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  Lauter Atolle - Tuamotu, der gefährliche Archipel - Segler, Achtung! - Makemo, der Riese - Erstens kommt es anders.... - Tahanea, die Unberührte - Zurück in die Zivilisation -
Tahiti, der Südseetraum? - Schweizer sind keine Europäer mehr - Von Moorea bis Bora Bora

Lauter Atolle

Wie missratene Willisauerringli (ein sehr hartes, ringförmiges Biscuit aus der Innerschweiz), keines gleich wie das andere, verstreut auf einem blauen Tischtuch, schauen sie auf der Seekarte aus, die 77 Atolle der Tuamotu, die über 1500 km weit im Pazifik liegen. Selten sind sie ganz rund, das "Loch" in der Mitte gross und unförmig, der Ring schmal und unregelmässig und oft rissig: Scharfe Riffringe - noch härter als Willisauerringli! - umgeben die oft riesige, blaue Lagune. Da thronte vor Millionen von Jahren eine Vulkaninsel, die dann langsam im Meer versank. Gleichzeitig schufen die Korallenpolypen rings in den warmen Ufergewässern einzigartige Riffe.

Heute sind noch die Riffringe da, auf denen sich im Laufe der Zeit zum Teil niedrige, sandige, mit Palmen bewachsene Inselchen - sogenannte Motu - entwickelten. In der Mitte - dort wo sich früher die Insel erhob - bildete sich eine mehr oder weniger tiefe Lagune. Das ganze Gebilde nennt man ein Atoll. Keines ragt höher aus dem Meer als die grösste Kokospalme. Die Süd- und Ostseiten (Windseiten) sind oft nur von donnernden Brechern umgeben, die schäumend aufs Riffdach branden.

Die wenigen Einwohner auf einigen Atollen leben von der Zucht der schwarzen Perlen, der Coprah-Produktion (Kokosnüsse trocknen zur Oelverarbeitung), dem Fischfang und der Unterstützung des französischen Staates.

Tuamotu, der gefährliche Archipel
Seit einigen Jahren werden ein paar der Atolle etwa von Seglern angelaufen, dank GPS, Radar, genaueren Seekarten und leistungsfähigen Motoren. (Oft geben die extrem niedrigen Atolle allerdings kein zuverlässiges Radarecho!)

Früher fuhren die Schiffe meist einen grossen Bogen um diesen gefürchteten Archipel, der viele Wracks kostete und immer noch kostet.

Wieso dieser Archipel gefährlich war / ist? Die niedrigen Atolle sind auf den Palmen bewachsenen Seiten nur wenige Meilen weit sichtbar, auf den nackten Riffseiten erst in unmittelbarer Nähe der Brecher. Oft verhindern Unwetter und schlechte Sicht, dass man die Atolle wahrnehmen kann. Zudem versetzen unbekannte Strömungen die Schiffe, so dass es früher oft unmöglich war, zu berechnen, wo man sich befand. Wir haben selber erlebt, wie unangenehm es ist, wenn ein plötzliches Unwetter die Atolle verschluckt und auf dem Radarschirm kein Echo auszumachen ist!

Segler, Achtung!
Es gibt für den heutigen Segler aber immer noch genügend Herausforderungen zu meistern, will er in die Lagune eines Atolls einlaufen.

Erstens sind da die Pässe: Einige Atolle haben mehrere "Risse im Rand", ja sogar ein paar, die genügend tief und breit sind, um mit einer Segeljacht durchzufahren. Andere haben nur einen einzigen Durchgang und einige sind "geschlossen" und ohne passierbare Oeffnung.

Die Pässe sind meist markiert, oft sogar mit Leitzeichen versehen, was sehr praktisch ist. In den Pässen strömt das ein- und ausfliessende Wasser mit beträchtlicher Geschwindigkeit, stösst auf die Brandung im offenen Meer oder bäumt sich mit kurzen, spitzen Wellen gegen den Wind auf, so dass eine Ein- oder Ausfahrt nicht immer möglich sind.
Ruppige Ausfahrt aus dem Pass von Tahanea. Geschützt vor dem aufkommenden Starkwind liegen wir hinter dem Riff in der Lagune.
Auf jeden Fall ist es wichtig, die Tidentabellen zu studieren; also möglichst bei Stillwasser ein- oder auslaufen.

Nun sind aber die Gezeiten nicht die grössten Strom-Verursacher, sondern vielmehr der Wind. Wenn der nämlich mit beträchtlicher Stärke von Ost / Südost bläst, rauschen enorme Brecher über das Riffdach in die Lagune. Die entleert sich dann kontinuierlich durch den Pass, so dass eigentlich immer mit einem starken herausfliessenden Strom (bis zu 11 Knoten) und Strudeln gerechnet werden muss. Meistens sieht man schon von blossem Auge, ob der Pass befahren werden kann. Bei zu grossen Brechern und Wirbeln ist ein Abwarten angesagt.

In der Lagune gilt es nun einen Ankerplatz zu finden. Das tönt komisch, hat es doch meilenweit keine anderen Schiffe und viel, viel Platz. Aber erstens braucht man gute Sicht (Sonne von hinten oder über sich), um die Korallen zu sehen und zweitens muss das Schiff so vor Anker liegen, dass es hinter einem Motu oder dem Riff vor den Wellen geschützt ist.

Der oft starke Wind kann über 5 bis 20 Meilen - so breit sind die Lagunen meistens - unangenehme Wellen aufbauen und wenn das Schiff dann auf Legerwall liegt, kann das zu einer gefährlichen Falle werden. So ist es also wichtig, die Wetter- und Windprognosen stets zu verfolgen.

Ein nicht zu unterschätzendes Problem sind die Korallenstöcke. So suchten wir in der wunderschönen, einsamen Lagune von Tahanea stundenlang nach einem etwas grösseren, sandigen Plätzchen, um den Anker zu platzieren. Die Korallen besetzten den Sandboden dicht, so dass die Ankerkette sich beim Schwojen sofort um eine Koralle gewickelt hätte. Die Koralle wäre dann zu Schaden gekommen, aber unsere verkürzte Kette hätte CASIMU bei stärkerem Wind auch nicht mehr sicher gehalten oder wäre gar gebrochen! (Ein befreundeter Segler verlor vor kurzem wegen einem Kettenbruch seinen Hauptanker!).

Endlich warfen wir dann den Anker in ein Plätzchen Sand und Hans hängte die Kette zweimal (je etwa im Abstand von 10 m) an Bojen auf, so dass sie beim Schwojen über den Korallenköpfen baumelte und sich nicht verwickeln konnte. Ziemlich viel (Tauch) Arbeit!

Makemo, der Riese
Nach der paradiesischen Zeit in Raroia (siehe vorangehenden Bericht*) laufen wir noch drei Stationen in der riesigen Lagune von Makemo an. Sie ist etwa 70 km lang und gegen 20 km breit.

Nach den windigen Tagen hinter dem SE-Riff verlegen wir CASIMU zum Hauptdorf, wo der in den Führern angegebene Ankerplatz mit Korallen übersät ist. Wir machen CASIMU - nach Ermunterung durch die Fischer - mit Heckanker und Bugleinen am langen, neuen Betonsteg fest, neben uns am Pier zwei Fischerboote aus Papeete, sonst nichts.

Gleich das erste Haus ist die Post mit Internetanschluss! Daneben das Gemeindehaus, wo wir im geräumigen "Salle de mariage" - der auch zu anderen Zwecken benutzt wird als zum Heiraten - von den Anwesenden herzlich willkommen geheissen und orientiert werden. Eine geschminkte Frau - nein, es ist doch ein Mann! - führt uns zum Gendarme. Dieser begrüsst uns als erste Jacht, die in diesem Jahr Makemo besucht.

Pouheva, mit etwa 300 Einwohnern das grösste Dorf der Tuamotu, ist ein wichtiger Schulort. Die Kinder der umliegenden Atolle gehen ab der Mittelstufe (ca. ab 10 Jahre) alle hier zur Schule und leben lange Wochen ohne Kontakt zur Familie im Internat.

Die Dorfstrasse wird verbreitert und soll asphaltiert werden. Eben werden von vielen Arbeitern die neuen, angrenzenden Gartenmauern betoniert. In den zwei, drei Läden kaufen wir ein paar Kleinigkeiten ein, Gemüse oder Früchte gibt es kaum und Brot bekommen wir am Nachmittag keines mehr. Dafür schenkt uns einer der Fischer zwei riesige Thunfilets.

Ein langes Gespräch mit dem einen Ladenbesitzer und Perlenzüchter zeigt uns, wie schwierig das Perlengeschäft seit einigen Jahren ist. Da einige der Züchter nicht zwei Jahre Geduld und Reserven hatten, die Muscheln zu putzen und zu kontrollieren bis die schwarzen Perlen wirklich von guter Qualität waren, sondern sie sehr viel früher - schon nach 7 bis 8 Monaten - "ernteten" und verkauften, löste sich der Perlmuttbelag bald ab, sie waren in Japan weniger gefragt und der Preis der Perlen sank. Heute gibt es eine obligatorische Qualitäts-Kontrollstelle in französisch Polynesien und Perlen dürfen nur mit dem offiziellen Zertifikat gehandelt werden. Nun besteht Hoffnung für die seriösen Züchter, dass der Preis und die Nachfrage wieder ansteigen.

Schon am nächsten Tag segeln wir morgens bei Sonnenschein mit achterlichem Wind Richtung NW-Pass weiter. Nur einige grosse Korallenstöcke, die bis an die Wasseroberfläche ragen, liegen im Wege und die sehen wir beim morgendlichen Sonnenlicht schon von weitem an den andersartigen Farbtönen. Besser muss man nach den kleinen Bojen Ausschau halten, die Perlen-Kulturen anzeigen.

Nach 15 Meilen suchen wir hinter dem vorspringenden, türkisfarbenen Riff vor schönen Palmenstränden einen Ankerplatz. Leider bekommen wir beim Ankermanöver in der mittäglichen Hitze wegen einer Kleinigkeit Streit, und die nächsten zwei Tage spricht der Skipper wenig und jeder geht alleine paddeln oder spazieren. Schade, an diesem wunderschönen Platz!
An den einsamen Ankerplätzen sind wir "Selbstversorger": frisches Vollkornbrot kommt aus dem Ofen. Geraspelte Kokosnüsse werden gedörrt und schmecken im Müesli oder zu Riz Casimir herrlich!
Die vielen Kokosnüsse werden hier vor allem von behenden Ratten geknackt. Sie lassen sich durch meine Nähe nicht vom Fressen abhalten.
Ich sehe wieder viele Schwarzspitzenhaie und einmal gegen Abend im Seichten drei grosse Haie: ein etwa 2,5m langer, schwärzlicher Hai (evt. ein grauer Riffhai?), an dessen Kopf vier farbige kleine Putzerfischlein mitreisen. Er schwimmt gemächlich hinter einem Schwarzspitzenhai her, gefolgt von einem dritten. Mein Beiboot wird nicht beachtet. Diese Kaliber sind mir zu gross zum Schnorcheln!

Während ich mit Casimuli zurück paddle - die Sonne geht eben unter - bewegt sich plötzlich ein riesiger, schwarzer Schatten neben mir an der Wasseroberfläche. Ein grosser Rochen, der uns folgt und immer näher zu Casimuli kommt. Er umspielt und umwirbt das Beiboot. Meint er wohl, es sei ein "Gspänli"? Sein "Bauch" ist schwarz, wie der des Rochen, etwas kleiner aber nicht unähnlich in der Form. Erst als ich schon fast bei Dunkelheit an CASIMU festmache, dreht der Freier ab - enttäuscht wie mir scheint - und verschwindet.

Laute Klatschgeräusche verraten uns etwas später, dass grosse Fische in der Nähe jagen.

Erstens kommt es anders....
Unser Aufbruch von Makemo am 3. Mai ist gut geplant. Da wir nach den Tidentabellen erst gegen 16 Uhr durch den NW-Pass hinausfahren können, aber bei morgendlichem Sonneneinfall durch die Lagune segeln müssen, wollen wir vor dem Pass einige Stunden ankern und alles auf- und wegräumen, vorkochen und noch etwas ausruhen. Die nächtliche Ueberfahrt soll uns dann nach Tahanea bringen, in dessen Lagune wir am nächsten Morgen einlaufen wollen.

Mit über 20 kn Wind segeln wir nur unter der Genua mit fast 6 Knoten die wenigen Meilen durch die tiefblaue Lagune. Ampairli, unser Windgenerator, hängt noch über dem Grossbaum und dreht eifrig mit. Er soll am Ankerplatz runtergeholt und weggeräumt werden. Casimuli rauscht hinten im Schlepp nach; auch er wird dann am Ankerplatz gereinigt, getrocknet und weggestaut. Da werden wir ja viel Zeit haben!

Doch bald wird uns klar, dass an ein Ankern in der Nähe des Passes bei dem starken Ostwind und den sich aufbauenden Wellen nicht zu denken ist. Wir tasten uns zu den ersten Seezeichen des Durchgangs und stellen fest, dass Wellen und Strudel nicht schlimm aussehen. Wir könnten jetzt, am Mittag wohl schon gefahrlos passieren.

Aber: alles muss aufgeräumt und weggepackt werden und das bei viel Wind, Wellen und Strömung! Eine kleine Feuerwehrübung, wie ich sie nicht liebe: Motor an, Genua einrollen, Ampair runter, ein Auge immer auf unsere Position zwischen rotem und grünem Seezeichen und Untiefen, kurz motoren und uns wieder etwas Freiraum verschaffen, Hans hebt Casimuli aufs Vordeck, reinigt und trocknet ihn, Luft raus und im Vorschiff verstauen, ich verzurre unter Deck alles seefest, springe zwischendurch wieder ins Cockpit um kurz zu motoren, damit wir ja zwischen den beiden Seezeichen im Tiefen treiben - mich stresst diese Uebung viel mehr als Hans - alle Lucks zu, das Vorkochen des Abendessens fällt weg...

Mit maximal 4 Knoten Gegenstrom fahren wir gefahrlos durch den Pass und sind wieder im Pazifik. Schöner Wind, rechts wird Katiu sichtbar und links die Palmen des kleinen Atolls Tuanake. Aber die See ist bald wieder zum Ko.......! Beiden ist uns nicht ums essen. Doch wir sind uns einig, dass unser bisheriges Vorgehen - nämlich alles vor dem Ankerheben fertig zu machen - sich bewährt hat und diese hektische Aktion von vorher unnötig ist!

Tahanea, die Unberührte
Erstaunt stellen wir fest, dass der Pass von Tahanea nicht "balisés" (mit Seezeichen versehen) ist. Doch in der Zwischenzeit haben wir ja bereits etwas das Auge bekommen. Die Segel werden weggerollt, und unter Motor fährt Hans durch die Wellen und Strudel. Alles bestens.

Eine grünliche Tafel am Ufer weist darauf hin, dass Tahanea seit 2001 ein Naturreservat ist. Was das wohl bedeutet? Auf jeden Fall ist es heute unbewohnt und harpunieren tun wir die schönen Rifffische sowieso nicht!

Im türkisfarbenen Wasser suchen wir einen geschützten Ankerplatz. Stundenlang. Ueberall viele Korallen. Was tun? (siehe oben) Endlich liegen wir einigermassen, wenn auch nicht optimal, falls der Wind drehen sollte. Wunderschön ist's hier!

Schon patrouillieren vier, nein sechs stämmige Burschen Schwarzspitzen- Riffhaie um CASIMU. Die werden von Atoll zu Atoll grösser und zahlreicher! Als Hans die Ankerkette tauchend aufhängt, begleite ich ihn im Beiboot und halte Ausschau nach dem neugierigen Empfangskomitee. Im Tauchbuch las ich, dass diese Schwarzspitzen-Riffhaie kaum Scheu vor Tauchern haben. Von Angriffen wird nichts berichtet, aber wir schnorcheln nicht ganz entspannt. Ich nehme den Stiel der alten Fegebürste zur Abwehr gegen allzu aufdringliche Kerle mit; das gibt mir etwas Sicherheit.

Die bunte Vielfalt der Fische um die Korallen ist fantastisch. Gerne würde ich mal schnorchelnd oder tauchend durch einen Pass treiben, denn im starken Strom soll es nur so wimmeln von grossen Lagunen- und Hochseefischen. Doch nur zu zweit, ohne Erfahrung und Begleitboot, getrauen wir uns nicht.

Ein Beiboot-Ausflug zum östlichsten der drei Pässe - wo wir bei einem Inselchen schnorcheln wollen - misslingt, da Wind und Wellen gegen uns sind. Triefend nass und mit getränktem Casimuli geben wir auf, drehen um und landen auf dem nahen Motu. Auf dem einsamen Pirschgang entdecken wir eine kleine Lagune, die wir durchschwimmen. Wir entdecken eine farbige, wunderschöne Kokoskrabbe und unzählige Einsiedlerkrebse.

Wir geniessen die einsamen Tage trotz recht starkem Wind und bereiten uns mental auf eine andere, laute und künstliche Welt vor: Papeete, das "Paris der Südsee" auf Tahiti. Unsere dreimonatige Aufenthaltsbewilligung für französisch Polynesien läuft in zehn Tagen ab und da müssen wir die Verlängerung vorher beantragen.

Zurück in die Zivilisation
Genau nach vier Wochen Aufenthalt in den Tuamotu brechen wir von Tahanea Kurs Tahiti auf. Es waren sehr schöne Tage in den unberührten Atollen. Wir begegneten nie einer anderen Jacht, sympathischen Kontakt mit den Einheimischen hatten wir in den beiden Dörfern, sonst waren wir alleine.

Wellen und Strudel im Pass werfen CASIMU zum Abschied noch zünftig rum, so dass ich einen Moment Angst bekomme.

Bei 5 bis 6 Windstärken aus ESE kommen wir an der Nordküste von Tahanea entlang gut voran; die Seen sind allerdings wieder recht konfus und die Motus verschwinden mehrmals in einer Regenwand.
Gegen Abend sehe ich steuerbords weit vorne Rauch und mittendrin ein grösseres Schiff. Brennt es etwa? Als wir näher kommen, erkennen wir, was los ist: Der vermeintliche Rauch ist die Gischt der Brandung am Riff im Gegenlicht und das Schiff kommt uns nicht entgegen, sondern sitzt hoch und trocken mitten im Meer, auf dem Riffdach von Faaite, das man aus zwei Seemeilen nicht ausmachen kann!

Immer wieder regnet es, nicht heftig und nur kurz. Die Wellen sind eklig, wir werden hin- und hergeworfen und beim aufreibenden Abwaschen fluche ich entsprechend. Hans, der Arme, muss auf dem sich aufbäumenden Bug den Spibaum setzen, damit wir die Genua ausbaumen können, denn der Wind kommt wieder einmal ganz von hinten.

Alles wäre wohl erträglicher, wenn unser Ziel attraktiv wäre, doch uns beiden stinkt es, in Papeete anzulegen. Da erwartet uns Verkehr, Abgase, Hektik und wahrscheinlich erst noch teure Liegegebühren, wenn wir am "Quai des Yachts" oder in der "Marina Taina" liegen wollen. Zudem müssen wir wohl viel Papierkrieg erledigen und nach Wochen wieder Kleider und Schuhe anziehen!

Tahiti, der Südseetraum?
Am dritten Tag, in der Morgendämmerung, steigt Tahiti aus dem Meer. Die Umrisse der beiden Halbinseln Tahiti Nui (gross) und Tahiti Iti (klein) erkennen wir nur dunkel und verschwommen. Die Gipfel der hohen Berge verstecken sich in den Wolken.

Pointe Venus, die NW-Ecke, reicht weit und flach hinaus. Hier wurde vor mehr als 200 Jahren von Captain Cook der Durchgang der Venus vor der Sonne beobachtet und gemessen, um dann daraus die Distanz Erde - Sonne zu berechnen. Wegen ihrer dichten Wolkendecke sind aber die Umrisse der Venus ungenau, und das wissenschaftliche Unternehmen ergab deshalb kein brauchbares Resultat.

Tahiti ist sehr grün und Papeete wirkt mit ca. 100'000 Einwohnern, die über 30 km an den Hängen entlang der Küste mitten im Grünen wohnen, vom Meer her eher wie ein besserer Vorort als wie eine Stadt.

Sicher wäre es lohnenswert, Tahiti zu umsegeln und nicht nur - wie die allermeisten Jachten - Papeete anzulaufen.

Ein starker Wind treibt uns dem "Passe de Papeete" entgegen, wo wir mit der Fähre von Moorea zusammen einlaufen.
Knapp an uns vorbei rauscht die Fähre von Moorea in den Hafen von Papeete Am frühen Morgen legt dieser Container-Riese in Papeete an.
Ueber Funk hat mir die "Vigie du Port" auf meine Anfrage hin mitgeteilt, dass es am "Quai des Yachts" viel Platz habe, und wir einfach anlegen sollen. Neben einem australischen Katamaran machen wir fest: ganz im Zentrum von Papeete, direkt an der vierspurigen Hauptstrasse "Boulevard Pomare".

Es gibt nach fünf Monaten - seit Mitte Dezember in Puerto Montt - wieder einmal Wasser- und Stromanschluss und wir können vom Schiff direkt an den Quai steigen und sind im Herzen vom "Paris der Südsee". Es ist gar nicht so schlimm, wie ich es mir vorgestellt habe.

Im Hafen um uns wird gebaut und deshalb hat es am Quai zur Zeit nur für wenig Jachten Platz, und der ist nicht voll besetzt. Wo stecken all die vielen Jachten bloss?

Bald sitzen wir mit Martin und Dieter vom Nachbar-Katamaran HOUTMAN in der gegenüberliegenden Brasserie beim Bier. Sie überführen den in den USA gekauften Katamaran nach Brisbane, Australien, wo sie wohnen.

Der sanfte Martin, ist urprünglich Holländer. Eben ist ihm die Freundin ausgestiegen und er leidet an Liebeskummer. Dieter, etwas älter, ist ursprünglich Deutscher. Er nimmt die Sorgen seines Kameraden nicht so ernst. Er wirkt sehr tüchtig, unkompliziert und packt an, wo er kann. Sie warten noch auf ein Ersatzteil. In einem Monat wollen sie in Australien sein.

Später essen wir alle vier auf dem Hauptplatz bei einem "Roulotte" (fahrende Küche) einer chinesischen Familie und plaudern angeregt.

Das Zentrum ist klein und alles zu Fuss leicht erreichbar. Spätestens um 18 Uhr schliessen die Läden und ab etwa 19 Uhr ist Papeete wie ausgestorben und auch der Verkehr auf dem Boulevard Pomare ist viel geringer. Nachts ist es dann ganz still. Doch etwas nach 5 Uhr morgens beginnen die Wagen wieder zu rollen.

Schweizer sind keine Europäer mehr
Am nächsten Morgen ist das offizielle Einklarieren in französisch Polynesien angesagt (nur in Papeete möglich): Immigration, Douane, Capitainerie. Alle drei liegen ganz nahe im gleichen Gebäude, welch ein Glück! Mit Pässen, Bootspapieren und allen Unterlagen begebe ich mich frühmorgens auf die Immigration, mit der Absicht, die bald ablaufende Aufenthaltsbewilligung von drei Monaten um weitere drei Monate zu verlängern, wie das für Europäer problemlos möglich ist.

Der dicke Beamte empfängt mich recht formell. Als er die Schweizer Pässe sieht, fragt er mich gleich, ob wir das Depot für die Heimflugtickets bezahlt hätten. Sehr überrascht erkläre ich ihm, dass dies bisher nirgends in französisch Polynesien von uns verlangt und auch gar nicht nötig sei, da wir mit den Europäern gleichgestellt würden. Nein, nein, die Schweizer müssten bezahlen, Polynesien anerkenne unsere Verträge mit der EU nicht an, wir seien keine Europäer, übrigens seien wir jetzt fast drei Monate illegal im Land...

Innerlich bin ich wütend, doch ich bleibe besser stumm! Entweder würden wir gleich ausreisen, oder eben das Depot bezahlen. Für eine anschliessende Aufenthaltsverlängerung müsse ich zum Haut -Commissariat.

Also begebe ich mich zur Banque Socredo, doch erst die dritte Niederlassung ist die Hauptbank, so dass ich mich nicht mehr vergebens in die Reihe stelle. Nach langem Ausfüllen von Formularen steckt der Beamte meine VISA-Karte in seine Maschine, doch diese akzeptiert die Karte nicht.

Also zurück zum Boot, 2500 US$ in bar holen (die wir zur Sicherheit eben gerade wegen diesen unklaren Depot- Regelungen in Papeete mitführen), wieder anstehen.... und diesmal klappt es. Ich darf meine Dollars abgeben. Ich kann es nicht verhindern, dass sie in Pazifische Francs gewechselt werden, um dann in wenigen Wochen in Bora-Bora vor unserer Ausreise wieder zurück in Dollars gewechselt werden müssen. Spesen und Wechselverluste sind beträchtlich, doch was wollen wir als Nicht-Europäer?

Zurück zur Immigration, wo mich jetzt ein netter Beamter empfängt. Nachmittags arbeiten sie auf dem Haut-Commissariat nicht. Am nächsten Morgen früh erklärt mir eine sehr dienstbeflissene Dame, dass wir als Schweizer unsere Aufenthaltsbewilligung nicht verlängern könnten, nur die Europäer. Da sei gar nichts zu machen. So ein Mist! Da hätten wir uns ja das ganze Theater mit dem Depot sparen können!

Auf dem Reisebüro erkundige ich mich nach den billigsten Flügen ins Ausland. Für umgerechnet etwa 350 Fr. könnten wir nach Rarotonga auf den Cook Inseln fliegen und dann hätten wir bei der Wiedereinreise weitere drei Monate Aufenthalt. Eigentlich haben wir beide keine Lust dazu.

Auf der Strasse kommt mir der nette Immigrationsbeamte entgegen und als ich ihm die Situation erkläre, meint er, dass er mir helfen könne: "Combien de jours en plus? Fin de mai ou commencement de juin, ça suffira?" Anfangs Juni, das wäre für uns gut.

Also schreibt er mir eine Erlaubnis, dass wir französisch Polynesien erst am 5. Juni (und nicht schon in 8 Tagen, am 20. Mai) verlassen müssten. Zwei wichtige, grosse Stempel sowie seine Telefonnummer für allfällige Rückfragen zieren das Ausreiseschreiben. Mit diesem Teilerfolg kehre ich zu Hans aufs Schiff zurück.

Was haben wir in Papeete noch zu tun? Waschen und Schiff gründlich putzen, einkaufen im grossen Supermarché Carrefour und auf dem Frisch-Markt, Besuch im Internetcafe, evt. die Schiffsbatterien wechseln... und noch einige technische Dinge mehr, die wir aber wohl auf der Insel Raiatea mindestens so angenehm erledigen können.

Also fahren wir mit Rucksack und Seesack im typischen "Truck" (einem Lastwagen der zum Bus umgebaut wurde) zum riesigen Carrefour, um unsere Vorräte wieder aufzustocken. Seit fünf Monaten konnten wir nie mehr gross einkaufen. Hier gibt es alles so wie in Frankreich, nur teurer.

Wir waschen und putzen, füllen die Wassertanks, bummeln noch im wenig interessanten Zentrum rum, essen mit Dieter und Martin vom Nachbarschiff und beschleunigen unsere Abreise.
Letzter Abend in Papeete: Morgen laufen wir nach dem nahen Moorea aus. Beliebter Volkssport. Hier trainieren die Mädchen von Papeete.

3 Wochen bleiben uns noch für all die anderen Inseln: Moorea, Huahine, Raiatea und Tahaa und schliesslich Bora Bora.

Moorea, die gewaltige
Moorea ist die einzige Insel, die wir auf unserem Chartertörn von 1998 nicht anliefen. Naürlich müssen wir in der berühmten Baie de Cook mit dem eindrücklichen Bergpanorama ankern und schnorcheln.
Die berühmte Baie de Cook Unser Ankerplatz in der Baie d' Opunohu
Bei wolkenlosem Himmel führt uns eine schweisstreibende Wanderung an Ananasfeldern und Papayabäumen vorbei zum Belvedere, wo wir auf beide Baies runterschauen können: die Baie de Cook und die einsamere Baie d' Opunohu.
Papaya-Baum auf Moorea Blick auf die geschützte Baie de Cook vom Belvedere aus.
Weitere zwei Tage ankern wir im östlichen Seitenarm der Baie d'Opunohu. In beiden Baies können wir in wunderbar klarem Wasser unbesorgt schwimmen, denn hier in den touristischeren Gewässern der Gesellschaftsinseln begegnen wir kaum Haien. Das ist natürlich auch schön und mahnt uns etwas an die Ferienstimmung in Sardinien oder Korsika. Seit Papeete sichten wir öfter Kreuzfahrtschiffe.

Wiedersehen mit Huahine
In einer Nachtfahrt segeln wir nach Huahine, der ursprünglichsten der "Iles sous le vent". Als wir in die Lieblingsbaie von Hans im Südzipfel einlaufen, liegt dort eine rote Stahljacht. Bald winken zwei Menschen und wir erkennen mit dem Feldstecher, dass es sich um die kanadische Jacht "JOSHUA" handelt.

Fraser und Mark, das aussergewöhnliche neufundländische Seglerpaar, lernten wir kurz vor unserer Abreise in Puerto Montt kennen. Sie verbrachten nach Jahren in der Arktis zwei Jahre in South Georgia, ganz auf sich gestellt mit ihrer "JOSHUA", einem Stahlboot von 12 m, das sie vor zehn Jahren selber gebaut haben.

Ihre Lieblingsgegenden sind die hohen Breiten des Nordens oder Südens. Hier ist es ihnen zu heiss (wie uns eigentlich meistens auch). Sie sind auf dem Weg nach Neuseeland.
Abends essen wir gemeinsam auf CASIMU und tags darauf auf JOSHUA. Dann trennen sich unsere Wege wieder.

Als wir am Strand um das Südkap wandern, erblicken wir Polynesier, die in den Brandungswellen beim Pass surfen. Ein einheimischer Jüngling erzählt uns, dass es hier im Pass einen sehr grossen, grauen Hai ("un requin gris guardien") gebe, der zwischen hier, Raiatea und Bora Bora patrouilliere und immer wieder auftauche.

Wir ankern noch eine Nacht vor dem ehemaligen Luxushotel von Julio Iglesias, das 1997 von einem Zyklon total zerstört wurde, und von dem jetzt nur noch ein paar Ruinen zu sehen sind. Die tropische Vegetation hat sonst keine Spuren mehr hinterlassen. Die aussergewöhnlichen Natur-Bungalows in den Bäumen sind überwachsen und verschwunden. Als ich mich auf eine Pirsch ins private Territorium begebe, folgt mir laut rufend ein jüngerer Wärter und führt mich durch das riesige Gelände. Ausländer lasse er eintreten, Tahitianer aber nicht, die würden stehlen (was wohl?).

Er beginnt zu plaudern. Morgens arbeite er auf der Gemeinde, nachmittags hier als Wächter. Er verdiene gut, 26'000 CFP, das sind etwa 370 Fr. monatlich. Früher, als er die Baumbungalows bauen half - eine viel härtere Arbeit -, verdiente er nur 6'500 CFP, also nur etwa 90 Fr. Daneben pflanze er noch Gemüse und verarbeite Kokosnüsse.
Als Natur-Psychologe erzählt mir Philippe eine Menge Partner-Geschichten von Jachties. Er habe eben so ein "pouvoir" und sehe den Paaren die Probleme an. Und wenn er sie darauf anspreche, stimme es immer. Auf meine Frage, was er denn bei mir spüre, weicht er dann etwas aus. Er sei in Marseille als "pompier" gewesen und hätte dort fünf Jahre mit einer Frau über 60 zusammen gelebt, bis sie bei einem Autounfall gestorben sei. Er bevorzuge ältere Frauen als Partnerinnen, denn da lebe man "plus tranquille".

Ob wir einen Bund Bananen möchten, dann sollen wir uns einen abschneiden gehen, auch Kokosnüsse dürften wir sammeln.

Ich rudere mit Casimuli zurück zum Schiff, hole Hans und für Philippe ein Geschenk. Doch der stachelt mit seiner Piroge voll Kokosnüsse bereits davon, denn er wolle heute noch "Coprah" machen (Kokosnüsse öffnen und zum Trocknen auslegen). Morgen früh ist "le chef" da zum Wärtern, da gibt's halt diesmal kein Geschenk, Philippe. Mit einem grossen Strunk grüner Bananen rudern wir heim.

Raiatea, das Seglerzentrum
Wir kennen die kleinere City Marina von Uturoa schon vom früheren Törn. Mitten in französischen Jachten, die wohl zum Teil schon Monate oder Jahre hier liegen, machen wir an einem Steg fest.

Ein kurzer Spaziergang dem Meer entlang führt uns ins Zentrum des verschlafenen Dorfes, wo vor allem die Chinesen tätig zu sein scheinen. Ein riesiger, langer (leerer) Pier wurde in den letzten Jahren gebaut und ein Hafen- Geschäftszentrum mit zwei Restaurants. Ab 18 Uhr ist alles wie ausgestorben und auch in den beiden Restaurants ist wenig los. Es hat kaum Touristen.

Im chinesischen Restaurant werden wir von einer äusserst charmanten Serviertochter bedient und essen gut und in gepflegtem Rahmen.

Wieder einmal kommt unser Bordvelo zum Einsatz: Hans muss die Gasflaschen in die entferntere Marina (wo auch eine Mooring Charterbasis ist) füllen gehen, die einzige Internetmöglichkeit liegt ebenfalls etwas ausserhalb des Zentrums und so radeln wir abwechslungsweise rum. Nochmals wird eingekauft und geschleppt, um dann nach drei Tagen bereits nach der Vanilleinsel Tahaa (in der gleichen Lagune gelegen) zu segeln.

Tahaa, die Vanille-Insel
Bei zwei kleinen Motus am Pass Toahotu ankern wir in klarem, blauem Wasser. Es ist Pfingsten und also verlängertes Wochenende.

Zum ersten Mal liegen ein paar andere Jachten (vor allem von Franzosen, die hier leben) am gleichen herrlichen Platz. Einige machen nur einen kurzen Badehalt, andere bleiben über Nacht wie wir.

An einem Morgen fahren wir mit Casimuli durch den Pass, der eine leichte Strömung in die Lagune aufweist. Auf der Pazifikseite steigen wir mit Schnorchel und Flossen ins Wasser und lassen uns - am Schlauchboot festhaltend - am Riffabhang entlang durch den Pass in die Lagune zurücktreiben. Unzählige bunte Fische, eine grosse Wasserschildkröte, eine Muräne und nur einen kleineren Hai sichten wir.

Ja, hier ist die Meeresfauna nicht mehr so reich und ursprünglich wie auf den Tuamotu, aber trotzdem schön. Wir wiederholen die Pass-Schnorchelei gleich noch einmal, so wie man eine Rutschbahn nochmals runtergleitet.

Tahaa ist berühmt für seine hervorragenden Vanillestengel. Letztes Mal führte uns der französische Botanik-Fachmann Alain durch die Insel. Diesmal geniessen wir ihren gebirgigen Anblick vom Ankerplatz aus.

Bora-Bora, die weltberühmte
Bora-Bora "muss" angelaufen werden, von Jachten wie von Kreuzfahrtschiffen, denn seine grandiose Naturschönheit ist einmalig.
Aber auch andere Polynesien- Besucher lassen sich ein paar Tage Bora-Bora meist einiges kosten. Keine andere Insel hat deshalb so viele Luxus-Hotel-Bungalows, die wie Pfahlbauten in die Lagune hinausragen und vom Zimmer aus einen direkten Einstieg ins türkisklare Wasser gestatten wie Bora Bora. Die Hotels sind nie grosse, hässliche Betonkästen, nein, im Gegenteil: sie sind fast die einzigen Häuser, die noch nach alter Tradition aus natürlichen Materialien errichtet werden und sich so meist recht schmuckvoll in die Landschaft einpassen.
Ankerplatz vor dem Bora Bora Hotel Bora Bora's Wahrzeichen

Von hier ist unser Absprung Richtung Tonga geplant. Einen Zwischenhalt gedenken wir im nahen Maupiti und wenig besuchten Mopelia, dem Beveridge-Riff und der aussergewöhnlichen Insel Niue einzulegen. On verra!


* Korrektur zu Raroia: die Hai-ähnlichen Fische unter CASIMU und an meinem Bauch waren nicht junge Haie, sondern sogenannte "Schiffshalter", die sich mit ihren Kopf-Lamellen an grössere Fische oder sogar Schiffsrümpfe (oder eben menschliche Bäuche!!) heften und mitfahren.

Au revoir et à bientôt Heidi

mehr Fotos zu diesem Bericht: http://www.casimu.com/album/Gesellschaftsinseln/index.htm

31. Mai 2004 Heidi Brenner