nach Nahrung zu suchen.
Erst bei vollständiger Dunkelheit machen wir uns bereit:
Flossen, Maske, Schnorchel und Handschuhe werden angezogen.
Vetea stösst das grosse Fass, das die Batterie für
die starke Lampe enthält und zugleich als Langustenbehälter
dient, ins Wasser. Wir sollen rechts und links auf der gleichen
Höhe wie er mitschwimmen, unsere Lampe nicht anzünden
und die Langusten am Schwanz packen, aber, sie seien schnell!
So die Anweisungen von Vetea.
Es ist schon etwas unheimlich aber auch faszinierend, nachts
zu schnorcheln. Die Korallenstöcke sind dicht und reichen
hoch, so dass meist nur etwa 40 bis 50 cm Wasser über ihnen
ist. Für drei neben einander ist oft zu wenig Platz und
wir müssen gewaltig aufpassen, dass wir unsere nackten
Beine nicht zerkratzen. Blitzschnell packt Vetea die erst Languste
und schon zappelt sie im Behälter. Bald folgt eine zweite.
Die dritte soll Hans packen, doch sie entwischt ihm blitzschnell,
bevor er zugreifen kann. Er und ich werden auch irritiert durch
den neugierigen Hai, der gerade auf uns zu schwimmt. Vetea schlägt
einige Male ins Wasser, bevor der Besucher sich entscheidet,
abzudrehen.
Die Schwimmerei im seichten mit Korallen gespickten Wasser und
bei oft verschwindendem Licht ist recht anstrengend und aufregend.
Nach etwa 40 Minuten habe ich genug und deute Vetea, dass ich
umkehren möchte. Die Petrollampe auf dem Schiff hat er
vor unserem Jagdgang ausgelöscht. Wie er in der absoluten
Dunkelheit auf dem direkten Weg wieder zum Boot zurückfindet,
ist uns ein Rätsel. Während er weiter jagt, tuckern
wir den langen Weg zurück zu CASIMU. Wenn wir vom Langustenfang
leben müssten, würden wir bald beide sehr schlank
sein!
Da bei Starkwind und hohem Schwell eine Weiterfahrt recht ungemütlich
wäre, bleiben wir noch weitere Tage im paradiesischen Mopelia
bei unseren neuen Freunden.
Wir lernen auch die fleissige Sophie kennen. Ihr Mann
Calami soll zusammen mit dem vierjährigen Sohn - der bereits
in Maupiti zur Schule muss (!) und somit viele Wochen von der
Mutter getrennt ist - auf dem nächsten Versorgungsschiff
zurückkommen.
Nora und Hina, Mutter und Tochter, sind ebenfalls zur Zeit alleine.
Puha und Sate, Vater und Sohn, werden mit dem Schiff nach Maupiti
zu Frau und Geschwistern zurückkehren. Das sind die sieben
Menschen, die zur Zeit hier anzutreffen sind.
An einem Abend bringt uns Lionel das Nachtessen an Bord: eine
bereits gekochte wunderschöne Kokoskrabbe mit Yam.
Alle drei kosten wir das feine Fleisch der Beine. Den öligen,
leicht bitteren Schwanzinhalt mag nur Lionel als Sauce zum Yam
(Kartoffel ähnliche Knolle), uns schmeckt er nicht.
Am Sonntag, den 20. Juni, ist "Vatertag". Lionel
möchte ihn mit uns zusammen feiern. Wir grillieren vor
seinem Häuschen Langusten. Vor dem Essen wird auf Wunsch
Lionels gebetet. Zu den frischen Langusten trinken wir eine
feine Flasche chilenischen Weins. Aus seinem Gärtchen -
im Sand - schenkt er uns von den wenigen Gurken zwei riesige.
"Demain matin, on va chercher les oeufs des ternes!"
Gegen Mittag des nächsten Tages fahren wir zu viert zur
grossen Vogelinsel: Lionel mit seinem treuen Hund und wir beiden.
Auf der Insel leben Tausende von Seeschwalben und überall
liegen die gefleckten Eier auf dem Boden. Sie sind etwas
kleiner als Hühnereier. Ich habe gelesen, dass man ihre
Lage - sofern sie bereits angebrütet sind - nicht verändern
dürfe; also die Seite die oben war, muss wieder nach oben
zu liegen kommen, sonst sterbe der Embryo. Mit dem Filzstift
markiere ich die Oberseite der Eier vor dem Wassertest. Jedes
Ei legen wir in den Eimer mit Wasser: sinkt es und legt sich
hin, ist es frisch, ansonsten wird es sorgfältig an seinen
Platz zurückgelegt.
Lionel weiss, wo die frischen Eier liegen; nämlich dort,
wo die Seeschwalben sie nicht allzu sehr verteidigen. Und richtig:
von all den vielen Eiern, die Hans und ich testen, sind nur
zwei, die oben auf schwimmen. Lionel braucht keinen solchen
Test, er fühlt es, ob die Eier frisch sind. Anfangs war
ich etwas besorgt, dass sein Hund mit auf die Insel kommt, denn
ich fürchtete, dass er die Vögel jagen würde.
Doch die ganze Zeit ist er brav bei seinem Meister und schleckt
ab und zu ein frisches Ei. Also kein zusätzlicher Stress
für die armen Vögel.
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In kurzer Zeit haben wir viele frische Seeschwalbeneier
gesammelt |
Die bereits gekochte, schöne Kokoskrabbe von Lionel |
Mit vollen Eimern kehren wir zum Boot zurück. Und nun motoren
wir gegen Wind und Wellen zum Pass. Zum Glück haben wir
die Eier mit dürren Blättern gepolstert! Lionel will
am Aussenriff harpunieren. Mit dem Strom sausen wir durch den
Pass und etwa 50 m südlich davon wirft er den Anker.
Hier liegt das Wrack des deutschen Kaperschiffes "SEEADLER",
das 1917, also mitten im ersten Weltkrieg, auf dem Riff von
Mopelia strandete. Der Pass war zu eng für den als Segler
getarnten Hilfskreuzer von Graf Luckner, so dass er nicht in
die geschützte Lagune hinein fahren konnte und auf der
gefährlichen Riffseite ankern musste, was ihm und seinen
Leuten zum Verhängnis wurde. Nach Flucht und Gefangenschaft
wurde er nach dem Krieg freigelassen und gefeiert. Eine löbliche
Besonderheit war nämlich Graf Luckners Fairness: beim Versenken
der 14 feindlichen Handelsschiffen im Jahre 1917 kam kein einziger
Mensch ums Leben!
Wir schnorcheln um das Wrack von SEEADLER, das in geringer Tiefe
am Riff liegt. Ein riesiges Eisenrad und Kolben und viele andere
Eisenteile liegen erstaunlich gut erhalten in den Spalten herum
und werden von bunten Fischen umschwommen. Lionel harpuniert
etwas weiter weg, was uns recht ist, denn angeschossene Fische
ziehen gerne Haie an.
Ein gemeinsames Fischessen findet am Abend auf CASIMU statt.
Leider sehen wir Vetea in den letzten Tagen kaum, denn er ist
fast Tag und Nacht draussen am Riff, um seine 150 Langusten
zu fangen, die das bald eintreffende Schiff eintauschen wird.
Am Mittwoch, den 23. Juni, kommt das Passagier- und Versorgungsschiff
TAHITI NUI früh am Morgen an. Sofort fahren die paar Einwohner
in schönen T-Shirts mit ihren Booten zum ankernden Schiff
heraus, um die lang ersehnten Familienmitglieder und die Vorräte
abzuholen.
Wir heben mit etwas Wehmut den Anker. In jeglicher Hinsicht
wurden wir hier reich beschenkt. - Segeln heisst auch immer
wieder Abschied nehmen von Freunden und Liebgewonnenem.
mehr Fotos zu diesem Bericht: http://www.casimu.com/album/Mopelia/index.htm
4. Juli 2004 Heidi Brenner |
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